‚Spider-Man: No Way Home‘ (2021)

Mir ist letztens aufgefallen, dass ich eine ganze Weile keinen neuen Marvel Film mehr geschaut habe. Das war gar kein direkter Entschluss, das ist einfach so passiert. Dennoch kann man da ja mal was aus der letzten „Phase“ nachholen, dachte ich. Meine Wahl fiel auf entweder ‚Spider-Man: No Way Home‘, wegen Spidey, oder ‚Doctor Strange in the Multiverse of Madness‘, wegen Sam Raimi. Wer die Überschrift gelesen hat weiß, dass Spidey gewonnen hat. Kurz zu meiner Historie mit dem Marvel-Spidey: ich mochte den ersten Film, auch wenn er viel zu viel Stark hatte. Den zweiten fand ich ziemlich furchtbar, in einem „nicht mein Spider-Man, sondern eher ein Mini-Iron-Man“-Sinne. Ich werde den zu besprechenden Film im Folgenden spoilern. Weniger was die „Handlung“ (die Anführungsstriche dürfen als Omen gewertet werden) angeht, sondern eher die Prämisse. Aber Ihr hattet jetzt mehr als ein Jahr Zeit ihn zu schauen, also beschwert Euch nicht zu laut.

Die Welt weiß, dass Peter Parker (Tom Holland) Spider-Man ist. Und sie glaubt, dass er Mysterio ermordet hat. Um seine Familie, Freunde und sich selbst vor der einsetzenden Verfolgung zu schützen, wendet sich Peter an Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Der soll einen Zauber sprechen, der alle Welt vergessen lässt, wer Peter Parker ist. Doch Peter hat immer wieder Einwürfe, wer es nicht vergessen dürfe. Seine Tante May (Marisa Tomei), seine Freundin MJ (Zendaya) und sein bester Freund Ned (Jacob Batalon). Dadurch gerät der Spruch außer Kontrolle und zieht nun stattdessen jeden aus sämtlichen Multiversen an, der weiß, dass Peter Spider-Man ist. Der erste ist ein Mann mit vier metallischen Armen, der Chaos auf einem Highway anrichtet und zornig fragt, wo seine Maschine sei. Und Doctor Octopus (Alfred Molina) wird bei weitem nicht der letzte sein.

Nein, wahrlich nicht. Denn, in einem erstaunlichen Bewusstsein für Markensynergien, zieht der Spruch lediglich bekannte Figuren aus vorherigen Spider-Man-Filmen heran. Und schließlich auch die Spiders-Men selbst. Ja, der große Clou des Films ist, dass Holland, Tobey Maguire und Andrew Garfield aufeinandertreffen und sich ihren bekannten Schurken, allen voran ein sichtlich vergnügter Willem Dafoe als Norman Osborne/Green Goblin, ein weiteres Mal stellen müssen. Und, ganz ehrlich, die Idee, dass die älteren, weiseren Spiders-Men aus anderen Universen zusammenkommen, um dem kleinsten Spider-Man zu zeigen, wie man richtig spider-mant ist eine schöne Idee. Die hat mir echt gut gefallen, als ich sie vor ein paar Jahren in ‚Spider-Man: A New Universe‘ gesehen habe. Ihr wisst schon, dem Oscar Gewinner. Den Marvel hier auf fast schon dreiste Weise emuliert. Ohne je auch nur in irgendeiner Weise annähernd seine Qualität zu erreichen.

Sagen wir mal, ich bin zwiegespalten was den Film angeht. Manche der interpersonellen Beziehungen funktionieren und werden von gelungenen Darstellungen getragen. Besonders hervor tun sich hier der oben erwähnte Dafoe und Andrew Garfield, der den Eindruck hinterlässt, dass er ein weit besserer Spider-Man hätte sein können als seine Filme erlauben. Aber das wird immer wieder überschattet vom, für mich, unübersehbaren Zynismus der ganzen Unternehmung. Hier sind die alten Kerle, teilweise von vor 20 Jahren, für die man als Zuschauer gefälligst Nostalgie zu empfinden hat, und wo ich ahen und ohen soll, wenn sie nur im Film auftauchen. Und ich habe ehrlich gesagt durchaus Nostalgie für die Maguire Filme. Ich war glücklich, die Darsteller wieder in den Rollen zu sehen. Und dann wurde das Ganze dem MCU Treatment unterzogen. Peter und Kollegen reagieren mit Gelächter und der Nachfrage, wie er denn nun wirklich heiße, auf den Namen Otto Octavius. Diese Namensgags waren im allerersten ‚X-Men‘ schon ein wenig müde und hier sind wir mehr als 20 Jahre später und dröhnen sie immer noch raus. Wie kann es sein, dass Raimi vor 20 Jahren den besseren Gag hatte („A guy called Otto Octavius ending up with eight limbs… what are the odds?“)?

Und mit solchen Szenen mäandert sich der Film in seiner ersten Hälfte auf eine kaugummiartig gedehnte Laufzeit. Dieser Charakter trifft auf jenen Charakter, hey, das ist eine bisschen wie dieses eine Meme, das Du kennst, wenn Du allzu online bist. Erwartet dann aber in der zweiten Hälfte, dass wir ihm ernsthafte Dramatik abkaufen, wenn ein Charakter stirbt! Immerhin hat die zweite Hälfte die Szenen mit den 3 Peters, die vermutlich das Beste am Film sind, auch wenn man Maguire anmerkt, dass er vor allem des Schecks wegen vor Ort ist. Warum sich die ganze Chose auf 2,5 Stunden aufblähen muss wissen wohl nur die Marvel Götter und Kevin Feige. Aber da später noch eine 15 Minuten längere Version(!) veröffentlicht wurde, funktioniert das wohl für Leute. Für mich eher nicht.

Was auch auffällt ist wie seltsam hässlich und leer der Film teilweise wirkt. Abgesehen von der Eröffnungsszene bleiben die Hauptfiguren eigentlich die meiste Zeit komplett unter sich. Nebenfiguren oder Statisten gibt es kaum. Sicherlich, der Grund dafür dürfte Corona heißen, aber es fällt eben doch auf. Und Szenen wie die lange, lange Sequenz auf einem Gerüst um die Freiheitsstatue erwecken eben nicht das Gefühl großer Weite, sondern in jedem Moment die Enge eines Studios, wozu die seltsame Beleuchtung beigetragen haben dürfte. Warum man sich bei Marvel bemüßigt fühlte gerade diesen Film für einen Effekte Oscar einzureichen, kapier ich auch nicht. Immerhin, wenn zum Ende hin die Realität auseinanderbricht (nicht wirklich ein Spoiler, ist immerhin ein Marvelfilm), dann sind in den Rissen immerhin Kirby-Dots zu sehen. Das hat mich, als alten Sack,  glücklich gemacht.

