‚Tremors – Im Land der Raketenwürmer‘ (1990)

Ron Underwood ist nicht unbedingt ein Name, bei dem man sofort aufhorcht. Dabei ist sein Karrierebeginn mindestens erstaunlich. Nur mit einem Kurzfilm, etwas Seterfahrung und Regieerfahrung bei zwei Fernsehserienfolgen legte er Universal seine Idee für ein „Creature Feature“ B-Movie, aber mit höherem Budget vor. Und Universal sagte ja. Seinen wahren Erfolg würde der Film zwar erst auf VHS finden (wo viele seiner Sequels auch direkt ihr Debüt feierten), doch das lag eher an Universal als am Film selbst, wie ich unten zeigen werde. Das Ende von Underwoods Kinofilmkarriere war übrigens ähnlich spektakulär wie sein Beginn. Dank des Megaflops ‚Pluto Nash‘ dreht er heute Weihnachtsfilme für TV Sender. Aber über ‚Pluto Nash‘ wollen wir heute nicht reden, lieber über den weit erfreulicheren ‚Tremors‘.

Valentine (Kevin Bacon) und Earl (Fred Ward) sind Tagelöhner in dem winzigen Kaff Perfection in Nevada. Als sie endlich beschließen den Ort zu verlassen, um woanders ihr Glück zu finden, müssen sie feststellen, dass die einzige Straße aus dem abgelegenen Wüstental versperrt ist. Und irgendwas hat die Telefonleitung gekappt. Funk funktioniert, wegen der umgebenden Berge, eh nur im Tal. Doch nicht nur ist man plötzlich abgeschnitten, auch tötet irgendetwas plötzlich die Bewohner abgelegener Gehöfte. Die seltsamen Beobachtungen von Seismographie-Doktorandin Rhonda (Finn Carter) zeigen, was immer es ist, es bewegt sich unter der Erde. Die kleine Gemeinde muss einen Weg finden das Tal zu verlassen, oder aber, was wenigstens Waffennarr Burt Gummer (Michael Gross) deutlich lieber wäre, sich gegen die Gefahr zu wehren.

Horrorkomödien sind beliebt, neigen aber häufig dazu eines der beiden Elemente stärker zu betonen. Einige der besten Beispiele, etwa ‚Evil Dead 2‘, schaffen es, dass sich das eine stets aus dem anderen speist. ‚Tremors‘ geht einen anderen, ebenso erfolgreichen Weg. An den Kreaturen und ihren Angriffen ist grundsätzlich nichts komisch. Im Gegenteil, ihre Einführung ist sehr atmosphärisch. Zunächst sieht man sie gar nicht, dann glaubt man, es handle sich um Würmer etwa von der Größe einer Riesenschlange, bis sich herausstellt, dass dies nur die Zungententakel des eigentlichen Wesens sind. Von Wesen die nicht nur intelligent, sondern, wie Val zwischendurch häufiger fürchtet, cleverer als die Bewohner von Perfection sein könnte.

Und genau hier kommt der Humor ins Spiel. Der speist sich aus den Beziehungen der Charaktere untereinander und natürlich ihren Reaktionen auf die Monster. Im Mittelpunkt stehen hier natürlich Val und Earl. Und Ward und Bacon haben ganz eine wunderbare Chemie miteinander. In den 80ern war der Charakter des „liebenswerten Arschlochs“ äußerst beliebt. Kurt Russell hat den zur Perfektion geführt, aber Bacon darf hier zeigen, dass auch er ihn durchaus beherrscht. Doch am Ende ist auch sein Val ein anständiger Typ, wie eigentlich alle Charaktere hier. Denn nicht nur ist der Cast divers, er kommt auch quasi ohne jegliche Klischees aus. Burt Gummer ist noch am ehesten klischeehaft, wird aber von Michael Gross charismatischer Darstellung getragen. Ein Glück, denn das Klischee des waffenstarrenden Verschwörungstheoretikers ist gerade in den letzten Jahren doch sehr schlecht gealtert. Vor allem bekommt jeder Charakter hier ihren oder seinen Moment.

Der Film verlässt sich zu keiner Zeit auf seine Monster, oder deren Angriffe als pure Träger des Interesses. Ich vermute der Film würde ähnlich gut funktionieren, wenn man die Viecher nie wirklich zu sehen bekäme. Umso besser, dass wenn man das doch tut, sie auch noch gut aussehen. Der Film ist eine der ersten praktischen Spezialeffektarbeiten der Firma Amalgamated Dynamics von Stan Winston-Schüler Tom Woodruff jr.. Der hat alle Graboid Requisiten erst einmal ein paar Tage in der Wüste vergraben, um ihnen einen glaubwürdigen unterirdisches Aussehen zu verleihen. Wenigstens in meinen Augen halten sich die Effekte auch heute noch auf ansehnlichem Niveau. Vor allem hilft, dass wirklich etwas da ist, worauf die Darsteller reagieren können. Unterstützt wird das mit einigen eindrucksvollen Kamerafahrten von Kameramann Alexander Gruszynski.

