‚Resolution‘ (2013)

Justin Benson und Aaron Moorhead haben sich als Praktikanten in Ridley Scotts Produktionsfirma beim Mittagessen getroffen. Und offenbar so gut verstanden, dass sie beschlossen haben einen Film zusammen zu drehen. Da niemand irgendein Interesse daran hatte, ihnen den zu finanzieren, taten sie das, was vermutlich hunderte, wenn nicht tausende Filmemacher ohne Geld und ohne viel Erfahrung getan haben. Ihren Film quasi ohne Budget in einer halbverfallenen Hütte irgendwo in der Pampa zu drehen. Das mildert den Ressourcenmangel erheblich. Doch weil schon so viele zuvor diesen Ansatz probiert haben und nur sehr selten mal ein ‚Evil Dead‘ dabei herauskommt, brauchte es einen neuen, interessanten Ansatz. Warum nicht das Offensichtliche der Idee in den Mittelpunkt stellen und einen meta-Film um typische Horror- und Indiefilmklischees drehen?

Grafikdesigner Michael (Peter Cilella) erhält eine verstörende Mail von seinem besten Freund aus Schulzeiten, Chris (Vinny Curran). In einem anhängenden Video ist zu sehen, wie der stets von Drogenproblemen geplagte Mann sich offenbar in eine abgelegene Hütte zurückgezogen hat, abwechselnd an seiner Crackpfeife zieht und wild um sich ballert. Eine Wegbeschreibung liegt ebenfalls bei. Da sich Chris bislang jeglicher Entziehungskur verweigert hat, fasst Michael einen Wahnsinnsplan. Er besucht Chris, überwältigt ihn mit einem Elektroschocker und kettet ihn an die Wand seiner Hütte. Eine Woche soll er dort bleiben, in der Hoffnung dieser kalte Entzug würde ihm helfen. Doch bei aller Abgelegenheit sind sie nicht wirklich allein und die meisten Leute der Gegend sind ihnen nicht wohlgesonnen. Da sind Chris‘ ehemalige Dealerkumpanen, die ihren Stoff zurückhaben wollen. Da ist Charles (Zahn McClarnon), ein Mitglied der örtlichen Tribal Police, denn die Hütte befindet sich auf einem Reservat. Und eine merkwürdige UFO-Sekte (samt Cameo Auftritt von Benson und Moorhead als Mitgliedern). Doch das Seltsamste sind wohl die Fotos, Dias und Filme, die Michael nicht nur im umliegenden Gelände, sondern bald auch in der Hütte selbst findet. Sie zeigen Bilder unbekannter Menschen in oft üblen Situationen, sowohl im Umland als auch in der Hütte. Dazu kommt, dass Chris bestreitet Michael je eine Email geschickt zu haben. Was ziemlich glaubhaft ist, in Anbetracht der Tatsache, dass er weder Internetanschluß noch ein entsprechendes Gerät besitzt.

‚Resolution‘ ist ein roher Film. Das ist gleichzeitig seine Stärke und seine Schwäche. Da ist das zentrale Konzept des erzwungenen, kalten Entzugs. Vinny Curran sieht nicht aus, wie ein Crack- (oder Meth, beide Drogen werden erwähnt) Abhängiger im Endstadium. Geld für eine entsprechende Maske war nicht da und natürlich sollte man nicht erwarten, dass der Darsteller für die paar Dollar, die er vermutlich bekommen hat, extrem abnimmt. Der Film überspielt das, indem erwähnt wird, dass Chris früher stark übergewichtig war und dementsprechend sehr abgenommen hat. Letztendlich rettet es aber Curran selbst, der den Charakter extrem glaubwürdig gibt. Dass die Idee des Entzugs eine dumme ist, das weiß der Film selbst. Das weiß sogar Michael selbst, der seine Frau darüber anlügt, warum er bei Chris ist. Benson hat später offen eingestanden, dass die Recherche zum Thema Entzug damals quasi aus einer Google-Suche bestand. Aber wir als Zuschauer glauben die Beziehung der beiden Hauptcharaktere. Ihre Frustrationen miteinander aber auch ihre Freundschaft zueinander, die sie letztlich an diesen extrem seltsamen Ort geführt hat.

Auch handwerklich ist der Film roh. Kameramann Moorhead gelingen zwar immer wieder atmosphärische und verstörende Aufnahmen, allerdings lässt der Film eine kohärente Bildsprache vermissen. Das kann aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass es sich quasi um einen Found Footage Film handelt. Denn bereits in ihrem nächsten Film ‚Spring‘ sind beide visuell absolut sicher im Sattel. Zur gewollten Rohheit des Films trägt auch die Tatsache bei, dass es keinerlei Soundtrack gibt.