Wie mich überhaupt etwas mehr glücklich gemacht hat, als der recht negative Text vermuten lassen würde. Ich habe mich durchaus gut unterhalten gefühlt, nur eben gelegentlich auf die Uhr geschaut. Und, immerhin, das Ende verspricht mir den Spider-Man den ich möchte, nämlich ohne Stark- Connections, ohne Avengers, aber leider auch ohne Freunde. Doch ich bin sicher, da lässt sich im nächsten Film was dran drehen. Ich sehe nicht, dass das Franchise MJ und Ned aufgibt.

Der ganz große MCU Fan werde ich wohl trotzdem nicht mehr, denn die fast einhellige Begeisterung für den Film erschließt sich mir so gar nicht. Aber, immerhin, ich verstehe es als eine Art Fast Food. Nach ner Weile ohne hat man mal wieder echt Bock drauf, während des Essens schmeckt es auch richtig gut, aber ne Stunde später haste wieder Hunger und ein schlechtes Gewissen, ob der Kalorien, die Du Dir grad reingepfiffen hast. Bin ich mit dem Vergleich jetzt in gefährliches Scorsese Fahrwasser geschippert? Keine Ahnung. Nur um eines ganz deutlich zu machen: wenn Dir der Film gefallen hat, dann freut mich das und das Obige ist kein Angriff auf Dich oder Deinen Geschmack.

Frage an die Mighty Marvelites: kann ich dem Doctor Strange sein mades Multiverse jetzt einfach so gucken, oder ist der Wanda ihre Vision vorher Pflichtprogramm?

Wie viel Cinematic Universe ist zu viel Cinematic Universe?

Ich habe das gesamte letzte Jahr und einen guten Teil der Jahre zuvor keinen MCU Film mehr geschaut. Das war gar keine bewusste Entscheidung, das hat sich einfach so ergeben. Das hat sich erst vor Kurzem geändert, als ich ‚Spider-Man: No Way Home‘ nachgeholt habe. Als alter Spidey Fan war ich da durchaus neugierig drauf. Wie ich den Film an sich fand, lest Ihr hier demnächst in der Besprechung. Heute aber soll es mir um etwas ganz anderes gehen. Ich habe mich als Zuschauer vom neuen ‚Spider-Man‘ wieder gefühlt wie früher als Leser von Superheldencomics. Und das meine ich nicht unbedingt positiv.

Wenn man, wie ich, in den frühen 90ern zum ersten Mal ein Spider-Man Heft aufschlägt (das gilt aber vermutlich zu jeder Zeit und bei jedem Helden, der auf genug Historie zurückblicken kann), dann kann man sich zunächst einmal ein wenig erschlagen fühlen. Da ist also Peter Parker, verheiratet mit Mary Jane Watson, ein gigantischer Freundeskreis, der sich teilweise mit den Comicschurken überschneidet. Harry Osborn etwa ist Peters bester Freund, wenn er nicht gerade eine psychotische Phase als neuer, Grüner Goblin durchlebt, eine Rolle, die er von seinem Vater geerbt hat. Und Ned Leeds war womöglich einmal der Hobgoblin (nicht zu verwechseln mit dem grünen, aber er nutzt dieselbe Technik), oder aber er wurde mit falschen Erinnerungen ausgestattet, die ihn glauben lassen, er wäre mal der Hobgoblin gewesen. Fangen wir gar nicht erst vom Halbbruder von Liz Allen an, der der Molten Man ist. Dann sind da die vielen anderen Schurken, die einfach bloß Schurken sind, J.Jonah Jameson und die ganze Bugle Crew und ein ganzes Universum anderer Helden. Allerlei Fußnoten versuchen Ordnung ins Chaos zu bringen, aber stets indem auf andere Publikationen verwiesen wird, wo man die Infos finden kann.

Mit zwölf Jahren fand ich das ganz super. Dieses Gefühl, dass da ein ganzes Universum ist, das man sich selber langsam erschließt. Wo man nach einigen Jahren sagen kann, „ah ja, Silver Sable, die kenn ich natürlich“ und nicht mehr wie der Ochs vorm symkarischen Berg steht (Silvia Sablinova stammt, natürlich, aus dem osteuropäischen Staat Symkarien). Fast als wäre man Mitglied bei den Freimaurern und kennt endlich den geheimen Handschlag. Mit 30 Jahren mehr auf der Uhr, hatte ich dieses Gefühl jetzt wieder bei Spider-Man. Habe dann aber hinterher mal drüber nachgedacht, wo der überall seine kleinen Hinweisfußnoten gebraucht hätte.

Man sollte natürlich ‚The First Avenger: Civil War‘ kennen, wo Tom Hollands Spider-Man eingeführt wurde. Dann die zwei bisherigen MCU Spider-Man Filme. Alles klar soweit. Aber für deren Verständnis müsste man eigentlich auch ‚Infinity War‘ und ‚Endgame‘ kennen. Und für deren Verständnis sind eigentlich mindestens die vorherigen beiden Avengers Filme  notwendig. Auf die ganzen Origins verzichten wir mal großzügig. Das wär‘s aus dem MCU.

Pflicht sind auch die ersten beiden Raimi Spider-Mans, den dritten darf man sich sparen. Für dieses Gedankenexperiment und allgemein. Die beiden ‚Amazing Spider-Man‘ Filme sollte man ebenfalls geschaut haben, womit wird dann bei den echt schweren Hausaufgaben angekommen wären. Will man jede Anspielung mitnehmen sollte man aber auch ‚Spider-Man: A New Universe‘ und wenigstens den ersten ‚Venom‘ Film kennen. Und die ‚Daredevil‘ TV Serie. Aber die letzten drei sind eher Kür als Pflicht.

Macht elf Filme, die man kennen sollte, will man das Meiste aus ‚No Way Home‘ herausholen. Fast 24 Stunden „Hausaufgaben“. Das ist eine Hyperverknüpfung, die mir wahnwitzig erscheint. Stellt Euch mal vor, in 40 Jahren fragt Euch Euer Enkel, wie das damals mit diesen Superheldenfilmen war und welchen Ihr empfehlen würdet. Egal wie sehr Ihr ‚No Way Home‘ schätzt, es wäre unmöglich den zu empfehlen, weil da ein absurder Spinnenfaden an Zeugs dranhängt.

Ich verstehe selbstverständlich, warum das so ist. Es war ja genau diese comichafte Verknüpfung des Cinematic Universe, die den Charme von Marvelfilmen ausmachte.  Es wirkte wie ein Zaubertrick, dass der erste ‚Avengers‘ nicht platt aufs Gesicht fiel. Den meisten anderen, die versucht haben das zu emulieren, ist denn auch genau das passiert. Aber hier und jetzt sehe ich die Verknüpfung zum Problem werden. Vor allem, wenn jetzt, Disney+ sei Dank, auch noch TV Serien zum wichtigen Kanon werden. Ich beende meine Besprechung von ‚No Way Home‘ mit der vorsichtigen Frage, ob ich den neuen Doctor Strange einfach so schauen „darf“, oder ob ‚WandaVision‘ hier „Pflicht“ ist.

