‚Ghostbusters II‘ (1989) – „The Titanic just arrived!“

„We’re doing a sequel
That’s what we do in Hollywood
And everybody knows that
The sequel’s never quite as good“

– ‚Muppets Most Wanted‘

‚Ghostbusters II‘ gehört in die Riege der wenig geliebten Fortsetzungen, die die Muppets im obigen Song offensichtlich aufs Korn genommen haben. Wenig wirklich Neues hat der Film zu sagen, seine einzige Existenzberechtigung scheint der Erfolg des ersten Films zu sein. Und warum kam er überhaupt so spät (die Antwort darauf gibt’s demnächst)? Die überbordende Motivation aller Beteiligten ist spürbar nicht mehr vorhanden. Aber ist es deshalb ein schlechter Film? Ich versuche die Fanboy-Brille mal von der Nase zu nehmen.

Fünf Jahre nach dem Kampf gegen Gozer. Den ‚Ghostbusters‘ wurde die Schuld für die Zerstörung in New York gegeben und ihnen gerichtlich verboten, weiterhin Geister zu jagen. Ray (Dan Aykroyd) und Winston (Ernie Hudson) betreiben einen Partyservice, wo sie kleine Kinder als Geisterjäger bespaßen. Egon (Harold Ramis) ist in die Wissenschaft zurückgekehrt. Peter (Bill Murray) ist Gastgeber einer Talkshow, in der er sich über die paranormalen Erlebnisse seiner Gäste lustig macht. Doch als eine unsichtbare Kraft versucht Dana Barrets (Sigourney Weaver) Baby Oscar (in der dt. Fassung Donald) zu entführen, kommt das alte Team wieder zusammen. Bei Nachforschungen entdecken sie einen gigantischen Schleimfluss unter New York. Lösen aber auch einen Stromausfall aus und landen vor Gericht. Zum Glück tauchen genau im richtigen Moment die Geister zweier hingerichteter Gangster im Gerichtsaal auf und die ‚Ghostbusters‘ sind back in business. Gerade noch rechtzeitig, denn im Museum, in dem Dana arbeitet, versucht der mittelalterliche Magier Vigo (Wilhelm von Homburg/ Stimme im Original von Max von Sydow) in die Welt zurückzukehren. Dafür benötigt er Oscar/Donald und er hat bereits Danas Chef Janosz Poha (Peter MacNicol) zu seinem willenlosen Handlanger gemacht. Und die einzige Rettung scheint fast unmöglich: New Yorks Bewohner müssten wenigstens für ein paar Minuten freundlich zueinander sein.

Es ist schon auffällig, wie sehr der Film versucht exakt den Fußstapfen des ersten Films zu folgen. Peter, Egon und Ray sind am Anfang keine Geisterjäger und, von einem Kurzauftritt abgesehen, kommt Winston erst später in der Handlung dazu, weil das im ersten Film auch so war. Dana ist jetzt Restauratorin statt Musikerin, Louis ist Anwalt statt Steuerberater. Auch steht er nicht mehr auf Dana. Und Janine steht nicht mehr auf Egon. Stattdessen stehen beide aufeinander. Dana und Peters Beziehung ist gescheitert, sie stehen wieder genau da, wo sie am Anfang des ersten Films waren. Als Gegenspieler gibt es statt des Unsympathen Walther Peck, irgendeinen blassen Berater des Bürgermeisters, der nicht mal einen Namen bekommt. Und statt eines interdimensionalen Gottwesens ist der große Widersacher ein toter moldawischer Kriegsfürst und Schwarzmagier. Und diesmal trampeln die Geisterjäger im Finale in riesiger Gestalt durch New York.

Dabei folgt der Film auf den ersten Blick konventionellen Erzählmechaniken deutlich besser als sein Vorgänger. Vigo wird früh im Film etabliert, bekommt mit Janosz einen Handlanger, der immer wieder ins Geschehen eingreift. Peter Venkman macht eine echte Charakterentwicklung durch, wenn er später im Film Verantwortung für Oscar übernimmt und seine typisch zynische Haltung ablegt. Und dennoch fehlt der ganzen Erzählung die Verve des ersten Teils, die Begeisterung hier etwas echt Neues, echt Aufregendes mitzubringen.

