‚Paddington 2‘ (2017)

Da ich keine Kinder habe, schaue ich auch nicht eben viele Kinderfilme. Und wenn es doch mal vorkommt, dann schreibe ich meistens nicht darüber. Ich bin offensichtlich nicht die Zielgruppe, was könnte ich also groß Interessantes beitragen? Wie dem auch sei, für ‚Paddington 2‘ mache ich jetzt mal eine Ausnahme. Nicht nur weil beide Filme um den höflichen Bären keine reinen „Kinderfilme“ sind, sondern vor allem, weil ‚Paddington 2‘ ein wirklich besonderer Film ist.

Ich mochte den ersten ‚Paddington‘ sehr. Ein sympathischer Bär, eine sympathische Adoptivfamilie Brown, eine Widersacherin, die dank gelungener Motivation und motivierter Darstellung durch Nicole Kidman vor dem Klischee gerettet wurde und jede Menge kreative Slapstick-Momente. Außerdem verbreitete der Film seine Botschaft der Menschlichkeit gegenüber Immigranten vermutlich lauter als jeder andere Mainstreamfilm der letzten Jahre. Und der Taxi- -dermist Gag ist einfach nur großartig.

Klar also, dass ‚Paddington 2‘ früher oder später vor meinen Augäpfeln landen würde. Paddington hat sich inzwischen nicht nur bei Familie Brown, sondern in London eingelebt und eine ganze Reihe neuer Freunde gefunden. Als der 100te Geburtstag seiner Tante Lucy im Altenheim für Bären in Peru naht, muss er ihr natürlich etwas ganz besonderes schenken. Seine Wahl fällt auf ein antikes Pop-Up Buch, das die Sehenswürdigkeiten von London zeigt. Das ist nicht ganz billig, daher muss ein Job her. Nach einem katastrophalen Kurzausflug ins Barbiertum findet Paddington sein Talent als Fensterputzer. Doch kurz bevor er das Buch endlich kaufen kann wird es gestohlen. Der Verdacht fällt natürlich auf Paddington, der sich alsbald im Gefängnis wiederfindet. Während er dort Freundschaft mit dem griesgrämigen Koch Knuckles McGinty (Brendan Gleeson) schließt, ist Familie Brown auf der Suche nach dem wahren Täter. Mrs. Browns (Sally Hawkins) Verdacht fällt schnell auf den egomanischen Schauspieler Phoenix Buchanan (Hugh Grant).

Der Film übernimmt die besten Qualitäten seines Vorgängers. Vor allem insofern, wie unfassbar straff sein Skript ist. Ein Paddington Film verschwendet keine Minute. Nicht nur eilt die Handlung zügig voran, auch jeder noch so kleine Flashback-Gag, jedes amüsante Hobby der Browns, jede Slapsticknummer hat einen Moment später im Film, in dem sie sich in irgendeiner Weise auszahlt, entweder als Pointe oder dramatisches Element. Als Regisseur hat Paul King zwischen den beiden Filmen, zumindest in meinen Augen, aber noch einmal erheblich zugelegt. Er verrührt hier den Stil eines Wes Anderson mit dem Gefühl eines Jean-Pierre Jeunet mit dem Einfallsreichtum eines Michel Gondry, der brillanten Slapstick-Action von ‚Wallace & Gromit‘ und dem Herz der allerbesten Filme aus dem Pixar Studio zu einer schmackhaften – und letztlich ganz eigenen – Marmelade. Zu einer Sequenz wie der, in der Paddington sich und Tante Lucy in das Pop-Up Buch hineinfantasiert wäre er im ersten Teil sicher noch nicht fähig gewesen.

Ben Wishaws Paddington (ich zumindest hatte völlig vergessen es mit einem CGI Charakter zu tun zu haben) kann hier noch mehr als im ersten Teil seinen liebenswerten, reinen, großzügigen Charakter ausleben, der in jedem nur das Beste sucht und „irgendwie auch findet“, wie Mr. Brown (Hugh Bonneville) es ausdrückt. Als Fensterputzer bringt er nicht nur symbolisch Licht in die Häuser von Windsor Gardens, sondern ganz direkt. Und wenn er später in einer Ein-Bär-Aktion das britische Gefängnissystem mit Marmelade und Gute Nacht Geschichten reformiert, dann ist das nicht nur liebenswert, sondern auf eine Art und Weise aufrichtig, der sich vermutlich nur die zynischsten aller Zuschauer werden entziehen können.