Wir sind nun langsam aber sicher an der Schwelle an der auch Superheldencomics immer mehr scheitern. Die Schwelle für den Einstieg wird höher und höher. Wie gesagt, mit 12 hatte ich Lust mir das zu erarbeiten. Aber ich hatte auch ein weit geringeres Medienangebot, als das heute der Fall ist. Die Verknüpfungen könnten alsbald zum echten Ballast werden. Und im schlimmsten Fall dafür sorgen, das nicht nur eine Reihe die Gunst des Publikums verliert, sondern, eben weil alles so verschachtelt ist, gleich das MCU an sich. Klar, die Hardcorefans lieben es, aber die sind kaum genug, um die Comics am Leben zu halten, für die Filme werden sie nie reichen.

Die Comics reagieren auf den Geschichtenwust mit Rücksetz-Events, die die Kontinuität für Einsteiger quasi auf null zurücksetzen. DC waren die ersten, Mitte der 80er mit ihrer ‚Crisis on Infinite Earths‘, was sich wie ein erstaunlich aktueller Superheldenfilm-Titel liest. Werden solche Rücksetz-Events nun bald auch für die Filme notwendig? Ich vermute, solange das Geschäft noch läuft, wird man das als überflüssig ansehen. Andererseits ist Kevin Feige Comicfan genug, dass er das Problem wohl kaum übersehen kann. Anderer-Andererseits stellt sich das Problem natürlich nie, wenn man brav alles schaut. Aber selbst wenn es sie gäbe, verprellt man damit natürlich auch direkt wieder alte Fans und ein paar Jahre später ist, zumindest in den Comics, alles wieder verwirrender als je zu vor.

Ich will hier aber auch gar keine Zukunft vorhersagen, ich wollte einfach nur eine Beobachtung teilen, die den Rahmen der ‚No Way Home‘ Besprechung komplett gesprengt hätte.

Newslichter Ausgabe 75: Passwörter, Algorithmen und Blockbustertauglichkeit

Willkommen bei Ausgabe 75 des Newslichters. Wie oft ist die Unterhaltungsindustrie in den letzten 40 Jahren von ihren undankbaren Konsumenten getötet worden? Wenn man sie fragt, gleich dutzendfach! Und nun steht ein neuer spektakulärer Mordanschlag bevor. Und Du, ja DU, könntest Dich dem schon jetzt schuldig machen. Oder es handelt sich um reichlich überfächerte heiße Luft, um von echten Problemen abzulenken. Apropos echte Probleme, wir reden heute auch über Algorithmen in der Blockbusterplanung und Marvels neuer Vorsicht. Legen wir also los!

 

Passwort-Teilen tötet den Stream

https://www.hollywoodreporter.com/news/streaming-services-prepare-password-sharing-havoc-1267728?utm_source=twitter&utm_medium=social

Ich bin sicher, die verschiedenen Sparten der Unterhaltungsindustrie können die Narben der vielen versuchten Tötungen, die, nach eigenen Angaben, an ihnen vorgenommen werden mit einigem Stolz vergleichen. Nehmen wir nur die Musikindustrie. Die wurde durch die Verbreitung der bespielbaren Musikkassette und entsprechender Rekorder getötet. Und dann noch mal durch CD-Brenner. Und dann durch MP3s (wer alt genug ist, erinnert sich an den Schurken Napster!) und dann durch Streaming. Und hier ist sie im Jahr 2020 immer noch Milliardenschwer, immer noch klagend. Denn das ist das Erstaunliche in der Unterhaltungsbranche. Läuft es mal schlecht, ist immer der Konsument schuld. Und vor allem der ehrlich zahlende muss sich mit den Konsequenzen herumärgern. Bei Film-DVDs bedeutete das etwa Regionalcodes, Kopierschutzmaßnahmen, die inkompatibel mit manchen Playern waren, unüberspringbare Spots darüber wie böse und widerlich Kopierer sind. Die den ganzen Mist für ihre illegalen Versionen natürlich entfernt haben. Von Computerspielen, die direkt mit Schadsoftware daherkommen aus Angst vor Kopierern wollen wir gar nicht sprechen.

Und nun ist die Angst vor dem illegalen Konsumenten, der steten Verlust bedeutet, also bei den Streamingservices angekommen. In 2020 sind Passwort-Teiler plötzlich zu einem Problem geworden, nachdem in den letzten Jahren Social Media Konten etwa von Netflix noch Witze darüber gemacht haben. Warum? Ist die Zahl der Teiler radikal gestiegen? Nein, danach sieht es nicht aus. Ich vermute die Teiler sind auch nicht das wirkliche Problem. Das wirkliche Problem ist die Konkurrenz, die aus dem Boden schießt. Disney und Apple stehen den Platzhirschen Netflix und Amazon nun in direkter Konkurrenz gegenüber. Kaum jemand wird alle diese Dienste kaufen wollen oder können. Es gibt also mehr angebotenen Inhalt als Nachfrage. Es ist durchaus anzunehmen, dass das zu einem regeren Tausch in der Zukunft führen könnte, nach dem Prinzip „gibst Du mir Dein Disney+, kriegst Du mein Netflix“. Das ist sicherlich nicht legal und ich will es hier gar nicht schönreden (ebenso wenig wie die oben erwähnten Kopien), ich versuche es nur zu erklären. Ob es für die Anbieter nun ein kluger Schachzug wäre, aggressiv gegen das Passwort-Teilen (unter Freunden/Verwandten, gegen das im großen Maßstab gehen sie, soweit ich weiß, ohnehin vor) vorzugehen, oder ob das die Konsumenten direkt auf die ebenfalls verfügbaren Piraten-Streams treibt, werden sie hoffentlich klug abwägen. Mit Rückblick auf das Vorgehen der DVD-Ära habe ich da aber nicht die größten Hoffnungen…

 

Warner erwirbt KI basiertes Filmmanagement-System

https://www.theverge.com/2020/1/9/21058094/ai-film-decision-making-warner-bros-signs-cinelytic

Algorithmen wissen was wir im Internet tun und lassen. Algorithmen sagen voraus, was wir im Internet und im echten Leben tun und lassen. Die Frage ist, wie gut und wie nützlich diese Voraussagen sind. Bei Warner jedenfalls scheint man großes Vertrauen in das Algorithmus-basierte Filmmanagement-System von Cinelytic zu legen. Der CEO von Cinelytic beeilte sich zu versichern, dass sein System selbstverständlich keine kreativen Entscheidungen fällen kann und soll, diese seien auch in Zukunft dem „Bauchgefühl“ vorbehalten. Nun kann man aber mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass kreative und geschäftliche Entscheidungen im Blockbusterbereich des Films oft genug ein- und dasselbe sind. Natürlich wird von der Marktforschung mindestens ebenso sehr wie von kreativer Seite bestimmt, ob ein Film einen Will Smith oder einen Tom Cruise in der Hauptrolle hat. Ob die Auslagerung dieser Marktwirtschaft in ein KI-gesteuertes System nun überhaupt einen großen Unterschied macht ist fraglich. Was es definitiv tut, ist die kalt-mechanistische Businesshaltung der Blockbusterplanung einem gnadenlosen Scheinwerferlicht auszusetzen. Und schaut man sich Reaktionen an, dann war das womöglich kein so kluger Schachzug.