Sicherlich nicht hilfreich ist die Tatsache, dass man Bill Murray fast zu jeder Sekunde anmerkt, dass er nicht da sein möchte. Wenn Dana sich an Egon um Hilfe wendet, dann ist das eine wirklich lustige Szene und Ramis holt alles raus, was es rauszuholen gibt. Wenn er etwa Dana sagt, dass Peter nie an sie gedacht habe und er unauffällig ihre Reaktion mit seinem „Launemessgerät“ aufzeichnet. Dann wechselt die Szene zu Peters TV-Show und alle Luft entweicht aus dem Film wie aus einem löchrigen Ballon. Herrje, in der Szene, in der sein Bruder Brian Doyle-Murray einen Nervenarzt nach der Einweisung der Geisterjäger spielt, hebt er nicht einmal seinen Kopf vom Tisch. Dazu kommen die vom Studio aufoktroyierten Szenen mit Slimer, weil die Zeichentrickserie so erfolgreich war. Genaugenommen ist es zweimal dieselbe Szene. Louis Tully geht irgendwohin und plötzlich ist da Slimer. Schwarzblende. Das führt nirgendwohin und bremst den Film vollkommen sinnlos aus.

Das Finale fliegt in meinen Augen völlig auf die Nase. Ab dem Moment, wenn die Geisterjäger die Freiheitsstatue mit einem NES Controller durch New York lenken, verschwindet jedes Interesse, das ich bis dahin hatte. Vigo stellt sich denn auch als keine große Herausforderung heraus und mir ist bis zum Schluss nicht klar, ob er nun für den Schleim verantwortlich war, oder der Schleim zufällig auftrat und ihm eine Chance zur Widergeburt gab. Ist wohl auch egal.

Und die Musik? Bernstein ist durch Randy Edelman ersetzt, der alles etwas heroischer klingen lässt, was wenigstens für mich nicht funktioniert. Die Variante des ‚Ghostbusters‘ Themes von Run-DMC ist sicher nicht besser als das Original, der Bobby Brown Song „On Our Own“ geht in ein Ohr rein und aus dem anderen direkt wieder raus. Das Einzige was hängen bleibt ist natürlich Jackie Wilsons wunderbares „Lifting Me Higher“ und der Wunsch nach einem tanzenden Toaster.

ABER (<- großes aber), auch wenn das jetzt nicht so klingt, ich mag den Film doch ganz gern. Es ist eben mehr Ghostbusters und das ist per se schon mal nicht verkehrt. Und es gibt halt die Szenen, die ganz großartig funktionieren. Etwa alles im Gerichtssaal, von Louis Tullys sinnloser Verteidigung („One time, I turned into a dog, and these guys helped me!“), über den Zornesausbruch des Richters, „do-re-Egooon“ und einfach beim Einfangen der Scoleris („I gave em the chaaair!“) zuzusehen. Murrays Bummelstreik hat den schönen Nebeneffekt, dass die anderen Geisterjäger mehr Raum bekommen und wir ein bisschen mehr Interaktion zwischen ihnen sehen. Und alle tragen ihre Charaktere nach-wie-vor als wären sie speziell für sie gefertigte Handschuhe. Selbst Ernie Hudson bekommt endlich mal Raum zu glänzen. Seine Reaktion auf Egons Frage, ob er die Registrierungsnummer der Lok gesehen habe, nachdem ihn ein Geisterzug überfahren hat („I… must have missed it…“) lässt mich schon beim dran denken grinsen. Janine und Louis Tully bekommen ebenfalls unterhaltsame gemeinsame Szenen. Peter MacNicol hängt sich voll in seine Rolle rein und wenn Janosz als bösartige Bizarro-Mary Poppins Oscar/Donald entführt, dann ist das eine der ikonischeren Szenen des Films. Auch dass einige Szenen ein bisschen mehr auf Horror gedreht sind, gefällt mir heute eigentlich ganz gut. Ich kann mich allerdings erinnern, dass es mich als Steppke etwas mitgenommen hat, als die Geisterjäger auf die aufgespießten Köpfe im U-Bahn-Tunnel treffen.

Ja, es stimmt, ‚Ghostbusters II‘ könnte als Sinnbild des einfallslosen Sequels aufgeführt werden. Aber dennoch ist da, zumindest für mich, mehr als genug drin um einen unterhaltsamen Abend zu gewährleisten. Ja man ruht sich auf Konzepten aus, ja man muss den Erfolg des Franchises irgendwie in den Film biegen, ja das finanziell klamme Columbia war auf Sicherheit angewiesen. Und ja, ‚Batman‘ hat dennoch mit dem Film den Boden aufgewischt. Und ich mag ihn halt trotzdem. Bis auf die letzten 20 Minuten. Habe ich nun erfolgreich die Fanboy-Brille angenommen? Ich bin mir ehrlich gesagt selbst nicht sicher…

