Newslichter Ausgabe 8: neuer Film von Orson Welles, alter, junger McClane und keine Flagge

Na, habt Ihr sie gespürt? Die extreme Hitze aus Eurem Feed? Das sind natürlich die brandheißen Neuigkeiten, die diese Woche darauf lauern Eure Netzhäute zu versengen! Sei es ein Film der nach 40 Jahren das Licht des Kinos erblickt, ein Fäkalgewitter um eine nichtvorhandene Flagge oder ein Drehbuchautor, der dringend Aufmerksamkeit benötigt. All das und noch viel mehr findet Ihr her in der neuen Ausgabe des Newslichters.

 

David Kajganich redet viel

https://www.hollywoodreporter.com/heat-vision/suspiria-why-horror-is-thriving-once-more-1137706?utm_source=twitter

Ich wollte ja eigentlich nichts dazu sagen, weil alle Aussagen des Drehbuchautors zum ‚Suspiria‘ Remake nach verzweifelter Provokation riechen. Aber so langsam wird es ehrlich gesagt sogar mir zu blöd. Aber ich konzentriere mich mal auf eine Aussage. Was hat Herr Kajganich über den Zustand des Horrorfilms 2018 zu sagen? (ÜS von mir)

„Vielleicht reiten wir auf einer Welle faulen, zynischen Horrors im vergangenen Jahrzehnt […] deswegen fällt alles mit ein paar mehr IQ Punkten mehr auf als es sollte. Mäßig ausgeleuchtete Action, Blocking und Jumpscares alle 6 Minuten gehen 2018 als Horror durch.“

Wahrlich, in einer Zeit in der wir in jüngerer Vergangenheit auf den ‚Babadook‘, auf ‚Get Out‘, auf ‚Raw‘, auf ‚The Witch‘ zurückblicken können, wo ein Film wie die ‚Love Witch‘ möglich, wo sogar Studiohorror mit so etwas wie ‚IT‘ wieder sehenswert wird, wo ein Monsterfilm den „Bester Film“ Oscar gewinnt, da sind wir sicherlch in der „faulen, zynischen“ Talsohle eines Genres angekommen, in der wir auf Rettung hoffen müssen. Und von wem könnte diese Rettung eher kommen, als von einem Mann, der ein Remake von ‚Die Körperfresser kommen‘ geschrieben hat, dessen verfilmtes Drehbuch zum ‚Suspiria‘-Remake bald in die Kinos kommt und der bereits ein Buch zum Remake von ‚Friedhof der Kuscheltiere‘ in Produktion hat. Denn wenn es etwas im Horror, nein im Filmgeschäft gibt, das das Gegenteil von „zynisch und faul“ ist, dann sind das wohl Remakes.

 

Hättet Ihr mal Michael Bay engagiert…

https://screenrant.com/first-man-flag-controversy-armstrong-response/

Ich bin mir sicher, der Transformers-Macher hätte einen Weg gefunden das hochholde Sternenbanner der Amerikaner auch auf dem Mond patriotisch im Winde knattern zu lassen. Aber Damian Chazelle hat in seinem Film ‚First Man‘ über die erste Mondlandung, bewusst den Moment ausgelassen, als Neil Armstrong die Flagge in den Mondboden rammte, sehr zum Unmut vor allem konservativer Kommentatoren. Die Flagge ist zwar in anderen Szenen im Hintergrund zu sehen, doch dieser Moment fehlt. Chazelle begründet dies damit, dass er die Mondlandung als einen Moment des Triumphes für die Menschheit darstellen wollte und nicht einen für die USA. Die Aussage von Armstrong-Darsteller Ryan Gosling, Armstrong habe sich nicht als amerikanischen Helden verstanden, zog dann weiteren Zorn aus konservativen Kreisen nach sich (man erinnere sich an Armstrongs berühmte Aussage: „ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Schritt für Menschen, deren Eltern in einer bestimmten geografischen Region miteinander geschlafen haben“, wir haben sie alle im Ohr). Der „Shitstorm“ war perfekt. Nun haben Armstrongs Söhne Rick und Mark einen offenen Brief verfasst, in dem sie den Film verteidigen, der sich auf die Seiten ihres Vaters konzentriere, die man nicht kenne.