Aber nehmen wir einmal an der Algorithmus würde alle kreative Entscheidungen aufgrund ihrer Marktfähigkeit treffen, dann käme vermutlich so etwas wie Dwayne „The Rock“ Johnson als Ethan Hunt in ‚Avengers vs. Transformers‘ dabei heraus. Ich würde gern Eure absurden Ideen für Algo-Buster in den Kommentaren lesen!

 

Doctor Strange 2 ohne Regisseur

https://screenrant.com/doctor-strange-2-director-scott-derrickson-exit-reason/

Scott Derrickson, Regisseur des ersten ‚Doctor Strange‘ Films und geplanter Regisseur für die für 2021 geplante Fortsetzung hat bekannt gegeben, dass Marvel und er sich aufgrund „kreativer Differenzen“ getrennt haben. Das erinnert natürlich daran, wie Edgar Wright und Marvel sich über „kreative Differenzen“ zu ‚Ant-Man‘ getrennt haben. Und ich könnte mir sogar vorstellen, dass es tatsächliche kreative Differenzen waren. Derrickson hat mehrfach angedeutet, dass er aus ‚Doctor Strange 2‘ gerne einen Horrorfilm gemacht hätte. Das wäre absolut passend, setzt sich doch der Sorceror Supreme in seinen Comics immer wieder mit lovecraftschen kosmischen Schrecken auseinander. Doch womöglich war genau das Marvel und Produzent Kevin Feige in dieser Situation zu riskant. Horror ist eben nicht Mainstream. Und nach ‚Endgame‘ wird die nächste „Staffel“ Marvelfilme von der gesamten Branche sicherlich mit dem Mikroskop untersucht, ob sich auch nur irgendwelche Anzeichen von Publikumsermüdung feststellen lassen. Das kann durchaus dazu führen, dass hier absolut auf Nummer sicher gefahren wird und wieder Schema F wie zu Beginn des MCU gilt. Das wäre schade, gerade weil Marvel für mich wieder interessanter wurde, weil sie ihren Kreativen freiere Hand ließen. Aber am Ende sind diese Filme halt doch eins vor allem anderen: ein Milliardengeschäft.

 

Und das war es auch schon wieder für heute. Wir sehen uns nächste Woche genau hier wieder!

Die 2010er und der Film: Cinematic Universe

Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach über das Verlangen der Hollywood-Studios nach einem funktionierenden cinematischen Universum geschrieben. Daher wird für Langzeitleser das eine oder andere redundant sein. Allerdings wird diese Idee des „Cinematic Universe“ vermutlich einer der Hauptpunkte sein, an die man sich beim Blockbusterkino der 2010er erinnern wird. Von daher verdient es hier behandelt zu werden.

In den 2000er war die neu entdeckte Cashcow der Studios noch klassisch und alt bekannt: Verfilmungen von Büchern. Von Buchserien am besten, denn so hat man gleich ein Publikum für mehrere Filme gesichert. Und wenn man ein Buch in mehrere Filme splitten kann, dann ist das auch in Ordnung. Der Grund dafür ist klar. Anfang der 2000er explodierten ‚Der Herr der Ringe‘ und die ‚Harry Potter‘ Reihe geradezu in den Kinos. Potter hatte wenigstens genug Anstand gleich genug Bücher mitzubringen, um damit eine ganze Dekade zu füllen, doch beim Herrn der Ringe war nach drei Filmen schon wieder Schluss. Es schloss sich für die Studios eine Zeit des Suchens nach dem nächsten Hit an. Neben vielen Fehlschlägen gab es einige Treffer. Mit der Vampirromanze ‚Twilight‘ etwa, oder der Young Adult Dystopie ‚Hunger Games‘. Vor allem Letztere rief eine ganze Reihe Epigonen auf den Plan, die alle kein großer Erfolg wurden. Vorbei ist dieser Trend auch in den 2010ern nicht gewesen, wie wir mit ‚Fifty Shades of Grey‘, dessen Buchvorlage ihren Ursprung als ‚Twilight‘ Fanfiction hatte, sehen konnten.

Daneben war natürlich der große Trend der 2000er die Superheldencomicverfilmung. Dabei fällt auf, wie wenige von denen es zu Serien schafften. ‚Spider-Man‘ und ‚X-Men‘ hatten es geschafft, lagen nach enttäuschenden dritten Teilen, jedoch beide auf Eis. Und Nolans Batman war eigentlich noch nicht einmal als Trilogie geplant. Bei den meisten anderen schien schon nach der Origin Story bereits wieder die Luft raus. In dieser Phase der späten 2000er fiel Marvel auf, dass sie zwar die meisten großen Namen an andere Studios lizensiert hatten, selbst aber immer noch die Charaktere der Avengers hielten. Captain America, Iron Man, Thor oder Hulk (wobei sie zu letzterem keine Einzelfilme produzieren dürfen, die Rechte liegen bei Paramount…) sind zwar keine Wolverines oder Spider-Mans, doch wollte Marvel Entertainment und insbesondere Produzent Kevin Feige etwas Neues ausprobieren. Er wollte Stan Lees Comic-Ansatz aus den 60ern ins Kino bringen. Die Idee, dass all diese Comiccharaktere in derselben Welt existieren. Das sie einander begegnen können und ihre Abenteuer Auswirkungen auf die Reihen der anderen haben.

Was tatsächlich beachtenswert ist, ist vor allem die Geduld mit der Feige diesen Ansatz umsetzte. Er wusste, er müsste erst einmal einen Status Quo schaffen, bevor er an ihm rütteln konnte. Und so war eine lange erste Zeit des Marveluniversums das Setzen dieses Status Quo. Die Filme waren formelhaft und selten visuell besonders interessant. Sie bezogen ihre Faszination vornehmlich aus ihrer Verbundenheit (mal ehrlich erinnert sich irgendwer an ‚Iron Man 2‘ oder ‚Thor 2‘?). Die Tatsache, dass Edgar Wright aus seiner Regisseursrolle von ‚Ant-Man‘ gefeuert wurde, schien zu bestätigen, dass Disney mit Marvel das Studiozeitalter Hollywoods wieder aufleben lassen wollte. Regisseure waren dazu da die korporatistische Vision eines Produzenten umzusetzen. Und ganz falsch ist diese Kritik nicht.