‚Ghostbusters‘ (1984) – „Tell him about the Twinkie!“

Ich gebe zu, das Schreiben dieser Rezension hat mich ein wenig ratlos hinterlassen. Hintergründe und anderes habe ich für den ‚Ghostbusters‘-Monat ja schon recht großzügig auf andere Artikel verteilt. Und dass mir der Film gefällt, das macht vermutlich allein schon die Existenz des ‚Ghostbusters‘-Monats deutlich. Was also soll ich hier schreiben? Darauf hinweisen, dass der Film nicht nur brillante Dialoge, vorgetragen von wunderbar auf einander abgestimmten Charakteren hat, sondern auch Hintergrundgags, die man erst beim x-ten Anschauen entdeckt? Ich habe etwa bei der Sichtung für diesen Text das erste Mal gesehen, dass das Zimmermädchen im Sedgwick Hotel versucht ihren von den Geisterjägern übereifrig in Brand gesetzten Wagen mit ihrer Glasreinigersprühflasche zu löschen. Ich könnte erzählen, wie ich ihn das erste Mal auf einem winzigen Fernseher von einer abgenudelten VHS in den späten 80ern gesehen habe und wie er mich von der ersten Sekunde in der Bücherei gefangen genommen hat. Oder ich könnte ein wenig in die Interpretation einsteigen und die viel besprochene Frage, was eigentlich das Thema von ‚Ghostbusters‘ ist, betrachten. Machen wir das doch, oder? Zunächst einmal eine kleine Zusammenfassung, obwohl vermutlich fast jeder der das liest den Film kennt.

Die Wissenschaftler Dr. Ray Stantz (Dan Aykroyd) und Dr. Egon Spengler (Harold Ramis), sowie der irgendwo zwischen Wissenschaft und Hochstapelei pendelende Dr. Peter Venkman (Bill Murray) werden aufgrund ihrer unorthodoxen Forschung von ihrer Uni vor die Tür gesetzt. Zum Glück haben Ray und Egon gerade eine Möglichkeit gefunden geisterhafte Erscheinungen einzufangen und festzuhalten. Eine Begegnung in der New York Library hat zudem alle Zweifel der Wissenschaftler über die Existenz von Geistern ausgeräumt. Also, meint Peter, warum das Geisterjagen nicht professionell anbieten? Einen gigantischen Kredit (in Rays Namen) für den Kauf einer alten Feuerwache und das Anheuern von Janine Melnitz (Annie Potts) als Sekretärin später, fehlen bloß noch die Aufträge. Musikerin Dana Barett (Sigourney Weaver) ist zwar sicher, in ihrem Kühlschrank einen andersweltlichen Tempel und ein Wesen namens Zuul gesehen zu haben, allerdings ist Venkman eher an Dana als ihrem Problem interessiert. Der Durchbruch kommt, als die Ghostbusters publikumswirksam einen Geist im vornehmen Sedgwick Hotel fangen. Plötzlich können sie sich vor Aufträgen kaum retten und stellen Winston Zeddemore (Ernie Hudson) als vierte Hand an. Allerdings war Peters nachlässiger Umgang mit Danas Erlebnis ein Fehler. Sie und ihr Nachbar Louis Tully (Rick Moranis) sehen sich alsbald von Dienerkreaturen des Gottes Gozer besessen. Und spätestens als Walther Peck (William Atherton) von der Umweltbehörde die Anlage der Geisterjäger stilllegen will, weil er mit dem Betrieb mehrerer unlizenzierter Atomreaktoren in einem Wohngebiet nicht einverstanden ist, steht der Weltuntergang quasi direkt vor der Tür, während die Geisterjäger ins Gefängnis wandern.

Also, worum geht es in ‚Ghostbusters‘? Um vier Kerle, die Geister jagen und am Ende einen hethitischen Gott in Form eines gigantischen Markenmaskottchens besiegen, natürlich. Aber jetzt mal rein thematisch gesprochen. Und da wird es schwierig. Schauen wir uns die Charakterentwicklung an, dann stellen wir fest, es gibt quasi keine. Alle Charaktere treten vollentwickelt in den Film und verlassen ihn exakt wie sie hereingekommen sind. Typische Charakterbögen, von Kleinigkeiten, wie das Dana Peter am Ende lieber mag als am Anfang abgesehen, gibt es nicht. Es ist keine Heldengeschichte. Peter lernt keine Verantwortung zu übernehmen, Egon bleibt ein völlig verkopfter Stoiker, Ray ein kindlich-naives Genie. Höchstens bei Winston könnte man argumentieren, er wird von jemandem, der nur am Gehaltsscheck interessiert ist („If there is a steady paycheck in it, I believe everything you say!“) zu jemandem, der für seine neuen Freunde sein Leben riskiert.