Kurz, jeder hat hier erkennbar sein Bestes gegeben und kann zu Recht stolz auf den Films ein. Doch dann bekam man bei Universal kalte Füße ob der eigenen Courage einem Anfänger so einen Film zu finanzieren. Und so kippte man den geplanten US-Kinotermin im November 1989 und verschob den Film drei Monate. Die Zeit nutzte man, um die Altersfreigabe zu senken. Jede Menge böse F-Worte wurden direkt aus dem Film geschnitten. Wo das nicht ging wurde nachsynchronisiert. Und man ahnt sofort wo. „Can you fly, you sucker?“ geht ja noch, aber das mehrfach verwendete „motherhumper“ finde ich ganz furchtbar. Doch Universal war noch nicht fertig mit dem Film. Wochen vor dem neuen Erscheinungstermin entschied man, dass der Soundtrack von Ernest Troost „zu albern“ sei und heuerte Robert Folk für einen neuen an. Der tat in der kurzen Zeit (Folk sagt, er habe nur etwa 5 Tage(!) für die Komposition gehabt) was er konnte, schaffte aber nur einige heroische Stücke für die zweite Hälfte des Films. Er verzichtete auf eine Nennung in den Credits.

Universal bewarb den Film insgesamt eher halbherzig. Und so blieb er im Kino weit hinter den Erwartungen zurück. Fand sein Publikum dann aber auf VHS, in den 90ern ein äußerst lukrativer Markt. Damit brachte es der Film bislang auf sechs Sequels (ich kenne die meisten nicht, aber es klingt so als nähme die Qualität stetig ab) und eine Spin-Off Serie. Nicht zuletzt deshalb blieb ihm bislang immerhin das vermutlich dennoch unausweichliche Remake erspart.

Also, lohnt sich ‚Tremors‘ heute noch? Ich finde auf jeden Fall! Der Film ist ziemlich gut gealtert, Kevin Bacon charismatisch wie eh und je und der gesamte Rest des Casts hochsympathisch. Die Tricks sind dem Film angemessen und funktionieren durchaus, stehen aber ohnehin hier nie wirklich im Mittelpunkt. Grabt ihn also, wo auch immer, aus, denn wenn Universal ihn damals nicht kaputt gekriegt hat, dann schafft es die Zeit erst recht nicht.

Streiflichter Nummer 3: Polizeiwagen und Irische Wälder

Folge 3 der Streiflichter, diesmal nur mit zwei Filmen, ‚Cop Car‘ und ‚The Hallow‘. Weil ich es nicht geschafft habe mich kurz zu fassen. Dafür gibt es eine unerwartete thematische Klammer in Form von „was hat der Regisseur als nächstes gemacht“.

 

‚Cop Car‘ (2015)

Die Jungen Travis (James Freedson-Jackson) und Harrison (Hays Wellford) sind von Zuhause abgehauen. Auf einem einsamen Feld, nahe einem Wäldchen stoßen sie auf ein scheinbar verlassenes Polizeiauto. Nachdem sie sich gegenseitig zu mehreren Mutproben aufgefordert haben, starten sie schließlich das Auto und fahren davon. Das würde sie schon unter normalen Umständen in große Schwierigkeiten bringen, doch das Auto gehört dem korrupten Sheriff Kretzer (Kevin Bacon), der gerade damit beschäftigt war eine Leiche in dem Wäldchen zu entsorgen. Dumm: eine weitere befindet sich noch im Kofferraum seines Dienstwagens. Kretzer unternimmt nun alles, um einerseits zu verhindern, dass seine Kollegen den Diebstahl bemerken und andererseits alles um sein Auto zurückzubekommen. Und mögliche Zeugen zu beseitigen…

Kevin Bacon ist großartig in diesem Film. Er schafft es in seiner Rolle eine komisch anmutende Hilflosigkeit ob des Diebstahls mit gleichzeitiger, grausamer Cleverness und völliger Rücksichtslosigkeit zu verbinden. Als Zuschauer zweifeln wir zu keinem Moment daran, dass dieser Charakter die beiden Kinder ohne eine Sekunde zu zögern ermorden würde. Falls das überhaupt nötig ist. Denn die beiden Jungen sind eine ständige Gefahr für sich selbst. Ob sie nun in Schlangenlinien über einsame Landstraßen fahren oder, noch weit schlimmer, das umfangreiche Waffenarsenal des Wagens finden. Und die beiden Jungschauspieler geben sich dabei so mitreißend, das man gelegentlich scharf Luft zwischen den Zähnen einzieht, wenn sie wieder irgendeinen arg gefährlichen Unsinn anstellen, ohne vom Baconschen Damoklesschwert zu ahnen, dass über ihren Köpfen hängt.

Regisseur Jon Watts gelingt aber das Kunststück das alles so schön schwarzhumorig und dabei so ungemein charmant zu inszenieren, dass man absolut bereit ist sich auf diese zunächst recht düstere Geschichte einzulassen. Er erstellt einen gelungenen visuellen Kontrast zwischen der großen, weiten Einsamkeit  der Mitte der Vereinigten Staaten und der immer drängender werdenden Klaustrophobie durch den, im Laufe des Films allgegenwärtig scheinenden Sheriff Kretzer, der sogar einen Monolog halten darf, der einen Superschurken erröten lassen würde, ohne dass seine Figur dabei Schaden nähme. Da war ich dann sogar bereit dem Film gegen Ende hin eine paar erzählerische Holperigkeiten zu verzeihen.