 

Ich weiß, es heißt ‚Stirb Langsam‘, aber…

https://screenrant.com/die-hard-6-official-title-mcclane/

Der sechste ‚Stirb Langsam‘ Film ist nicht nur einer, den keiner braucht, er heißt jetzt auch ‚McClane‘. Und wie ‚Der Pate 2‘ soll er Prequel und Sequel in einem sein. Das heißt, wir folgen in einem Handlungsstrang dem 63 Jahre alten Bruce Willis-McClane und in einem anderen einem etwa 20jährigen Rookie-McClane. Ich jedenfalls bin so motiviert den Film zu sehen, wie Bruce Willis motiviert scheint in irgendeinem Projekt der letzten 5 Jahre mitzuarbeiten.

 

‚Der Schwarm‘ schwärmt fürs ZDF

http://www.filmstarts.de/nachrichten/18520790.html

Gerüchte um eine Verfilmung von Frank Schätzings umfangreichen SciFi Thriller gibt es seit das Buch erschienen ist. Nun steht aber fest, dass es zu einer achtteiligen Serie mit je 45 Minuten adaptiert werden soll. Es soll eine internationale Koproduktion werde, die unter anderem von ‚Game of Thrones‘-Produzent Frank Doelger betreut werden soll. Wobei Schätzing selbst auch ein Mitspracherecht besitzt. Schauen wir mal, um das Buch adäquat umsetzen zu können wäre jedenfalls ein großes Budget und ein ebenso großer Cast vonnöten. Es könnte aber ein interessantes Projekt werden.

 

Neuer Film von Orson Welles!

http://www.filmstarts.de/nachrichten/18520769.html

Wer hätte gedacht, dass ich diese Überschrift im Jahr 2018 schreiben könnte? 1000 Filmrollen füllte Welles zwischen 1970 und 1976 für seinen Film ‚The Other Side Of The Wind‘. Darin ging es um das Comeback eines alternden Regisseurs, gespielt von Legende John Huston. Eine satirische Aufarbeitung Hollywoods sollte es werden, von dem sich Welles zeitlebens ungerecht behandelt fühlte. Leider gelang es ihm bis zu seinem Tod 1985 nur etwa 40 Minuten des Films zusammenzuschneiden. 2017 erwarb Netflix die Rechte an dem Film und der Rest wurde, unter Aufsicht von Regisseur und Welles-Freund Peter Bogdanovich fertiggestellt. Am 31.08. hatte der Film bei den Festspielen in Venedig Premiere und wurde dort offenbar gefeiert. Ich rechne Netflix dieses Engagement hoch an, hoffe aber sie sind klug genug den Film ins Kino zu bringen und nicht nur auf ihrem Streamingservice zu zeigen…

Vienna Noir: ‚Der dritte Mann‘ (1949)

‚Der dritte Mann‘ ist ein Film, der nicht einfach den Lokalkolorit seines Handlungsortes einfängt, sondern einen zeitlich eng begrenzten Lokalkolorit. Den des Wiens der direkten Nachkriegszeit. Noch halb in Trümmern und von den vier Siegermächten kontrolliert. Und im Zentrum die Internationale Zone, wo sich alle vier Mächte die Polizeiarbeit teilen und dabei nicht immer kooperieren, wenn sie denn überhaupt kommunizieren können. Bei dieser mangelnden Kontrolle, in einer Stadt voll mit Menschen, die nichts mehr haben, blüht natürlich der Schwarzmarkt. Und dieser Schwarzmarkt sei nichts für Amateure bemerkt ein lakonischer Erzähler zu Anfang des Films, während eine Leiche mit dem Gesicht nach unten die Schöne Blaue Donau herabtreibt.