Doch nachdem der Status Quo einmal gesetzt war, konnten die Marvelfilme experimentierfreudiger werden. Unbekanntere Charaktere, wie die ‚Guardians of the Galaxy‘ wurden adaptiert, sogar ohne dass sie anfangs direkten Bezug zum übrigen Universum hätten. Regisseure wie Ryan Coogler und Taika Waititi konnten ihre eigenen Visionen umsetzen – wenn auch immer noch im vom Studio vorgegeben Rahmen, der sicherstellte, dass die Filme bloß niemandem in den Hauptabsatzmärkten auf die Füße treten. Letztlich gipfelte alles im „most ambitious crossover event in history“. Alle Helden und nicht wenige Schurken begegneten sich im Doppelfilm ‚Infinity War‘ und ‚Endgame‘, um Thanos aufzuhalten, der das halbe Universum auslöschen wollte. Ob Marvel nun so erfolgreich weiterläuft wird sich noch beweisen müssen. Im Moment ist es gerade in einer Ruhephase. Nächstes Jahr erscheinen „nur“ zwei Filme, bevor 2021 die Maschinerie wieder auf Hochtouren läuft.

Bei aller verdienten Kritik, die es gerade in den letzten Monaten erhält, muss man doch festhalten, dass das MCU prägend für die Filmindustrie, insbesondere Hollywood, in den 2010ern war. Bei Disney geht man davon aus, dass sich das Universum als Ganzes nie totlaufen wird, höchstens einzelne Aspekte. Sicher eine mutige Annahme, doch gehe auch ich davon aus, dass es uns noch lange begleiten wird. Wenn man es hier so beschreibt oder liest, dann klingt es eigentlich ganz simpel ein Cinematisches Universum zu etablieren. Bleibt die Frage, warum kein anderes Studio, selbst Disney an anderer Stelle, es nicht gelingt ihr eigenes mit Erfolg zu schaffen. Schauen wir mal woran es liegen könnte.

Da wäre zum einen der ewige Konkurrent zu Marvel, DC Comics, die schon lange von Warner aufgekauft wurden und mit ‚Superman‘ und ‚Batman‘ schon filmische Erfolge zu verbuchen hatten, als Marvel noch die ‚Punisher‘ Lizenz für Dolph Lundgren hergab. Als Marvel mit ‚Iron Man‘ anfingen ihr Universum aufzubauen, feierte man bei DC mit ‚The Dark Knight‘ gerade großen kritischen und Publikumserfolg. Man ignorierte also erst einmal ein „Extended Universe“, es ging ja ganz offensichtlich auch ohne. Und als man 2013, 5 Jahre später auf die Idee kam doch eines zu wollen, versuchte man sich an Abkürzungen. Abgesehen von Superman wurde kein Held wirklich etabliert, bevor direkt am Status Quo gerüttelt wurde und sich Superman und Batman bis zur Martha prügeln mussten. Die Helden der ‚Justice League‘ kamen fast alle aus dem Nichts, nur ‚Wonder Woman‘ durfte seine Protagonistin noch schnell etablieren. Am zugegeben langweiligen und langwierigen Prozess des Setzens des Status Quo schien kein Interesse vorhanden, oder man hatte Angst als im Hintertreffen zur Marvel-Konkurrenz wahrgenommen zu werden.

Ironie des Ganzen ist, dass DC, kaum dass sie die rigide Idee eines zusammenhängenden Universums aufgegeben hatten, Erfolge einfuhren. Einmal mit dem überdrehten ‚Aquaman‘, vor allem aber mit dem düsteren ‚Joker‘. Vielleicht zeigt das für die Zukunft auf, dass ein Cinematisches Universum zum Erfolg führen kann, aber sicher kein Garant dafür ist und manchmal das Streben danach sogar hinderlich.

Aber was meinte ich damit Disney schafft es selbst nicht immer ein Cinematisches Universum zu schaffen? Ich dachte dabei an ‚Star Wars‘. Und nein, ich habe kein Interesse hier noch einmal über die Qualität oder deren Mangel der Sequels zu sprechen. Die sind einfach nur Fortsetzungen und als solche nicht außergewöhnlich. Ich meine die ‚Star Wars Stories‘. ‚Star Wars‘ ist neben ‚Star Trek‘ sicherlich einer der Urväter eines Extended Universe. Allerdings breitete sich das meist in Romane, Comics, Videospiele, Trickserien oder Weihnachtsspecials aus. Nicht unbedingt in Realfilme abseits der Skywalker Saga. Von den Abenteuern der Ewoks mit Wilford Brimley einmal abgesehen… Und obwohl Disney all das für nicht länger „kanonisch“ erklärt hat, machten sie doch mit Romanen, Comics und Serien genau da weiter, wo vorher aufgehört wurde. Und es ist ja nur logisch. Star Wars lebt zu einem guten Teil davon, dass die Galaxie so viel größer scheint als das, was wir in den Filmen sehen.

Doch bei den ‚Star Wars Stories‘ zeigte Disney eine erstaunliche Angst sich von den etablierten Filmen zu lösen. Man hätte alles erzählen können was man wollte, stattdessen setzt sich ‚Rogue One‘ vorsichtig direkt vor Episode IV und schließt ein „Plothole“, das nie wirklich gestört hat. Und ‚Solo‘ erzählt die absolut überflüssige Vorgeschichte eines beliebten Charakters. Man schien zu fürchten, dass wenn man einen Schritt zu weit von den Skywalkers nimmt, dann würde der Name ‚Star Wars‘ plötzlich nicht mehr ziehen. Da stimmt es mich auch nicht sonderlich traurig, dass nach dem geringen Erfolg von ‚Solo‘ die Stories erst mal auf Eis gelegt wurden. Letztlich ein Scheitern am eigenen Mangel an erzählerischem Mut. Was aber auch zeigt, dass man Kevin Feige zwar zu Recht kritisieren kann, seine Leistung, sowohl planerisch als auch erzählerisch, durchaus anerkennen muss. Aber hey, immerhin scheint man jetzt mit ‚The Mandalorian‘ eine zumindest interessantere Erzählrichtung bei Star Wars gefunden zu haben und ist endlich dem Nichtschwimmerbecken der ewigen Vorgeschichte der originalen Trilogie entronnen.