Paddington als Widersacher gegenüber steht diesmal sein absolutes Zerrspiegelbild: der vollkommen selbstsüchtige Egomane Buchanan. Ein brillanter Schauspieler, allerdings derart egozentrisch, dass er sich weigert mit irgendjemandem eine Szene zu teilen und deswegen reduziert darauf ist Werbung für Hundefutter im Fernsehen zu machen. Nun glaubt er mit Hilfe des Pop-Up Buches einen Schatz finden zu können, um sein Comeback, eine One-Man-Show im Westend, zu finanzieren. Hugh Grant liefert hier ab, was durchaus die beste Rolle seiner Karriere sein könnte. Jede einzelne Textzeile füllt er mit so viel pompöser Selbstzufriedenheit, dass sie ebenso komisch wie unvergesslich wird. Jede Sekunde sieht man ihm an, dass er mehr Spaß an der ganzen Sache hatte, als alle anderen am Set zusammen. Bitte mehr egomanische Rollen für ihn!

Eine andere zentrale Rolle ist Knuckles McGinty, oder Nuckel’s, wenn man seinen Knöcheltattoos glauben möchte. Gleeson spielt hier wunderbar mit seinem Ruf harte Kerle zu spielen und untergräbt diesen immer wieder. Und doch ist in seinem Charakter, der, bis er auf Paddington trifft, nie positive Rückmeldungen erfahren hat, auch etwas beinahe tragisches. Und er ist für den komischsten Moment des Films verantwortlich, einen Gefängnisbesuch der Browns, über den ich aber nichts verraten möchte.

Es ist sicher unfair, wie sehr ich die Browns hier übergehe, aber ich schreibe hier nur so viel, dass die Browns alle Qualitäten aus dem Vorgänger mitbringen. Sie sind eine Familie mit Problemen, die sich aber dennoch liebt. Hawkins, Bonneville, Julie Waters als Mrs Bird (die offenbar alt genug ist, um noch Tricks von Houdini gelernt zu haben), sowie beide Kinderdarsteller sind allesamt verläasslich gut. Auch der personifizierte Brexit Mr. Curry (Peter Capaldi) kehrt in deutlich kleinerer Rolle zurück und zeigt sich bigott wie eh und je. Der Film ist bis in die kleinsten Cameo Auftritte toll besetzt, erwähnt seien beispielhaft Jessica Hynes als Kioskbesitzerin und Richard Ayodade als Forensik- und Marmeladenexperte.

Falls es durch den obigen Text noch nicht klar geworden sein sollte: ‚Paddington‘ (1 + 2) hat nichts, aber auch gar nichts mit diesen furchtbaren Hollywoodfilmen zu tun, in denen irgendein CGI Viech mit menschlichen Schauspielern interagiert. Diesen, die üblicherweise auf irgendeiner zu Recht längst vergessenen Zeichentrickserie basieren und ihren Humor aus popkulturellen Anspielungen, die nach drei Jahren niemand mehr versteht und der unendlichen Komik des physiologischen Vorgangs der Flatulenz ziehen. Paddington ist durch und durch britisch, spielt in einer, sicherlich idealisierten Version von London, die aber nichts desto trotz im 21. Jahrhundert angekommen ist. Vor allem aber vermittelt er seinen Zuschauern eine glasklare Botschaft. Und das ist auch gut so.

‚Paddington 2‘ kann sich in die gar nicht mal so lange Reihe von Sequels einordnen, die in beinahe jeder Hinsicht besser sind als das (keineswegs schlechte) Original. Paddington ist kein Kinderfilm, er ist ein Familienfilm im besten Sinne. Einer der nicht „ein paar Witze für die Eltern“ einstreut, sondern wo Kinder und Erwachsene über das exakt selbe Lachen und mitfiebern. Und ja, Paddington weiß, dass er als sprechender Bär einen gewissen Zynismus bei seinen erwachsenen Zuschauern überwinden muss. Er weiß, dass man ihn vielleicht vor allem deswegen einlegt, weil es bis dahin kein toller Tag war und man einfach nur ein wenig abschalten möchte. Er weiß es und er liebt uns trotzdem. Oder vielleicht sogar deswegen. Denn – irgendwie – findet er eben doch in jedem von uns das Beste.