Wenn es Watts gelingt diese Mischung aus jugendlicher Naivität und bösartiger, tiefschwarzer Komödie auch nur halbwegs auf ‚Spider-Man: Homecoming‘ zu übertragen, könnte das ein ungewöhnlicher Superhelden-Film und einer der besten Spider-Man Filme werden.

 

‚The Hallow‘ (2016)

Ein abgelegener Wald in Irland, der bislang in staatlicher Hand war, soll privatisiert werden. Der Londoner Forstwissenschaftler Adam Hitchens (Joseph Mawle) soll, im Auftrag des neuen Besitzers, den Zustand des Waldes evaluieren. Er zieht dafür mit seiner Frau Claire (Bojana Novakovic) und ihrem gemeinsamen Baby Finn in ein altes Haus nahe des Waldes. Den abergläubischen Anwohnern, allen voran Farmer Donnelly (Michael McElhatten) sind sowohl der Verkauf an sich, wie auch die Anwesenheit der Hitchens ein Dorn im Auge. Als Adam im Wald ein totes Reh findet, befleckt mit einer seltsamen, schwarzen Substanz und am selben Abend jemand in sein Haus einbricht und das Zimmer von Finn verwüstet scheint es aber so, als sei am Aberglauben der Bevölkerung doch etwas dran.

Auf den britischen Inseln gibt es das schöne Genre des Folklore-Horrors. Vertreter vom ‚Wicker Man‘ bis zu ‚Kill List‘ haben hier ihre Finger auf tief sitzende Ängste der britischen Gesellschaft gelegt. ‚The Hallow‘ versprach dieses Genre mit einem gelungenen Monsterfilm und einer ökologischen Botschaft zu verbinden. Herausgekommen ist die frustrierendste Art von Film. Ein Film der beinahe gut ist.

Lässt der Anfang also an Folk-Horror und an Feen, Leprechauns und Banshees denken scheint sich der Film für zu intelligent für so etwas zu halten. Eine „wissenschaftliche“ Erklärung muss her. Die wird zwar nie direkt ausgesprochen aber Adam hält nach etwa 10 Minuten Laufzeit ein unprovoziertes Referat über die insektenparasitären Pilzgattung Cordyceps (wobei er genaugenommen Ophiocordyceps unilateralis beschreibt, der nach einer grundlegenden Änderung der Systematik der Mutterkornpilzverwandten zu den Ophiocordycipitaceae gehört /Biologen Talk Ende) außerdem sehen wir im Laufe des Films immer mal wieder Aufnahmen von Zellen, die andere Zellen mit schwarzen, stachelartigen Auswüchsen pieksen, allgemein akzeptierter, visueller Ausdruck von Parasitismus.

So wird dann nach einer halben Stunde aus dem atmosphärischen Film eine Art Zombiefilm, der jedem Klischee dieser Gattung folgt. Aber auch dieser Spuk ist schnell wieder vorbei und sodann wildert der Film im Forstgebiet von ‚The Shining‘. Solche Genrewechsel können durchaus funktionieren, nur hat es Regisseur und Autor Corin Hardy hier verpasst ein Interesse am Ort der Handlung oder der handelnden Charakter zu wecken. Adam und Claire sind leider nicht vielmehr als Abziehbilder und Plot-Transporteure. Das liegt keinesfalls an den Darstellern und rein am Drehbuch. Wenn ich die Geduld hätte würde ich feststellen wie viel von ihrem Dialog in der zweiten Hälfte des Films aus dem Rufen des Namens des anderen besteht.

So weit so schlecht aber was macht den Film dann „beinahe gut“? Da sind zum einen einige Sequenzen, die in einem besseren Film wirklich effektiv gewesen wären. Vor allem aber das Design der Kreaturen. Es ist anders genug, als typische Horror-Monster, um aufzufallen und funktioniert am besten, solange der Film es sparsam einsetzt. Auch das Hyphengewebe, das nach und nach überall auftaucht und die widerliche, schwarze Substanz schreien förmlich nach einem besseren Film. Das einzig ähnliche, dass mir einfiele wäre ‚Pan’s Labyrinth‘, allerdings ist der Film so viel besser als das hier, das der Vergleich schon beinahe unfair erscheint. Aber meinen letzten guten Willen verspielte der Film dann mit einem absurden Finale, dass nicht nur reichlich dämlich war sondern auch noch sämtlichem Streben der Monster im übrigen Film komplett widersprach.

Hier würde ich jetzt normalerweise schreiben, dass das ja ein Erstlingsfilm war und genug Gutes da war, dass ich gespannt auf Hardys nächsten Film bin. Allerdings weiß ich bereits, dass sein nächster Film der ‚Conjuring‘ Ableger ‚The Nun‘ wird. Insofern kann ich nicht mal das guten Gewissens behaupten.