Mir ist letztens aufgefallen, dass ich eine ganze Weile keinen neuen Marvel Film mehr geschaut habe. Das war gar kein direkter Entschluss, das ist einfach so passiert. Dennoch kann man da ja mal was aus der letzten „Phase“ nachholen, dachte ich. Meine Wahl fiel auf entweder ‚Spider-Man: No Way Home‘, wegen Spidey, oder ‚Doctor Strange in the Multiverse of Madness‘, wegen Sam Raimi. Wer die Überschrift gelesen hat weiß, dass Spidey gewonnen hat. Kurz zu meiner Historie mit dem Marvel-Spidey: ich mochte den ersten Film, auch wenn er viel zu viel Stark hatte. Den zweiten fand ich ziemlich furchtbar, in einem „nicht mein Spider-Man, sondern eher ein Mini-Iron-Man“-Sinne. Ich werde den zu besprechenden Film im Folgenden spoilern. Weniger was die „Handlung“ (die Anführungsstriche dürfen als Omen gewertet werden) angeht, sondern eher die Prämisse. Aber Ihr hattet jetzt mehr als ein Jahr Zeit ihn zu schauen, also beschwert Euch nicht zu laut.
Die Welt weiß, dass Peter Parker (Tom Holland) Spider-Man ist. Und sie glaubt, dass er Mysterio ermordet hat. Um seine Familie, Freunde und sich selbst vor der einsetzenden Verfolgung zu schützen, wendet sich Peter an Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Der soll einen Zauber sprechen, der alle Welt vergessen lässt, wer Peter Parker ist. Doch Peter hat immer wieder Einwürfe, wer es nicht vergessen dürfe. Seine Tante May (Marisa Tomei), seine Freundin MJ (Zendaya) und sein bester Freund Ned (Jacob Batalon). Dadurch gerät der Spruch außer Kontrolle und zieht nun stattdessen jeden aus sämtlichen Multiversen an, der weiß, dass Peter Spider-Man ist. Der erste ist ein Mann mit vier metallischen Armen, der Chaos auf einem Highway anrichtet und zornig fragt, wo seine Maschine sei. Und Doctor Octopus (Alfred Molina) wird bei weitem nicht der letzte sein.
Nein, wahrlich nicht. Denn, in einem erstaunlichen Bewusstsein für Markensynergien, zieht der Spruch lediglich bekannte Figuren aus vorherigen Spider-Man-Filmen heran. Und schließlich auch die Spiders-Men selbst. Ja, der große Clou des Films ist, dass Holland, Tobey Maguire und Andrew Garfield aufeinandertreffen und sich ihren bekannten Schurken, allen voran ein sichtlich vergnügter Willem Dafoe als Norman Osborne/Green Goblin, ein weiteres Mal stellen müssen. Und, ganz ehrlich, die Idee, dass die älteren, weiseren Spiders-Men aus anderen Universen zusammenkommen, um dem kleinsten Spider-Man zu zeigen, wie man richtig spider-mant ist eine schöne Idee. Die hat mir echt gut gefallen, als ich sie vor ein paar Jahren in ‚Spider-Man: A New Universe‘ gesehen habe. Ihr wisst schon, dem Oscar Gewinner. Den Marvel hier auf fast schon dreiste Weise emuliert. Ohne je auch nur in irgendeiner Weise annähernd seine Qualität zu erreichen.
Sagen wir mal, ich bin zwiegespalten was den Film angeht. Manche der interpersonellen Beziehungen funktionieren und werden von gelungenen Darstellungen getragen. Besonders hervor tun sich hier der oben erwähnte Dafoe und Andrew Garfield, der den Eindruck hinterlässt, dass er ein weit besserer Spider-Man hätte sein können als seine Filme erlauben. Aber das wird immer wieder überschattet vom, für mich, unübersehbaren Zynismus der ganzen Unternehmung. Hier sind die alten Kerle, teilweise von vor 20 Jahren, für die man als Zuschauer gefälligst Nostalgie zu empfinden hat, und wo ich ahen und ohen soll, wenn sie nur im Film auftauchen. Und ich habe ehrlich gesagt durchaus Nostalgie für die Maguire Filme. Ich war glücklich, die Darsteller wieder in den Rollen zu sehen. Und dann wurde das Ganze dem MCU Treatment unterzogen. Peter und Kollegen reagieren mit Gelächter und der Nachfrage, wie er denn nun wirklich heiße, auf den Namen Otto Octavius. Diese Namensgags waren im allerersten ‚X-Men‘ schon ein wenig müde und hier sind wir mehr als 20 Jahre später und dröhnen sie immer noch raus. Wie kann es sein, dass Raimi vor 20 Jahren den besseren Gag hatte („A guy called Otto Octavius ending up with eight limbs… what are the odds?“)?