Der amerikanische Western-Groschenromanautor Holly Martins (Joseph Cotten) ist definitiv ein Amateur. Er ist pleite, da kam ihm ein nebulöses Jobangebot von seinem alten Kumpel Harry Lime gerade recht. Das kam zusammen mit einem Flugticket nach Wien. Nun ist Martins hier und muss erfahren, dass Harry tot ist. Vom Auto überfahren. Nach der spärlich besuchten Beerdigung nimmt ihn der britische Major Calloway (Trevor Howard) beiseite und versucht ihm zu erklären, dass Lime ein übler Schieber gewesen sei und Martins gut daran täte mit der nächsten Maschine nach Hause zu fliegen. Dummerweise verwechselt sich Martins in seinen betrunkeneren Momenten gern einmal mit seinen eigenen Romanhelden mit zwei Colts in den Fäusten und teilt dem „korrupten Sheriff“ mit er selbst würde die Wahrheit über Leben und Tod seines Freundes ans Licht bringen. Im Laufe seiner Ermittlungen wird er nun bedroht, verprügelt, entführt, des Mordes bezichtigt, zu einem Vortrag über den modernen Roman verdonnert und von einem Papageien gebissen. Aber er lernt auch Harrys Freundin Anna Schmidt (Alida Valli) kennen, in die er sich flugs verliebt. Und sie sich in ihn. Oder auch nicht, verwechselt sie doch ein paar Mal zu häufig die Namen Holly und Harry. Selbstverständlich stellt sich Harry als noch quicklebendig und zutiefst zynisch heraus, bevor der Film in einer Verfolgungsjagd durch die Wiener Kanalisation gipfelt.

Regisseur Carol Reed und Kameramann Robert Krasker tun alles, um visuell den Grundgedanken von Graham Greenes Drehbuch zu unterstreichen: dieses Wien ist ein moralisches Vakuum. Alle Werte sind auf den Kopf gestellt. „He is already in hell“ teilt ein nicht sehr englisch-sicherer Hausmeister (Paul Hörbiger) Martins über seinen Freund Lime mit. Und deutet dabei nach oben. Kaum einmal richtet Krasker seine Kamera gerade auf das Geschehen, immer schaut sie etwas schief, alles scheint aus dem Gleichgewicht. Die für den Film Noir typischen Licht und Schattenspiele wirken hier teilweise absichtlich überzogen, erinnern an den deutschen Expressionismus. In den ewigen Wiener Nächten mit nass glänzendem Kopfsteinpflaster zeichnet sich der Schatten eines kleinen Jungen ebenso gigantisch auf den zerklüfteten Häuserfluchten ab, wie der eines gefährlichen Gangsters. Und Harry Lime (Orson Welles) erhält eine der sowohl melodramatischsten als auch besten Einführungen der Filmgeschichte. Eine Stunde lang ist er das zentrale Thema des Films, die Spannung auf diesen Mann ist bereits greifbar. Da versucht sich Martins in einer Szene mit einem Kater anzufreunden. Der läuft aber weg vor ihm. „Er mag nur Harry“ erklärt ihm Anna. Als Martins später in sein Hotel zurückkehrt sieht er ein Paar Beine in Anzughosen in einem finsteren Hauseingang und der Kater streicht um sie herum, der Rest des Mannes ist im Dunkeln. Anders als der Zuschauer ahnt Martins nicht, um wen es sich handelt (habe ich erwähnt, das er nicht der Hellste ist?). Er hat es aber satt verfolgt zu werden und schreit ihn lauthals an sich zu zeigen. So laut, dass im Haus gegenüber jemand aufwacht, der das Licht einschaltet. Das fällt auf das Gesicht von Lime, der ein Grinsen irgendwo zwischen spitzbübisch und wölfisch zeigt. Bevor Martins ihn erreicht ist er natürlich längst verschwunden.