Blob – Schrecken ohne Namen (1958)

*Der Filmlichter wandert eine typische innerstädtische Straße entlang und summt die Titelmelodie des ‚Paten’*

*Plötzlich wendet sich eine mysteriöse Gestalt im Trenchcoat aus einer schäbigen Seitengasse an ihn*

Mysteriöse Gestalt: „Hey Du!“

Filmlichter: „Wer, ich?“

MG: „PSSSSSSSST!“

FL: *leise* „Wer, ich?“

MG: „Genau! Komm mal her!“

FL: „Planen Sie überraschend ihren Mantel zu öffnen und sind nackt darunter? In diesem Fall muss ich sie warnen: mein Schock würde sich in Grenzen halten. Ich sah bereits Schlimmeres – im Spiegel!“

MG: *angewidert*: „Was? Nein! Ich dachte mir Du siehst wie ein schlauer Bursche aus und wollte wissen, ob Du den Blob sehen möchtest!“

FL: „Also was nun? Ich dachte Sie wollten mir Ihren sogenannten „Blob“ nicht zeigen?“

MG: „Den Film, Mann, den Film! Du bist doch der Filmlichter!“

FL: „Oho, der auf einem 50er Jahre Heuler basierende Kultfilm von 1988, mit Shawnee Smith in einer Hauptrolle, die übrigens später mit ‚Saw‘. . .“

MG: „Halt die Klappe, bitte! Nein das O-ri-gi-nal von 1958 mit Steve McQueen. Ist doch viel cooler, Mann.“

FL: „Ach ich weiß nicht, diese 50er Jahre Schreckensszenarien sind doch alle gleich. Irgendein amerikanisches Hinterwäldlerdorf wird von ’nem Alienmonster, welches symbolisch für den „Russen“ steht, angegriffen und besiegt es am Ende mit Zusammengehörigkeit, Einfallsreichtum und Schusswaffen. Gib‘ mir nur einen guten Grund den Film zu schauen.“

MG: „Okay, hier:

FL: *schnipst* „Beware of the Blahb. Okay, dann muss ich wohl.“ *murmelnd zu sich selbst* „blöder Burt Bacharach und seine blöden eingängigen Melodien“

MG: „Genau!“

79,5 Minuten später:

Tja. Schusswaffen waren’s nicht, stattdessen Kohlendioxidfeuerlöscher. Ansonsten wurden meine Erwartungen voll erfüllt. Aber fangen wir am Anfang an.

Ein Meteorit stürzt nahe einer Pennsylvanischen Kleinstadt auf die Erde. Er wird von einem alten Mann gefunden, der aussieht, wie David Lynch nach einem dreitägigen Besäufnis und der die clevere Idee hat den Meteoriten mit einem Stock zu pieksen. Prompt hat er einen komischen Alienschleim auf der Hand und taumelt vor das Auto der Teenager Steve (Steve McQueen) und Jane (Aneta Corsaut). Die bringen den Mann zum Arzt und fahren zurück zu der Hütte des Alten, um dessen Hund zu holen. Zurück beim Arzt sieht Steve durchs Fenster, wie der inzwischen gewachsene Blob den Arzt mampft, Krankenschwester und Säuferlynch hat er da bereits goutiert. Doch bei der Polizei will man Steve nicht glauben, weil er ein Teenager ist der Rennen fährt und überhaupt ein verdächtiger Geselle (das hängt allerdings rein mit seinem Alter zusammen, man kann kaum spießiger sein als Steve). Doch bevor die Nacht vorüber ist blobelt der Blob ins Kino, um alle Zuschauer zu absorbieren (uuuh, Meta!), doch die fliehen. Steve, Jane und ihr kleiner Bruder schaffen es vom Blob im Keller eines Diner eingeschlossen zu werden und bemerken hier , dass die Megaamöbe Kälte nicht verknusen kann. Die Polizei, endlich bereit ihnen zu glauben, schickt alle Einwohner los, um Kohlendioxidfeuerlöscher aufzutreiben und den Blob damit einzusprühen, dann schickt die Regierung ein Transportflugzeug und der Blob wird in der Arktis abgeworfen, wo er vermutlich auf ewig eingefroren bleibt. Ende.