Und mit solchen Szenen mäandert sich der Film in seiner ersten Hälfte auf eine kaugummiartig gedehnte Laufzeit. Dieser Charakter trifft auf jenen Charakter, hey, das ist eine bisschen wie dieses eine Meme, das Du kennst, wenn Du allzu online bist. Erwartet dann aber in der zweiten Hälfte, dass wir ihm ernsthafte Dramatik abkaufen, wenn ein Charakter stirbt! Immerhin hat die zweite Hälfte die Szenen mit den 3 Peters, die vermutlich das Beste am Film sind, auch wenn man Maguire anmerkt, dass er vor allem des Schecks wegen vor Ort ist. Warum sich die ganze Chose auf 2,5 Stunden aufblähen muss wissen wohl nur die Marvel Götter und Kevin Feige. Aber da später noch eine 15 Minuten längere Version(!) veröffentlicht wurde, funktioniert das wohl für Leute. Für mich eher nicht.
Was auch auffällt ist wie seltsam hässlich und leer der Film teilweise wirkt. Abgesehen von der Eröffnungsszene bleiben die Hauptfiguren eigentlich die meiste Zeit komplett unter sich. Nebenfiguren oder Statisten gibt es kaum. Sicherlich, der Grund dafür dürfte Corona heißen, aber es fällt eben doch auf. Und Szenen wie die lange, lange Sequenz auf einem Gerüst um die Freiheitsstatue erwecken eben nicht das Gefühl großer Weite, sondern in jedem Moment die Enge eines Studios, wozu die seltsame Beleuchtung beigetragen haben dürfte. Warum man sich bei Marvel bemüßigt fühlte gerade diesen Film für einen Effekte Oscar einzureichen, kapier ich auch nicht. Immerhin, wenn zum Ende hin die Realität auseinanderbricht (nicht wirklich ein Spoiler, ist immerhin ein Marvelfilm), dann sind in den Rissen immerhin Kirby-Dots zu sehen. Das hat mich, als alten Sack, glücklich gemacht.
Wie mich überhaupt etwas mehr glücklich gemacht hat, als der recht negative Text vermuten lassen würde. Ich habe mich durchaus gut unterhalten gefühlt, nur eben gelegentlich auf die Uhr geschaut. Und, immerhin, das Ende verspricht mir den Spider-Man den ich möchte, nämlich ohne Stark- Connections, ohne Avengers, aber leider auch ohne Freunde. Doch ich bin sicher, da lässt sich im nächsten Film was dran drehen. Ich sehe nicht, dass das Franchise MJ und Ned aufgibt.
Der ganz große MCU Fan werde ich wohl trotzdem nicht mehr, denn die fast einhellige Begeisterung für den Film erschließt sich mir so gar nicht. Aber, immerhin, ich verstehe es als eine Art Fast Food. Nach ner Weile ohne hat man mal wieder echt Bock drauf, während des Essens schmeckt es auch richtig gut, aber ne Stunde später haste wieder Hunger und ein schlechtes Gewissen, ob der Kalorien, die Du Dir grad reingepfiffen hast. Bin ich mit dem Vergleich jetzt in gefährliches Scorsese Fahrwasser geschippert? Keine Ahnung. Nur um eines ganz deutlich zu machen: wenn Dir der Film gefallen hat, dann freut mich das und das Obige ist kein Angriff auf Dich oder Deinen Geschmack.
Frage an die Mighty Marvelites: kann ich dem Doctor Strange sein mades Multiverse jetzt einfach so gucken, oder ist der Wanda ihre Vision vorher Pflichtprogramm?