Und dann war da noch das Dark Universe. Oder eben nicht. Zweimal hat Universal versucht seine klassischen Monster aus den 30er und 40er Jahren als coole, moderne Filme mit Action- und Gruselanteilen zu etablieren und zweimal fiel es flach. ‚Dracula Untold‘ (blöde Frage, aber den Film gibt es doch wäre es damit nicht automatisch ‚Dracula Told‘?) löste einzig weitgehendes Schulterzucken aus und Tom Cruise in Tom Cruises ‚Die Mumie‘ (mit Tom Cruise!) wurde ziemlich brutal verrissen. Beide Male warfen Universal die Hände in die Luft und gaben direkt sämtliche weiteren Pläne auf. Man hat den Eindruck so richtig steckte ihr Herz da nie drin. Der Grund warum sie ein Stück vom Cinematic Universe Kuchen wollten ist womöglich, weil sie das ursprüngliche Rezept geschrieben haben. Sämtliche Universal-Monster begegneten sich damals in den Filmen. Allerdings muss gesagt werden, erst als die Monster schon auf dem absteigenden Ast waren. Als Dracula allein nicht mehr genug Leute ins Publikum lockte und sich deshalb mit dem Wolfman kloppen musste. Vielleicht war daher die Idee eine frühere Not nun zur Tugend zu machen von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Was bleibt als Fazit? Das „Cinematic Universe“ in aller Munde war, obwohl nur eines in den 2010er wirklich wie gewollt funktioniert hat. Womöglich ändert sich das in der nächsten Dekade. Vielleicht lernen die anderen Studios von Disney und etablieren ihr eigenes Universum. Oder vielleicht kauft Disney sie einfach auf und tut es für sie. Und wir sind für den Rest unseres Lebens von unsterblichen Franchises umgeben, die rebootet werden, sobald sich die Fortsetzungen einmal totgelaufen haben. Ist das nicht vielleicht das wahre Dark Universe?

Newslichter Ausgabe 63: Coppola verabscheut Marvel, Tarantino zensiert nicht für China

Willkommen zum 63sten Newslichter. Na, habt Ihr geglaubt der DISKURS über den cinematischen Wert bzw. Unwert von Marvelfilmen wäre vorüber? Ich gebe zu, ich war so naiv, doch nun mischt sich Francis Ford Coppola in den DISKURS ein. Und so geht der DISKURS von neuem los und da wollen wir natürlich nicht zurückstehen, oder? Oder? Auch sonst bleibt es diese Woche recht politisch mit einem Blick auf den inzwischen nicht mehr wegzudiskutierenden Einfluss Chinas Staatsapparats auf die Unterhaltungsindustrien. Falls das jemandem zu politisch ist, kann ich nur sagen, nächste Woche gibt’s wieder doofe Wortspiele, versprochen! Für alle anderen heißt es, legen wir los.

 

Francis Ford Coppola vs. Marvel

https://news.yahoo.com/coppola-backs-scorsese-row-over-marvel-films-173112180.html

Ich gehe im Folgenden davon aus, dass meine Meinung zu den Scorsese Zitaten bekannt ist und werde mich bemühen nicht allzu viel davon zu wiederholen. Schauen wir zunächst mal, was der 80jährige Herr Coppola im Interview zu Yahoo gesagt hat (meine Übersetzung):

„Wenn Martin Scorsese sagt die Marvel Filme seien kein Kino, dann hat er Recht, denn wir erwarten etwas von Kino zu lernen, etwas herauszuholen, etwas Erleuchtung, etwas Wissen, etwas Inspiration. Ich verstehe nicht, wie jemand etwas daraus herausholt, den exakt gleichen Film wieder und wieder zu sehen. Martin war großzügig als er sagte sie seien kein Kino. Er sagte nicht sie seien verabscheuungswürdig, was ich nun sage, dass sie sind.“

Im Wesentlichen wiederholt Coppola also die Kritik Scorseses. Allerdings formuliert er ein Problem mit den Marvel Filmen aus, dass tatsächlich schwer von der Hand zu weisen ist: die Formelhaftigkeit der Handlung. Die frühen Marvelfilme folgten in der Tat einem exakten Schema. „Held erhält Fähigkeiten, Bösewicht will MacGuffin, Held rettet MacGuffin, Bösewicht erhält dennoch MacGuffin, 30 Minuten CGI-Endkloppe. Völlig zu Recht wurden die Filme zum perfekten Beispiel für die Rückkehr der Studiokontrolle. Sie waren allesamt Kevin Feige Filme, also Produzentenfilme und weniger der kreative Ausdruck ihrer jeweiligen Macher. Als Edgar Wright von ‚Ant-Man‘ „gegangen wurde“ schien es eindeutig, dass Regisseure vor allem da waren, um bestehende Ideen auszuführen und keine Wellen zu schlagen.

Doch würde ich argumentieren wollen, dass sich genau das in den letzten jähren deutlich verändert hat. ‚Guardians oft he Galaxy‘ ist erkennbar ein Gunn Film. ‚Black Panther‘ ein Ryan Coogler. ‚Tag der Entscheidung‘ ein Waititi und so weiter. Selbst ein Film wie ‚Doctor Strange‘ der noch weitgehend der Formel folgt, lässt dem Regisseur große formalistische, gestalterische Freiheit, dass er sich nicht wie vom Fließband anfühlt. Was aber natürlich bleibt sind die Genre Konventionen des Superheldenfilms. Und Konventionen hat nun einmal jedes Genre. Auch etwa der Gangsterfilm sage ich mal, in Hinblick darauf, wo die Kritik herkommt.

Bleibt die Bezeichnung „verabscheuungswürdig“. Das mag seltsam anmuten, aber damit komme ich weit besser klar als mit „kein Kino“. Denn es fehlt die elitäre Note, das sei ja gar keine „richtige“ Kunst. Natürlich kann Herr Coppola die Filme verabscheuungswürdig finden. Natürlich kann man finden, dass das 3 Stunden lange Spielzeugwerbespots sind, für die man auch noch bezahlt. Denn, seien wir ehrlich, die Filme kommen mit Disney von einer Firma die verabscheuungswürdig ist und auch immer war (hier ist ein Artikel, wie Walt seine Animatoren in den 40ern beim FBI als „kommunistische Infiltratoren“ anschwärzte, weil sie es gewagt hatten eine Gewerkschaft zu bilden). Ich habe an anderer Stelle bereits dargelegt, warum ich meine, damit werde nicht automatisch jedes Produkt dieser Firma „verabscheuungswürdig“, aber das kann man auch durchaus anders sehen. Übrigens bin ich keinesfalls so naiv zu glauben, wäre irgendein anderes Studio in der Position von Disney heute, würden sie sich irgendwie anders benehmen. Manche wären wohl noch weit schlechter darin ihre Gier zu verbergen.

Kurz gesagt, die milliardenschwere Marvel Industrie wird sicher nicht an einer Handvoll Kritiker aus der alten Garde der Filmemacher zu Grunde gehen. Waldorf und Statler schaden den Muppets (Disney Property!) nicht und Kritiker sind grundsätzlich nichts Schlechtes. Ich hoffe nur, Entertainment-Reporter machen jetzt keinen Sport daraus, Filmschaffende jenseits der 70 nach Marvel zu fragen, um ein paar tausend Wutklicks für ihren Artikel zu bekommen. Die Monokultur im Blockbusterbereich des Films, gepaart mit dem zunehmendem Desinteresse der großen Studios an allem, was kein Blockbuster ist, sollten (oder müssen) eigentlich eine Kritik hervorrufen, gänzlich unabhängig von der Qualität der jeweiligen Filme, die diese Monokultur hervorbringt. Was mich halbwegs elegant zum nächsten Thema bringt.

