Letztes Jahr habe ich Euch an dieser Stelle einige meiner liebsten Point & Click Gruseladventures (falls Ihr nicht wisst, was das ist, findet Ihr eine sehr kurze Erklärung dort) empfohlen. Und dieses Jahr mache ich genau da weiter, wo ich aufgehört habe, verlasse das Genre aber auch, um ein paar andere nicht ganz mainstreamige Games aus dem Grusel-Bereich vorzustellen. Fangen wir mal mit einem ganz aktuellen Spiel an.
‚The Excavation of Hob’s Barrow‘
Dieser Titel ist erst vor ein paar Wochen erschienen, entwickelt von Cloak and Dagger Games und verlegt von Dave Gilberts Wadjet Eye Games, was bereits eine gewisse Qualitätsgarantie für Retro Adventures bedeutet. Und wir haben hier einen ganz typischen Vertreter dieser Art von Spiel. In eleganter Pixelgrafik, wie sie für Adventures der frühen 90er State-of-the-Art war und die heute immer noch verdammt gut aussieht. Das Spiel ist weit weniger ambitioniert als das im letzten Jahr hier vorgestellte, von Wadjet Eye selbst entwickelte ‚Unavowed‘ mit seinen wählbaren Partymitgliedern, Wiederspielbarkeit und mehreren Enden. Es ist einfach ein klassisches Adventure, das durchaus elegant seine Story erzählt. Und es ist genau diese Story und das Flair, das sie einfängt, das dieses Spiel auszeichnet. Das Flair des typisch britischen Folk-Horrors. Der Spieler übernimmt die Rolle von Thomasina Bateman, einer jungen Frau aus gutem Hause im spätviktorianischen England. Sie erforscht Hügelgräber, ein Interesse, das sie von ihrem Vater geerbt hat, der seit 25 Jahren in einem Wachkoma liegt. Nun führt sie die Einladung eines gewissen Mr. Shoulder in das einsame Kaff Bewlay, das umgeben von kilometerweitem Heideland liegt. Hier soll es mit „Hob’s Barrow“ ein besonders interessantes Hügelgrab geben, um das sich viele lokale Legenden drehen. Doch in Bewlay angekommen, ist nicht nur Mr. Shoulder unauffindbar und die abweisende Bevölkerung will nie von einem Hob’s Barrow gehört haben, auch Thomasinas Gehilfe, der eigentlich nachkommen sollte bleibt verschwunden. All das hält sie aber nicht davon ab, sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Grabhügel zu machen.
‚The Excavation of Hob’s Barrow‘ ist kein ausdrückliches „Herbstspiel“, tatsächlich erfahren wir nie genau, wann das Spiel spielt, aber die raue Heidelandschaft, der Nebel, der Regen, all das erweckt alsbald ein wohlig-gruseliges Herbstgefühl. Die wunderbare Pixelgrafik wird immer mal wieder von ungewöhnlich realistischen Animationen unterbrochen, die auf die bestmögliche Weise unharmonisch hervorstechen und einen als Spielenden aus dem Trott holen. Die Rätsel sind in Ordnung, wenn auch insgesamt etwas leicht. Dank Questlog und Schnellreisesystem kommt man eh komfortabel durch. Aber Rätsel stehen, zumindest bis zum letzten Viertel des Spiels, gar nicht unbedingt im Vordergrund, sondern die Erzählung und Atmosphäre. Und die Charaktere. Man fühlt sich zutiefst unwohl und verwundbar in Bewlay. Nicht nur, weil man es mit Einwohnern zu tun hat, die immer noch nicht verwunden haben, dass man nun, aufgrund der Bahnlinie, mit Fremden im Dorf rechnen muss. Tatsächlich gibt einem das Spiel in Dialogen häufig die Option seine Gesprächspartner gezielt anzulügen, oder erwartet eine Entscheidung vom Spieler, eine Einladung auf einen Drink etwa anzunehmen oder eben nicht. Auf diese Weise wird das Misstrauen gegen die anderen Charaktere geschürt. Viel wichtiger aber ist, dass das Spiel diese seltsame Idee des Folk-Horrors, des Bösen in der Erde selbst, geschickt einfängt. Wenn ich was kritisieren muss, dann, dass es zum Ende hin allzu „rätselig“ wird. Da war es für mich dann zu VIEL Spiel, um seine Atmosphäre noch voll zu entfalten. Trotzdem aber bekommt man hier etwa sechs Stunden bester Unterhaltung. Erhältlich auf Steam und GOG.