Zur Stärke wird es, weil die Wildheit der zentralen Idee dafür sorgt, dass wir als Zuschauer erst ähnlich spät wie die Protagonisten merken, wie sonderbar, unangenehm und befremdlich die Situation der Charaktere eigentlich ist. Das Seltsame rutscht fast unbemerkt in den Film und plötzlich beginnen wir Fragen zu stellen, die über die eigentliche Handlung hinausgehen. Was geht vor? Und warum? Und in wessen Interesse? Und wer steht eigentlich hinter der Kamera? Das gelingt nicht vielen Filmen.

Der Film entzieht sich dabei sämtlichen Jumpscares und weitgehend extremen Gore Effekten oder ähnlichem. Das Unheimliche des Films sitzt tiefer und verstört gelegentlich ernsthaft. Es ist der Grusel der Idee, nach dem Aufwachen in der eigenen Wohnung ein Polaroidfoto eines völlig Fremden auf dem Küchentisch zu finden. Auf die offensichtliche Frage „wer ist das?“ folgen sehr schnell Fragen, die sich als dringender herausstellen. Fragen wie „wie kommt das hierher?“ und „wer hat es hier hingelegt und warum?“. Aber Benson und Moorhead sind definitiv auch von der Idee des Fotos selbst fasziniert. Vom abbildenden Medium an sich, das tatsächlich aus Menschen Geister machen kann. Dass sie mit Licht auf einen Datenträger bannt, auf dem sie noch lange nach ihrem Tod zu finden sein können.

Das alles wird zum Glück nicht mit dem ernsthaften Philosophieren eines frischen Filmschulabgängers erzählt, sondern durchaus spannend und mit gelegentlichem Humor. Vor allem aber um zwei Charaktere herum gestrickt, die man glaubt, was sehr viel hilft.

Eine Kritik, die ich gelegentlich über den Film lese ist, dass er frustrierend und im Mittelteil langweilig sei. Eine gute Stunde stimmungsvoller Spannungsaufbau, in der aber eben nicht viel passiert. Das Letzte ist durchaus richtig. Es passiert in der Tat nicht viel und das ist auch genau so gewollt und eine gewisse Frustration soll es auch auslösen und löst es auch innerhalb des Films aus (ohne zu viel zu verraten). Doch habe ich das nie als langweilig empfunden, eben weil der Film stimmungsvoll genug ist und ich die (extrem fehlerbehafteten) Charaktere durchaus mochte. Nun muss ich einen Vergleich ziehen. Einen Vergleich, den quasi jede Besprechung des Films zieht. Ein Vergleich, der aber auch in gewisser Weise automatisch ein Spoiler ist. Falls ich also Euer Interesse geweckt habe und Ihr möglichst unvorbereitet an den Film herangehen wollt solltet Ihr genau hier aufhören zu lesen. Ihr seid gewarnt!

Fluch und Segen des Films war fraglos das zeitnahe Erscheinen von ‚Cabin in the Woods‘. Fluch deswegen, weil es nicht eben hilft, wenn ein Film mit dem ca. 1500-fachen Budget und damit verbundenem Mainstreamappeal jegliches Publikum abgräbt. Gleichzeitig aber auch Segen, weil in Kritiken oft genug ein Vergleich beider Filme gezogen wurde und Benson und Moorheads „Lo-Fi“ Variante hier meist deutlich gelobt wurde. In meinen Augen sind beide Filme, trotz thematischer Ähnlichkeiten, allzu unterschiedlich um ernsthaft verglichen zu werden. Das 1500fache Budget war kein Scherz (ca. 20.000 Dollar vs. 30 Millionen). Allein das macht einen direkten Vergleich schon fast witzlos. Mit dem Budget des einen, hätte man am Set des anderen einen Tag lang das Catering bezahlen können.

Vor allem aber haben sich die beiden jungen Filmemacher gleich mit diesem Erstling als hochoriginelle Erzähler etabliert, die mit ihrem Film durchaus mehr wollen, als Horrorklischees vorzuführen. Stattdessen werfen sie einen durchaus neugierigen Blick auf das Medium, in dem sie arbeiten wollen. Unter hunderten Hütten im Wald Filmen sticht er also verdient hervor.

Nächste Woche spreche ich über die lose Fortsetzung von ‚Resolution‘ ‚The Endless‘. Wer bis dahin über ‚Spring‘ den chronologisch nächsten Film von Benson und Moorhead lesen möchte, kann das hier tun.