 

Tarantino vs. China

https://deadline.com/2019/10/quentin-tarantino-once-upon-a-time-in-hollywood-china-bruce-lee-1202763707/

China ist zu einem wesentlichen Absatzmarkt nicht nur für Hollywood, sondern für zahlreiche Unterhaltungsindustrien geworden. Dies hat diese wiederrum interessant für chinesische Investoren gemacht, was dafür gesorgt hat, dass in Blockbustern nun öfter chinesische Charaktere oder Szenen in China zu sehen sind. Oder das ein Film, wie das ‚Ghostbusters‘ Remake, der nicht in die chinesische, kulturelle Vorstellung der Geisterwelt passt und dort nicht gezeigt wurde, eben auch mal ein Flop wird. So weit so unproblematisch. Ein Problem wird es jedoch, wenn sich Unterhaltungsmacher nach den Vorgaben des autoritären chinesischen Staates richten müssen. Und da gab es in den letzten Wochen einige traurige Beispiele. Von Apple bis zur NBA. Am auffälligsten war vielleicht Videospielkonzern Activision Blizzards vorauseilender Gehorsam, mit dem sie einem E-Sport Profi, der in einem Livestream mit den Hong Kong Protesten sympathisierte, nicht nur die Auszahlung von Siegesprämien abgesprochen haben, sondern ihn auch auf längere Zeit als Spieler gesperrt haben.

Sony hingegen hatten keine Zeit für vorrauseilenden Gehorsam. Mit nur einer Woche Vorwarnung wurde ihnen mitgeteilt, dass der neue Tarantino Film ‚Once Upon A Time In Hollywood‘ in seiner ursprünglichen Form nicht in China gezeigt werden würde. Grund für den Stopp der Aufführung waren einige Gewaltspitzen, sowie vor allem eine Szene, die Bruce Lee nicht eben im besten Licht zeigt. Diese Szene wurde auch hier im Westen durchaus kontrovers diskutiert und Lees Tochter etwa bezeichnete sie als beleidigend. Ich selbst habe den Film noch nicht gesehen und kann daher nichts zu der Szene an sich sagen. Klar ist nur, dass (in dem Moment wo ich das schreibe) Tarantino nicht bereit ist Änderungen an seinem Film vorzunehmen und Sony auf eine Aufführung in China wohl verzichten werden muss.

Das überrascht bei einem Individualisten wie Tarantino nicht wirklich. Sein Vorteil ist natürlich, dass sein Name groß genug ist, um Sony die Veränderungen verweigern zu können. Ein unbekannterer Regisseur hätte diese Möglichkeit nicht. Es zeigt aber auch den Wert von mittelgroßen Produktionen (und ja, ein Film mit gut 90 Millionen Dollar Budget ist eine mittlere Produktion, so seltsam das ist). Der Film hat knapp 370 Millionen weltweit eingespielt, keiner der Inverstoren wird, mit oder ohne China, ärmer nach Hause gehen, als er in den Film hineingegangen ist. Die Erwartung ist auch eine andere als bei einem 300 Millionen-Blockbuster, der die Milliardenmarke lieber knacken sollte. Für so einen Film könnte man auf den chinesischen Markt keinesfalls verzichten und stellt so von Anfang an sicher, dass man nichts einbaut, was der chinesischen Regierung missfallen könnte (Winnie Puuh etwa, der aussieht wie Xi Jinping, falls Ihr es noch nicht wusstet).

Sicherlich ist es für Hollywood Blockbuster nichts gänzlich Neues sich nach Vorgaben richten zu müssen, die (zumindest für mich als Nichtamerikaner) Außenstehende eher bedenklich wirken. Die enge Zusammenarbeit mit der US-Armee etwa, die jede Menge Hardware vor und hinter der Kamera zur Verfügung stellt, mit der Auflage, dass sie nur positiv dargestellt werden darf und natürlich vorher das Drehbuch lesen und zur Not „anpassen“ wird. Wie viele andere Industrien dürften die Hollywood-Studios hoffen, dass sich der Handelskrieg zwischen China und den USA nicht weiter zuspitzt. Sonst könnte es bald recht schwierig werden beide Seiten nicht zu verärgern…

 

So, jetzt habe ich gerade einen Tweet gelesen, der angeführt hat, dass die Marvel Filme mehr als doppelt so viel eingespielt haben, wie Scorseses und Coppolas Filme zusammen. Dann müssen sie ja besser sein. Damit habe ich genug vom Internet für heute. Bis nächste Woche.

Newslichter Ausgabe 61: Marvel, Scorsese und Autoren-Rechte

Willkommen zu Ausgabe 61 des Newslichters. Natürlich reden wir heute über Martin Scorsese. Der hat nämlich was über Marvel gesagt. Und die Filmnews-Welt ist gleichzeitig implodiert und explodiert. Irgendwie wird vieles wohl doch heißer gegessen, als es gekocht wird. Dazu noch ein frisch entdeckter Gesetzeszusatz in den USA, der Autoren mehr Rechte an ihren Werken erlaubt. Und das soll schlecht sein? Legen wir los!

 

Marty vs. Marvel

https://variety.com/2019/film/news/martin-scorsese-marvel-theme-parks-1203360075/

Als ich zum ersten Mal gelesen habe, dass sich Martin Scorsese nicht für das Marvel Cinematic Universe interessiert, war mein erster Gedanke „Natürlich tut er das nicht“. Scorsese ist 76 Jahre alt, Marvel Filme richten sich vornehmlich an Teenager und Früh-Zwanziger. Das soll nicht heißen, dass sie nicht auch von zahlreichen älteren Menschen gemocht werden, aber ich würde nie bei einer 70+ Person davon ausgehen, dass sie das geringste Interesse mitbringt. Insofern schien mir die ganze Aufregung über irgendeine Interviewaussage von ihm mal wieder wahnsinnig übertrieben.  Dann habe ich mir doch einmal genauer angesehen, was er gesagt hat.

