Beinahe fühlt man sich in dem 90 Sekundenfilm von Yorgos Lanthimos (‚Dogtooth‘, ‚The Lobster‘, ‚The Killing of a Sacred Deer‘) wie in Stanley Kubricks ‚Barry Lyndon‘. Direkt von einem Bild aus dem 18. oder 19. Jahrhundert entsprungen, wirkt die Szenerie. Zwei Duellanten im Vordergrund, dahinter ein mächtiger Baum, durch dessen Zweige das morgendliche Sonnenlicht golden flittert. Die Sekundanten stehen aufmerksamer Pose daneben. Das Taschentuch des Schiedsrichters fällt, Rauch steigt fast romantisch auf, ein Mensch fällt zu Boden und haucht, ein Baudelaire-Zitat auf den Lippen, das Leben aus.
Doch etwas ist anders als auf diesen Bildern. Alle Beteiligten sind Kinder. Die Duellanten sind Duellantinnen, vielleicht 12 Jahre alt in Schuluniform, ebenso alle anderen. Dadurch erhält die Szenerie natürlich etwas gewollt inszeniertes, etwas surreales. Wird weniger Kubrick und mehr Wes Anderson. Und doch, weiß sicherlich auch Lanthimos, dass Kinder mit Schusswaffen als pure Karikatur kaum taugen, zu sehr haben wir alle die Gedanken an exzessive Schusswaffengewalt in Schulen im Sinn, die durch die Uniformen höchstens noch verstärkt werden.
Was will er uns also damit sagen? Vielleicht hilft es zu wissen, dass der Film Teil einer Reihe über die Zukunft des Kinos war. Deutet Lanthimos also an, dass Kino inszeniert dieselben uralten Ideen, nur mit wechselnden Protagonisten, jetzt wo Hollywood langsam lernt, dass der Held nicht zwangsläufig ein weißer Mann sein muss? Ist es eine direkte Reaktion auf die 2013 so beliebten dystopischen Jugendfilme, allen voran ‚Die Tribute von Panem‘? Eine Vorhersage, dass auch dieses Genre verholzten Regeln erliegen wird? Letztlich starb es schneller, als viele gedacht hätten, womöglich genau an seiner Gleichförmigkeit. Oder ist es wieder nur ein weiterer Versuch mit „albernem Sadismus“ zu schockieren, wie ihm seine Kritiker öfter vorwerfen?
Am Ende entscheidet Ihr natürlich, was er für Euch bedeutet.