Nach ‚J.S.A.‘, seiner Rache-Trilogie und dem, in meinen Augen unterschätzten, ‚I’m a Cyborg, but that’s okay‘, erhielt der Südkoreaner Park Chan-wook für seinen Vampirfilm ‚Durst‘ erstmals auch amerikanische Finanzierung. Bevor er ein paar Jahre später mit ‚Stoker‘ gleich direkt in den USA drehen würde. Ich muss zugeben, ich empfand ‚Durst‘ und ‚Stoker‘ damals als ich sie zum ersten Mal sah, als seine beiden schwächsten Filme, bevor ‚Die Taschendiebin‘ ein beeindruckendes Comeback war. Hat sich meine Meinung über ‚Durst‘ geändert, jetzt da ich gut zehn Jahre klüger (HA!) bin? Schauen wir mal!
Der katholische Priester Sang-hyeon (Song Kang-ho) meldet sich freiwillig für ein medizinisches Experiment zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen den tödlichen (fiktiven) Emmanuel-Virus. Während der Versuche wird er jedoch mit der unheilbaren Krankheit infiziert. Allerdings verschwinden seine Symptome plötzlich, nachdem er eine Blutinfusion erhalten hat. Auch entwickelt er alsbald erhöhte Wahrnehmung, einen Durst nach Blut und starke Lichtempfindlichkeit. Kurz, er ist zum Vampir geworden. Gleichzeitig wird er in seiner Heimat, wegen seines Überlebens der bis dahin absolut tödlichen Krankheit als Wunderheiler verehrt. Für viele Kranke soll er nun beten, darunter auch sein Jugendfreund Kang-woo (Shin Ha-kyun). Dieser überlebt seine angebliche Krebserkrankung und so geht Sang-hyeon bald in seiner Wohnung ein und aus. Schnell fühlt er sich zu Kang-woos Ehefrau Tae-joo (Kim Ok-bin) hingezogen. Diese ist das Leben mit dem kränklichen (möglicherweise hypochondrischen) Kang-woo und vor allem dessen allzu beschützerischen Mutter Frau Ra (Kim Hae-sook) mehr als leid. In Sang-hyeon sieht sie einen möglichen Ausweg. Umso mehr als sie hinter dessen Geheimnis kommt.
In gewissen Grundzügen nimmt Park hier ‚Die Taschendiebin‘ schon ein wenig vorweg. Die zentralen Themen sind Lust jeder Art und vor allem ihre Kontrolle und was diese Mischung aus Lust und Kontrolle aus Menschen macht. Anders als bei ‚Die Taschendiebin‘ ist Liebe in der Welt von ‚Durst‘ jedoch quasi nicht vorhanden. Erotische Spannung und Verführung sicherlich, doch stehen dahinter immer andere Interessen. Sang-hyeons Vampirexistenz ist eine trostlose. Sein Wille Menschen zu helfen und sein Blutdurst, inklusive wieder ausbrechender Symptome des Emmanuel-Virus sollte er zu lange kein Blut zu sich nehmen, führen ihn in einen Teufelskreis moralischer Ideale und körperlicher Bedürfnisse. Tae-joos Vampirexistenz hingegen ist eine nihilistische. Sie sieht sich jenseits jeglicher Moral, kaum dass sie zum Vampir geworden ist. Beide Wege können nur zu einem Ende führen. Doch diese Trostlosigkeit reichert Park mit jeder Menge tiefschwarzem Humor an. Sei es, dass Sang-hyeon versucht seine Erektion mit einer Flöte niederzuknüppeln, oder auf dem Boden liegend von Komapatienten trinkt, im Krankenhaus, in dem er ehrenamtlich arbeitet. Der dritte Akt ergeht sich dann in stetig absurder werdenden Blutbädern.
Park Chan-wook inszeniert dies in gewohnt elegant fotografierten Bildern. Die CGI sind zum größten Teil angemessen, nur in ‚Tiger & Dragon‘-esken Sprungeinlagen werden die Effekte teils so absurd schlecht, dass ich mich frage, ob das nicht so gewollt war. Die Szenen in denen Sang-hyeon von Visionen seines ermordeten Freundes verfolgt wird, sind jedoch nichts weniger als grandios inszeniert. Letztlich findet der Film aber, wenigstens in meinen Augen, nicht wirklich zu einer festen, erzählerischen Linie. Was als ein moralisches Dilemma beginnt, wird zu einer Verschiebung und einem Verschwimmen der typischen Verführer- und Verführten-Rollen der Vampirmythologie, um dann in einem überzogenen, wenn auch durchaus unterhaltsamen Finale zu gipfeln.
Song Kang-ho, zuletzt natürlich vor allem in Bong Joon-hos ‚Parasite‘ zu sehen, überzeugt als zerrissener Geistlicher. Fast noch besser hat mir hier aber Kim Ok-bin gefallen (zu sehen etwa in ‚The Villainess‘, auch dort wieder neben Shin Ha-kyun) als Frau, die in einer ausweglosen, unglücklichen Beziehung gefangen ist und alles tun würde, um daraus zu entkommen.
Zum Favoriten in Parks Oeuvre ist der Film für mich auch diesmal nicht geworden. Aber er hat mir dennoch deutlich besser gefallen als beim ersten Mal. Damals scheint der bitterböse schwarze Humor weitgehend an mir vorbeigegangen zu sein, so peinlich es mir auch ist das zuzugeben. Es ist interessant zu sehen, dass der Vampirfilm am Ende der 2000er mit diesem und etwa ‚So finster die Nacht‘ an einem wirklich interessanten Ort war, bevor er in den 10ern von einer nicht enden wollenden Lawine von Zombiefilmen überrollt wurde.