Oder sagen wir, ich bin so nahe herangekommen, wie ich konnte. Denn das gesamte Interview mit dem Magazin Empire, in dem die umstrittene Aussage fiel konnte ich nicht finden (wenn einer von Euch mehr Erfolg hat, bitte Link in die Kommentare!). Hier nun meine Übersetzung des Zitats: [Scorsese, angesprochen auf MCU-Filme] „Ich schaue die nicht. Ich hab’s versucht, wissen Sie? Aber das ist kein Kino („not cinema“). Ehrlich gesagt, woran sie mich am ehesten erinnern, so gut sie gemacht sind, mit Schauspielern, die unter den gegeben Umständen ihr Bestes tun, sind Themenparks. Das ist nicht das Kino von Menschen, die anderen Menschen ihre emotionalen, psychologischen Erfahrungen zu vermitteln versuchen.“

„Das ist kein Kino“ ist so eine elitistische Aussage, bei der ich sofort Zahnschmerzen bekomme. Ich denke Herr Scorsese würde zu keinem Moment bestreiten, dass Marvel Filme dem Medium des Films und damit dem Kino zuzurechnen sind. Nein, sein Begriff „Kino“ beschreibt etwas anderes. Er definiert das später ja ein wenig aus. Kino muss emotionale und psychologische Erfahrungen vermitteln. Tut es das nicht, ist es „kein Kino“. Das Problem an dieser Aussage ist: für Millionen von Menschen tun die Marvel Filme genau das. Das mag Herr Scorsese nicht nachvollziehen können, ich kann es selbst auch nicht vollständig, aber das ändert wenig an den Tatsachen. Leute werden doch nicht wütend bis hin zur körperlichen Gewalt über „Spoiler“ für etwas, in dem sie nicht tief emotional involviert sind. Natürlich sind die Marvel Filme „sicher“. Disney* achtet darauf, dass sie niemandem besonders wehtun, keinen Status Quo herausfordern, sondern genau das liefern, was man von einem Superheldenfilm erwartet. Ein bisschen Soap Opera und CGI Gekloppe, wenn man es mal ganz grob runterbrechen will. Sobald der erste Marvel Film einmal richtig floppt, kann es gut sein, dass, nicht zuletzt aufgrund zahlloser „Ist Marvel am Ende?“-Artikel, das ganze Universum endet. Und kein Regisseur möchte dafür verantwortlich sein, diese Cash Cow zu schlachten. Und so bedienen ‚Spider-Man: Homecoming‘ und ‚Die Letzte Versuchung Christi‘ natürlich gänzlich andere filmische Bedürfnisse. Ändert aber mal gar nix dran, dass beide Kino (und auch „Kino“) sind. Alle Kunst ist Kunst, was nicht bedeutet, dass alle Kunst gleich gut ist. Und schon gar nicht, dass Martin Scorcese oder sonst jemand sie mögen muss. Sich von Jahre- bis Jahrzehntelangen Veröffentlichungsplänen abgestoßen zu fühlen ist völlig in Ordnung.

Aber letztlich entwertet Scorsese seine Kritik doch direkt selbst mit dem ersten Satz „Ich schaue die nicht“. Damit ist es doch ganz egal, ob hier der Mann spricht, der ‚Raging Bull‘ gedreht hat, oder irgendein Filmblogger. Niemand kann mit irgendeiner Autorität über Filme sprechen, die man nicht schaut. Die Angriffe auf Scorsese sind dennoch albern. Der hat mehr für den Film getan als die meisten anderen, nicht nur großartige Filme gedreht, sondern auch Großes im Bereich der Erhaltung alter Filme geleistet. Und die Darstellung, hier sei nun der große Filmmann Scorsese, der die kleinen, wehrlosen Marvel Filme angreift, ist schon lächerlich. Möglicherweise schwang in seiner Aussage gerechtfertigte Sorge aufgrund der Monokultur im Blockbusterbereich mit**. Möglicherweise auch ein gewisser Groll, weil keines der klassischen Filmstudios bereit war seinen ‚The Irishman‘ zu finanzieren und er dafür zu Netflix musste. Denn das ist die Situation. Drehst Du keinen Crash Boom Bang!- Blockbuster, musst Du in Hollywood mit dem Hut in der Hand um Finanzierung betteln, auch wenn Dein Name Scorsese ist. Vielleicht würde auch das ganze Interview noch mehr Kontext liefern. Vermutlich hätte er wohl lieber über irgendwas anderes als Marvel Filme gesprochen…

 

*Dass ich hier Disney „verteidigen“ muss, nehme ich Scorsese übrigens persönlich übel!!!

** Ha, Seitenhieb im letzten Absatz! Damit haste nicht gerechnet, wa Micky?!

 

Möglicherweise ein Ende für ‚Terminator‘ und ‚Stirb Langsam‘ in Sicht?

https://www.hollywoodreporter.com/thr-esq/real-life-terminator-major-studios-face-sweeping-loss-iconic-80s-film-franchise-rights-1244737?utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=THR%20Breaking%20News_now_2019-10-02%2011:40:30_ehayden&utm_term=hollywoodreporter_breakingnews

In den 1970er Jahren veröffentlichte der US-Kongress einen Gesetzeszusatz, der Autoren erlaubt die Rechte an ihren Werken nach mehreren Jahrzehnten vom jeweiligen Rechteinhaber zurückzufordern. Dies geschah bislang vor allem im Musikbereich. Doch nachdem Victor Miller, der Autor von ‚Freitag der 13te‘ im letzten Jahr davon Gebrauch gemacht hat, ist eine kleine Welle im Filmbereich ins Laufen gekommen. Unter anderen fordert ‚Terminator‘ Koautorin Gale Ann Hurd ihre Rechte ein. Ebenso die Nachfahren vom Autoren der ‚Stirb Langsam‘ Vorlage Roderick Thorp. Ernsthaft merkwürdig finde ich allerdings, dass ein Großteil der Berichterstattung über diese Tatsachen negativ ist. Es ist viel eher erfreulich, dass es wenigstens noch einen kleinen Bereich des „Copyright“ Rechts gibt, der sich nicht vollständig den großen Konzernen ergeben hat (schaut Euch mal an, warum Disney immer noch die Rechte an Micky Maus hält…). Es ist gut und richtig, dass Autoren das Recht haben, über ihre Geschichten bestimmen zu können. Und wie viele Leute wären wirklich traurig wenn „Kultserien“ wie ‚Terminator‘ oder ‚Stirb Langsam‘ enden? Begeistern die Abenteuer eines gelangweilten, geriatrischen Glatzkopfs wirklich noch so viele Leute? Bin ich der Einzige, der sich wünscht, ein Blechmann aus der Zukunft würde den unendlichen Kreislauf an Terminatoren beenden? Davon abgesehen wird das eh nicht passieren. Seien wir ehrlich: für die meisten, die ihre Rechte hier einfordern, ist das vor allem ein Weg noch einmal (und vielleicht zum ersten Mal fair) für ihre Arbeit bezahlt zu werden. Aber trotzdem, Hollywood: lasst Dinge enden! Manchmal ist das besser! Das wusste schon der alte Kerl in ‚Friedhof der Kuscheltiere‘ (von dem ein Remake gedreht wurde, 5 Minuten bevor die Rechte zurück an Stephen King fielen).

 

Das war es für diese Woche. Zu monothematisch? Nächste Woche gibt’s bestimmt wieder mehr Abwechslung!