Das wir bei aller dickköpfigen Naivität doch immer auf der Seite von Holly Martins bleiben ist sowohl dem geschickten Drehbuch von Greene als auch Cottens Spiel zu verdanken. Er ist so gutmütig und offenherzig, das wir gar nicht anders können als ihn zu mögen, sind das doch Qualitäten die ansonsten Mangelware in diesem Film sind. Das sorgt wohl auch dafür, dass ihn im Film absolut niemand respektiert. Nicht einmal die Kamera. Die wendet sich mitten in einem Gespräch von ihm ab, folgt lieber Anna Schmidt, als sie in Erinnerungen an Harry schwelgt. Und während der dramatischen Verfolgung durch die Unterwelt scheint sie Martins für lange Zeit zu vergessen und folgt stattdessen lieber Harry Lime selbst. Auch Alida Valli überzeugt als Anna Schmidt. Die Figur ist hier nie als die typische „Femme Fatale“ angelegt, die den Helden verführt, sondern ist genauso ein Spielball ihrer Umgebung. Und am Ende wird sie sogar die Einzige sein, die ihrem moralischen Kompass konsequent gefolgt ist. Für die Nebenfiguren konnte Reed aus einem großen Schatz österreichischer Darsteller schöpfen. Sei es die bedrohliche Ausdrucksstärke von Ernst Deutsch als Lime-Komplize „Baron“ Kurtz oder die tragikomische Figur von Annas Vermieterin (Hedwig Bleibtreu), die dem alten Glanz des Landes, der Stadt und ihres eigenen Hauses („Ein Metternich ist hier abgestiegen!“) nachtrauert. Der Star des Films, auch wenn er nur für etwa 15 Minuten im letzten Drittel zu sehen ist, ist fraglos Orson Welles. Sein Charakter ist verachtenswert. Harry Lime handelt mit verdünntem Penicillin und ist so für den Tod mehrerer Kinder verantwortlich. Major Calloways echte Empörung über diesen Mann ist also völlig korrekt. Und dann kommt Welles und spielt diesen Widerling mit so viel Verve und Extravaganz, die allem widersprechen, was wir bis dahin im niedergeschlagenen Wien gesehen haben. Und er hält eine dieser Reden, die in die Filmgeschichte eingegangen sind (und die von Welles improvisiert wurde):

„In den 30 Jahren unter den Borgias hat es in Italien nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut. Aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe. 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr.“

Dieses Plädoyer für Chaos in der Welt fühlt sich auf unheimliche Weise modern an. Es klingt wie etwas, dass der Joker aus ‚Dark Knight‘ von sich geben würde. Und natürlich ist es hier völlig eigennützig, dient Lime nur der Rechtfertigung seiner monströsen Taten. Und doch fühlen wir ein wenig mit Harry, wenn es im Finale eben nicht zu einem Duell unter Gleichen im Sonnenschein kommt, wie es wohl in Martins Büchern passieren würde, sondern ein Mann einem anderen, den er einmal verehrt hat, tief in der Kloake in den Rücken schießt.

Jetzt habe ich so viel darüber geschrieben, wie der Film aussieht, dass ich ein wichtiges Element völlig übersehen habe. Wie er klingt. Kein anderer Film klingt wie ‚Der dritte Mann‘. Carol Reed hörte in einer Gaststätte den Zitherspieler Anton Karras. Er nahm – für wienerischen Lokalkolorit – ein paar Stücke mit ihm auf, bevor er beschloss den gesamten Film mit Karras‘ Zithermusik zu unterlegen. Und diese streicht nun, wie eine Straßenkatze durch das finstere Wien, taucht an überraschenden Stellen auf, verschwindet dann länger spurlos aber lässt den Zuschauer so bald nicht wieder los. Das Harry Lime Thema hielt sich übrigens für 11 Wochen in den US-Musikcharts und verkaufte bis 1963 40 Millionen Tonträger. Nicht übel für ein Zitherstück.

‚Der dritte Mann‘ ist einer dieser Filme, die ich auch Leuten empfehle, die sonst mit alten Filmen wenig anfangen können. Das Erzähltempo ist für einen beinahe 70 Jahre alten Film erstaunlich hoch, der tiefschwarze Humor trifft immer noch und Orson Welles als cooler Mistkerl ist ohnehin zeitlos. Und nun liegt er in 4K Qualität vor. Worauf wartet Ihr denn noch?

