Ich habe auch diesmal wieder mein übliches Oscar-Ritual vollzogen: ich lag im Bett und habe geschlafen. Das mache ich seit Jahren so und es hat sich bewährt. Damit will ich nicht sagen, dass ich einer der größten Oscar Zyniker bin aber sie interessieren mich eher peripher. Ich verstehe natürlich, dass sie ein Pfund sind, mit dem die Preisträger wuchern können aber deswegen bleibe ich nicht bis in die frühen Morgenstunden auf, um „zuzusehen, wie sich Millionäre gegenseitig Goldstatuen überreichen“, wie Billy Crystal es einmal ausgedrückt hat.
Wie auch immer, ich habe mir am nächsten Morgen die Preisträger angesehen, nichts gesehen, was mich arg geärgert hätte und damit sollte die Geschichte enden. Tat sie aber leider nicht, denn jemand machte mich darauf aufmerksam, dass Tobe Hooper beim „In Memoriam“ Gedenken an im letzten Jahr verstorbene Filmschaffende nicht erwähnt wurde. Da wurde ich nun also doch noch wütend und plante für meinen Blog direkt eine laute Tirade, einen „rant“ so ausufernd, dass Kapitän Haddock um Mäßigung bitten würde, unterlegt mit .gifs von Leatherface, der die Kettensäge schwingt. Und jetzt sitze ich hier und versuche den zu schreiben aber da ist kein Zorn mehr. Es ist einfach nur traurig, dass Hooper nicht einmal nach seinem Tod den Respekt bekommt, den er verdient hätte.
Ich habe ‚Texas Chainsaw Massacre‘ zum ersten Mal so um 2012/2013 gesehen. Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel erwartet. Der Titel verrät doch was kommt: Splatter. Und das aus den 70ern, wie soll der heute nicht wirken? Knapp 90 Minuten später hatte ich sehr, sehr wenig Splatter gesehen aber dennoch das dringende Bedürfnis nach einer Dusche. ‚TCM‘ ist ein bösartiger Mistkerl von einem Film, der Dir unter die Haut kriecht und das Gefühl vermittelt die letzten anderthalb Stunden wirklich in einem kochend heißen Farmhaus voller Knochen, Häute, Verwesung und Wahnsinn an der hintersten Arschbacke von Texas verbracht zu haben. Er verlässt sich dafür voll auf seine bedrückende, teilweise fast dokumentarisch wirkende Atmosphäre. Gewaltspitzen gibt es kaum. Und doch fühlt sich der Film wahnsinnig „falsch“ an. Wie Filmkritik-Ikone Roger Ebert schrieb: „I can’t imagine why anyone would want to make a movie like this, and yet it’s well-made, well-acted, and all too effective.“ Als die britische BBFC den Film schneiden wollte, um ihm eine Freigabe geben zu können, sagte ein verzweifelter Zensor, da gäbe es nichts was man wegschneiden könne, der ganze Film sei furchtbar. 28 Sekunden entfernte er letztlich, deren Fehlen den Film nicht erträglicher machten. In Deutschland war man rabiater, da kam er bis 2011 auf den „Index“ und wurde dennoch wegen „Gewaltverherrlichung“ mehrfach beschlagnahmt.
Selbst in Nachrufen auf Hooper (die ihn fast immer nur als „den TCM-Macher“ beschrieben) war von spritzendem Blut und fliegenden Körperteilen die Rede. Dabei lebt TCM von genau dem, was Hooper im Rest seiner Karriere fast nie zeigte: Zügelung. TCM zeigt wenig aber lässt Dich zurück im Glauben den verkommensten, abartigsten Mist gesehen zu haben. Hat Hooper jemals die Qualität von TCM wiederholen können? Ich würde sagen er hat es absichtlich nie versucht. Er hat nie wieder einen Film gemacht, der TCM tonal auch nur ähnlich wäre.
