Halloween ist schon seit Tagen durch und ich komme verspätet auf die Idee eine Horror-Bildungslücke zu schließen. Erwartungen hatte ich keine. Ein Horrorfilm aus den 90ern, dem Jahrzehnt, dass so sehr damit beschäftigt war den Zuschauern klar zu machen, dass Horror einfach nur verdammt dämlich ist (und ja manchmal kam dabei was Gutes raus, wie ‚Scream‘), das kann ja nix werden. Großer Irrtum! Yay!
Helen Lyle (Virginia Madsen) arbeitet an ihrer Doktorarbeit über ‚Moderne Sagen‘. Zufällig hört sie vom Reinigungspersonal der Universität die Legende vom ‚Candyman‘: 30 Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg hatte ein afroamerikanischer Künstler eine Affäre mit der Tochter eines reichen Plantagen-Besitzers. Ein rassistischer Mob schnappte ihn, sägte ihm die Hand ab, mit der er malte, beschmierte ihn mit Honig aus einem nahen Bienenstock und machte launige Bemerkungen über den ‚Candyman‘ während die erzürnten Apoideen ihn zu Tode stachen. Sagt man jetzt 5 mal ‚Candyman‘ vor einem Spiegel taucht sein Geist auf und ermordet den Sprecher mit dem Haken, den er jetzt statt einer Hand trägt.
Der Mord und der spätere Spuk sollen auf dem Gelände der Sozialbausiedlung Cabrini Green stattgefunden haben, wo derzeit tatsächlich ein Serienmörder sein Unwesen treibt. Gibt’s eine Verbindung? Helen Lyle macht sich an die Untersuchung und wird mit feindseligen Gangs, verzweifelten Bewohnern und dem brutalen, oftmals rassistischen, Sozialgefälle der USA konfrontiert. Oh ja und natürlich dem Candyman (Tony Todd) selbst, einem eleganten, eloquenten und mörderischen Gentleman, der nicht weiter von Jason Vorhees und Michael Myers entfernt sein könnte.

Siehste Nicolas Cage, so geht man souverän mit Bienen um
Was für ein toller Film, elegant fotografiert, untermalt von einem – mal traumartigen mal verstörenden – Philip Glass-Score. Die leicht übertrieben 90er Blut und Gekröse Szenen wirken dabei manchmal fast störend. Der Film nimmt einerseits das alte Klischee des gotischen Monsters, der Candyman will Helens Liebe oder sie zumindest als willentliches Opfer, und versetzt es in eine hochmoderne und brisante urbane Umgebung. Andererseits nimmt er die Ängste der amerikanischen Mittelschicht auf. Die Klassengrenzen in den USA sind mehr als anderswo an die Idee der ‚Rasse‘ gebunden. Angst vor Ganggewalt bedeutet immer auch Angst vor Schwarzen oder Latinos. Und nun kommt dieser Film daher und nimmt eine der Urängste des amerikanischen Kinos mit der D. W. Griffith 1915 in ‚Birth of a Nation‘ den ersten Blockbuster ablieferte: der starke schwarze Mann macht sich an die verängstigte weiße Frau heran (bei Griffith ritt dann zur Rettung der Ku Klux Klan über den Hügel, nur um jede Frage zu Rassismus direkt zu klären).
Doch glaube ich nicht für einen Moment, dass die Macher von ‚Candyman‘ rassistische Ideen verfolgen. Schließlich sind sich weder der Zuschauer noch Helen selbst zwischendurch sicher, dass der ‚Candyman‘ nicht einfach nur ihrer Fantasie entspringt, um ihre eigenen Taten zu rechtfertigen. Es ist ein Spiel mit Ängsten und der Versuch ihre Absurdität offen zu legen, eingebettet in ein ebenso mystisches wie modernes Märchen. In bester Grimmscher Tradition, quasi.
FAZIT: Gelungener Horrorfilm aus den frühen 90ern, der klassische Ideen und Vorurteile mit modernen Mythen und einem im Horror bislang wenig genutzten Setting vermischt.
8/10 Spinnen in der Yucca-Palme (von wegen ‚Moderne Sagen‘ und so. . .)