Gestern Gesehen: Ich und Orson Welles (2008)

„Where is thy Ukulele, boy?“

„Some asshole doth stole it!“

Orson Welles revolutionierte mit ‚Caesar‘ die Art und Weise, wie Regisseure am Theater Shakespeare adaptieren, lieferte mit ‚War of the Worlds‘ eine Hörspieladaption der H.G. Wells Geschichte ab, die in Amerika zumindest für eine kleine Panik sorgte, veränderte mit ‚Citizen Kane‘ den Hollywoodfilm unwiederbringlich und feierte dann seinen 26. Geburtstag. Er war fraglos ein Genie und ein Perfektionist aber immer auch jemand, der jeden wissen lassen musste, dass er der cleverste Kerl im Raum war (man frage nur die Macher eines Werbespots für Tiefkühlerbsen aus den 70ern). Letztes Jahr wäre er 100 geworden. ‚Ich und Orson Welles‘ von Richard Linklater (Before… Trilogie, Boyhood) spielt 1937, während der Vorbereitungen zur Premiere von Welles bahnbrechender, antifaschistischen Version von Shakespeares ‚Julius Caesar‘.

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Welles und Richard

Der theaterbegeisterte 17jährige Richard (Zac Efron) begegnet vor dem Mercury Theater in New York zufällig Orson Welles (Christian McKay). Bei dieser Begegnung behauptet er die Ukulele spielen zu können und wird daraufhin für eine kleine, unbezahlte Rolle engagiert. Er muss sich im, für ihn unbekannten, Sonnensystem Mercury Theater zurechtfinden, dessen Zentrum Welles gigantisches Ego bildet. Er begegnet dabei historischen Figuren, wie Jospeh Cotten (James Tupper) und John Houseman (Eddie Marsan) aber auch fiktiven, wie Sonja Jones (Claire Danes), die fast so sehr an Richard interessiert ist, wie an einem Treffen mit Filmproduzent D.O. Selznick.

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Richard und Sonja

Sicher, nominell spielt Zac Efron die Hauptrolle des Films und das macht er auch durchaus nicht schlecht, doch lebt der Film von der brillanten Welles-Interpretation von Christian McKay. Der Schauspieler, der Welles zuvor in einem Ein-Mann-Bühnenstück verkörperte, besitzt nicht nur physische Ähnlichkeit zu Welles, die Fähigkeit seine Stimme ähnlich einzusetzen, nein es gelingt ihm auch, die schwierige Mischung aus Genie, Populist und Womanizer ebenso überzeugend, wie sympathisch herüberzubringen. Ich meine, der Welles des Films (ich weiß nicht, ob das überzeugend überliefert ist) lässt sich mit einem Krankenwagen durch die Stadt fahren, um dem Verkehr zu entgehen. Einen solchen Charakter zu spielen, ohne in die Karikatur abzugleiten, muss wahnsinnig schwierig sein, wird von Mckay aber scheinbar mühelos geleistet. Eine Darstellung, die weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient hätte! Ein Großteil des Films spielt im Inneren des Mercury, dass hier durch das sehr ähnlich gebaute Gaiety Theatre, auf der Isle of Man „dargestellt“ wird. Der Rest des New Yorks der 30er wurde, durchaus überzeugend, mittels starkem CGI Einsatz erstellt. Das hat den interessanten und sicher nicht ganz ungewollten Effekt, dass die Szenen im Theater „wahrhaftiger“ wirken als die außerhalb. Für Wellesianer von ganz besonderem Interesse dürften die 15 Minuten sein, die Linklater nach original Bühnenaufbauten und Beleuchtungsplänen des Stückes ‚Caesar‘ hier rekonstruiert. Man bekommt zumindest eine Idee, warum es das Publikum damals so mitgerissen hat.

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Welles und Sonja, oh weh!

Alles in allem bleibt Linklater seiner Maxime treu, dass es eben nicht die großen Ereignisse sind, die uns als Menschen prägen, sondern viele kleine. So ist der Film, im unausweichlichen Vergleich mit Iñárritus ‚Birdman‘ deutlich zurückhaltender und weniger aufdringlich. Das funktioniert aber durchaus zu seinem Vorteil.

FAZIT: gelungener, grundsolider Theaterfilm mit einer grandiosen Darstellerleistung von Christian McKay. Sicher nicht der beste Linklater aller Zeiten aber dennoch absolut sehenswert. Wird er bei Teenager Fangirls von Zac Efron Interesse für Orson Welles wecken, wie die Macher in einem Making-Of hoffen? Nö. Aber jeder, der ein gewisses Maß an Interesse mitbringt wird zufrieden, alle anderen zumindest gut unterhalten sein.