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TEENAGER!

Regisseur des Films war der für christliche Kurzfilme bekannte Irvin Yeaworth, der auch den Großteil der Crew von diesen Produktionen mitbrachte. Der Film entstand für rund 110000 Dollar und wurde direkt nach Fertigstellung für 380000 Dollar von Paramount gekauft, die dem Film den Bacharach Titelsong verpassten. Viele der technischen Aspekte des Films wirken amateurhaft und das Monster aus Silikon, dem nach und nach immer mehr rote Farbe beigemischt wird, als es mehr Leute absorbiert, wirkt so bedrohlich wie ein Klecks Erdbeermarmelade (der Blob symbolisiert natürlich wortwörtlich die „Rote Gefahr“, die am Ende im „Kalten Krieg“ besiegt wird – subtil). Kommen wir zum eigentlichen Grund, warum irgendjemand heute den Film schauen würde: es ist die erste Hauptrolle des „King of Cool“ Steve McQueen. Der Film entstand zu einer Zeit als Hollywood seine delinquenten Teenager fast so gerne zeigte, wie seine atomgeborenen Monster. Es herrschte eine Entfremdung zwischen den Jungen, die der spießigen Lebenswelt ihrer Eltern entkommen wollten und der älteren Generation, die darauf mit absolutem Unverständnis reagierte. Daher gab es in den zahllosen Filmen, die Teenager auf der schiefen Bahn zeigten auch so gut wie nie echte Teens zu sehen. Das änderte sich erst später mit Roger Corman (vermutlich aber auch nur deshalb, weil sich junge Leute mit weniger Geld zufrieden gaben). Hier haben wir also Steve McQueen als Teenager. Er war fast 30, als der Film gedreht wurde und man sieht es. Bei ungünstigem Licht ist ein Hauch von Grau an seinen Schläfen zu erkennen. Alle, Produzent, Regisseur und McQueen selbst waren sich einig, dass er zu alt für die Rolle war und doch sollte er sie unbedingt spielen. Das Merkwürdigste ist, dass es nicht mal eine große Rolle spielt, dass sein Charakter minderjährig ist. Er hätte problemlos in den 20ern sein können. Spielt er denn wenigstens gut? Ehrlich gesagt nicht besonders. Er wechselt von Szene zu Szene von Cool zu Geradlinig zu Nerd mit dem Kopf zwischen den Schultern. Allerdings ist schwer zu sagen, ob es an ihm liegt oder an der Regie. Man bekommt allerdings einen winzigen Einblick in sein Talent, in der Szene im Keller des Diner als er und seine Freundin sicher sind zu sterben. Das ist eine gut gespielte Szene, fernab vom „Camp“-Faktor des restlichen Films.

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Ich glaube in meinem letzten Geburtstagskuchen war Blob!

Lohnt es sich also den ‚Blob‘ anzusehen, wenn man ihn nicht von einem mysteriösen Fremden in die Hand gedrückt bekommt? Für Fans von 50er Jahre Americana und Hardcore McQueen Fans sicher. Für alle anderen eher nicht. Das ist der typische Film, den man als Kind im Fernsehen gesehen hat und als gut und gruselig in Erinnerung hat und als Erwachsener dann feststellt, dass es absolut alberner Blödsinn war.

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Was haben Sie 1958 in Pennsylvania gemacht Herr Ströbele? Die Leute wollen Antworten! Antwooorteeen!!

Sonst noch Auffälligkeiten? Oh ja, in einer Szene kommt ein älterer Mann vor, der exakt wie Hans-Christian Ströbele aussieht. 1958 kostete ein Pfund Wassermelone in Pennsylvania 4 Cent, ein Kinobesuch 40. Und ich sollte damit aufhören mir mein Filmprogramm von seltsamen Leuten in Trenchcoats und Burt Bacharach vorschreiben zu lassen. Das kann nur böse enden.