Sein anderer „großer“ Film ist natürlich ‚Poltergeist‘, eine Zusammenarbeit mit Steven Spielberg als Produzent, gerade in den 80ern so etwas wie die Erhebung in den Adelsstand von Hollywood. Nach allem was man hört, hasste Hooper die Zusammenarbeit mit dem sehr involvierten Spielberg. Beide hatten sehr unterschiedliche Vorstelllungen, was einen guten Film ausmacht, beide waren nicht besonders kompromissbereit. Was zur Adelung Hoopers werden sollte, wurde beinahe zum Ende seines Ansehens. Schnell kamen Gerüchte auf, Spielberg habe eigentlich ‚Poltergeist‘ gedreht, während Hooper bekifft in der Ecke saß. Ich bin der Meinung, jeder der auch nur eine Handvoll Filme von Hooper gesehen hat, wird problemlos seine Handschrift in ‚Poltergeist‘ erkennen können.
Und dann drehte er die Fortsetzung zu TCM. Für das Billig-Studio Cannon. Nicht als Horror, sondern als Farce. Dennis Hopper als Sherriff und Leatherface liefern sich einen Kettensägen-Schwertkampf, das ist alles was man über den Film wissen muss. Er ist sehr unterhaltsam, wurde allerdings von Kritik und Publikum als Sabotage-Versuch am Monument von Hoopers eigenem Film gesehen. Was er vermutlich auch war.
Drei Oscar-Nominierungen haben Hoopers Filme erhalten. 2018 hat die Academy ihn ignoriert. Oder, schlimmer noch, vergessen. In dem Jahr, als ein Monsterfilm und sein Regisseur mit den wichtigsten Oscars geehrt wurden und ein anderer Horrorfilm den fürs beste Drehbuch bekam.
Lasst mich mit ein paar Tipps für unbekanntere Hooper-Filme schließen, damit das hier nicht zu sehr wie eine deprimierende Grabrede wirkt: ‚Brennen muss Salem‘ (1979) ist einer der wenigen Stephen King Fernseh-Zweiteiler, die heute noch sehenswert sind. Obwohl eine Fernsehproduktion, war es das höchste Budget, mit dem Hooper bis dato arbeiten konnte. Die beste Aufnahme des Zweiteilers ist für mich der Moment, wenn der von ‚Nosferatu‘ inspirierte Obervampir ins Haus der Helden eindringt und aus einem schwarzen Tuch wächst und wächst und wächst. Einer von mehreren tollen Momenten in einem etwas zu langen Zweiteiler.
In dem Jahrmarkts-Slasher ‚The Funhouse‘ (1981) machte sich Hooper über zahlreiche Klischees des Slasher-Films lustig. Da aber die Slasher Welle noch am aufsteigen war und Hooper, anders als später Wes Craven, nicht mit grell blinkenden Pfeilen auf die Klischees, die er unterwanderte hinwies, blieb der Film wenig beachtet. Ich denke dies ist, nach TCM, Hoopers mit Abstand bester Film und sein üblicher, zügelloser Stil, der sofort voll aufdreht und niemals nachlässt, funktioniert hier so gut wie nirgendwo anders. Außerdem hat der Film ein Produktionsdesign, an dem sich zahlreiche Blockbuster ’ne Scheibe abschneiden könnten.
Und dann ist da natürlich noch ‚Lifeforce‘ (1985) aus seiner Cannon-Zeit. Was kann man über ‚Lifeforce‘ sagen? In einem riesigen, phallischen Raumschiff stoßen Astronauten auf außerirdische Vampire. Auf die Erde gebracht, läuft eine ansehnliche, nackte Vampirin für den Rest des Film durch London (gejagt von Dr. Hans Fallada!) und saugt Leuten die ‚Lifeforce‘ aus. Oh und Patrick Stewart verwandelt sich in ein Pfütze. Der Film mag nicht wirklich „gut“ sein aber, meine Güte, ist er unterhaltsam!
In dem Sinne, mach’s gut Tobe und vielen Dank für die schönen Stunden und natürlich die furchtbaren!