‚FAITH‘
Verlassen wir mal die typischen Point & Click Gefilde und blicken auf ‚FAITH‘ von 2017, vom Entwickler Airdorf Games. Wenn ‚The Excavation of Hob’s Barrow‘ den typischen Look der Spiele der frühen 90er präsentiert, dann geht ‚Faith‘ noch gute 10 Jahre weiter zurück, in die Zeit des Atari 2600. Natürlich tut es grafisch, spielerisch und akustisch Dinge, die damals nie möglich gewesen wären, behält aber den Geist der Spiele stets im Blick. Der Spieler übernimmt die Rolle des katholischen Priesters John Ward, der ein Jahr zuvor mit einem Kollegen einen Exorzismus an einem jungen Mädchen unternehmen wollte. Das ging schief und nun will er allein die Sache zu Ende bringen. Man bewegt seinen Charakter direkt durch das abgelegene Haus der Familie Martin und die waldige Umgebung. Interaktion findet vor allem durch das Hochhalten eines Kreuzes statt. Etwas, das man dringend braucht, denn von Anfang wird man von einem seltsamen, bleichen Dämonenwesen im Wald bedroht, dass einem seltsame Verwünschungen entgegenbrüllt. Hier sind wir denn auch bei der Besonderheit des Spiels, einer merkwürdigen, aber sehr distinkten Text-To-Speech Sprachausgabe, die seltsam passend zum technischen Rest des Spiels ist und gleichzeitig ziemlich einzigartig. „WHAT I AM ABOUT TO DO HAS NOT BEEN APPROVED BY THE VATICAN!“ hat sich jedenfalls in meinen Geist gebrannt. Auch dieses Spiel wird immer wieder von sehr flüssigen Animationssequenzen unterbrochen, die gemeinsam mit der extrem groben Grafik ein durchaus verstörendes Gefühl auslösen. Das Spiel ist relativ klein und relativ kurz, will aber ob seiner multiplen Enden mehrfach gespielt werden. Und kostenlos ist es noch dazu. Tatsächlich sehe ich die Kompaktheit hier als Vorteil. Es gibt einen zweiten Teil von 2019, der deutlich größer und umfangreicher ist und nicht kostenlos ist, und den habe ich nie durchgespielt. Ansonsten ist der aber mehr vom gleichen und sicherlich nicht schlechter. Ein dritter Teil ist immer noch in Entwicklung und soll diesen Monat erscheinen. Also könnt Ihr vielleicht gleich die ganze Trilogie spielen. Das erste Spiel ist es jedenfalls allemal wert. Erhältlich auf itch.io und in den nächsten Tagen als Trilogie wohl auch auf Steam.
‚Oxenfree‘
Eine interessante und weitgehend gelungene Mischung aus Grusel und Coming-of-Age. Teenagerin Alex bringt ihren neuen Stiefbruder Jonas auf der letzten Fähre nach Edwards Island für eine Wochenendparty mit allerlei Freunden. Edwards Island hat eine bewegte Geschichte, vor allem als Militärbasis ist nun aber ein Tagesausflugsziel, mit nur einer dauerhaften Einwohnerin, der mysteriösen Maggie Adler. Neben allerlei Drama zwischen den Teenagern, müssen diese bald erfahren, dass hinter den Gerüchten, dass man auf Edwards Island seltsame Funkfrequenzen auffangen kann, deutlich mehr als erwartet steckt. Zeitschleifen, Geistererscheinungen und merkwürdige Portale werden zu wiederkehrenden Begegnungen. Die Atmosphäre würde ich hier als beinahe „Spielbergisch“ beschreiben. Es ist nicht reiner Grusel, da ist auch ein echter „Sense of wonder“ gegenüber den offenbar übernatürlichen Geschehnissen. Spielerisch ist es irgendwo zwischen einem Adventure und einem „walking simulator“. Es sind vor allem Dialogentscheidungen, die über den Fortlauf der Geschichte entscheiden. Diese wollen aber in Echtzeit gewählt werden und machen absichtlich nicht unbedingt klar, welches die guten oder schlechten sind. Dafür muss man über den Verlauf der Handlung die Charaktere verstehen lernen. Das Ende ist vielleicht ein wenig enttäuschend aber nicht annähernd genug, um das Spiel für mich zu verderben. Im Gegensatz zu den anderen Spielen versucht sich ‚Oxenfree‘ nicht in einem Retro-Stil, sondern überzeugt mit ebenso schicker wie ungewöhnlicher Aquarelloptik, die die Unsicherheit zwischen Grusel und Faszination noch unterstreicht. Offenbar wurde letztes Jahr bekannt, dass das Spiel als Fernsehserie adaptiert werden soll. Außerdem soll nächstes Jahr die Fortsetzung ‚Oxenfree II: Lost Signals‘ erscheinen. Wäre also ein guter Moment das Spiel nachzuholen. Erhältlich ist es für so ziemlich alles da draußen. Playstaion, X-Box, Switch, Android und natürlich den üblichen Verdächtigen Steam und GOG.
So, rein Point & Click technisch steht für mich nun eine neue Reise in die Karibik an, die vermutlich trotz untoter Piraten nicht allzu gruselig werden dürfte. Ich spreche natürlich von ‚Return to Monkey Island‘. Und sollte es wider erwarten doch gruselig werden, dann lest Ihr nächstes Jahr hier darüber.