Also helfen uns die Charaktere bei der Suche nach einem Thema wenig. Geisterjagen mit wissenschaftlichen Methoden. Hm. Geht es also um den Konflikt zwischen Glauben und Wissenschaft? Nö. Keiner der Geisterjäger hat ein Problem mit Glauben, im Gegenteil, sie geben sich sogar als ganz besonders glaubenswillig („We are ready to believe you!“). Winston macht aus seinem Glauben an Gott kein Geheimnis, selbst Peter scheint organisierter Religion gegenüber positiv eingestellt („Nobody steps on a church in my town!“). Das fällt als Thema also eher flach.

Ist es das in den 80ern so beliebte Thema „Slobs vs. Snobs“, in dem Leute aus der Unterschicht, den arroganten Schnöseln mal zeigen wo der Hammer hängt? Nicht wirklich. Peck/der Bürgermeister/der Manager des Sedgwick mögen ein Snobs sein, aber die Ghostbusters sind keine Slobs, drei von ihnen sind Akademiker und sie machen gutes Geld.

Ist der Film also doch die vielzitierte Ronald Reagan-Propaganda, die wissenschaftliche Arbeit als ziellose Geldverschwendung darstellt, die Regierung in Form der Umweltbehörde und des Bürgermeisters als kurzsichtige, letztlich nutzlose Institutionen, die den eigentlichen Problemlösern der freien Wirtschaft, sprich den Geisterjägern, nur im Weg stehen. Ein Hoch auf den freien Markt und die Flut, die alle Boote hebt. Regisseur Ivan Reitman macht kein Geheimnis daraus, dass er das genauso verstanden wissen will. Tja, diese Interpretation hat nur das kleine Problem, dass sie das zentrale Motiv der Geister direkt mal komplett außen vorlässt. Doof bei einem Film der ‚Ghostbusters‘ heißt. Finde ich jedenfalls.

In den letzten Jahren ist stattdessen zur allgemeinen Lesart geworden, dass es in ‚Ghostbusters‘ um „nichts“ gehe. Dass er einer dieser seltenen Filme ist, die sehr gut und sehr unterhaltsam sind, aber der kein definierbares zentrales Thema haben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit bin, das zu akzeptieren.  Was folgt ist meine Interpretation, die keinerlei Anspruch auf endgültige Korrektheit mitbringt. Sie stammt bloß von jemandem, der diesen Film viel zu oft gesehen hat.

Geld ist ohne Frage ein zentrales Thema des Films. Die ‚Ghostbusters‘ werden nur zu den ‚Ghostbusters‘, weil die Uni ihnen ihre Gelder streicht. Und wenn wir über Geld reden, dann wird Peter Venkman schnell zur zentralen Figur. Er ist es der Ray dazu bringt eine gigantische Hypothek auf sein Elternhaus aufzunehmen und nicht einmal über die Zinsen verhandelt. Er ist es der den grotesken Preis für die Geisterjagd im Sedgwick aushandelt (wobei Egon ihn mit Handzeichen höher und höher treibt). Er ist es auch, der mit den Angestellten umgeht. Janine beschwert sich, dass sie lange Wochen durchgearbeitet habe und nun endlich ihren versprochenen freien Tag möchte. Peter droht ihr unverhohlen mit Kündigung. Auch verlangt er sinnlose Arbeit von ihr, wenn nichts zu tun ist („Type something, will you? We pay you for this stuff!“). Der einzige Grund, warum wir Venkman mögen ist, dass er vom wandelnden Sympathiebonus Bill Murray verkörpert wird. Aus einem Nebensatz erfahren wir, dass Winston nicht einmal 1000 Dollar im Monat bekommt (11.500 pro Jahr) für einen Job bei dem er regelmäßig Gesundheit und Leben aufs Spiel setzt. Und von einer Firma, die für einen erfolgreich ausgeführten Auftrag Mondpreise verlangt („No job ist too big! No fee is too big!“). Ist das nicht schon fast ein bisschen zu zynisch für ein Hohelied auf diese Geschäftspolitik?

Wie passen nun die Geister in dieses Bild? Es ist erst der zweite Film, der tatsächlich ausformuliert was die Geister sind: Manifestationen negativer Emotionen. Doch ich denke, wir können diese These auch schon für diesen Film annehmen. Schließlich braucht selbst Gozer einen Moment menschlicher Kreativität um sich in der Welt manifestieren zu können („CHOOSE THE FORM OF THE DESTRUCTOR!“). Was sind dann die anderen Geister? Nun, es sind vor allem zwei, die wir sehen. Da ist zum einen der Bibliotheksgeist. Der Bibliotheksgeist hat auch im Tode nur einen Wunsch, dass die Leser endlich einmal ruhig sind, wie es sich in der Bibliothek gehört. Und dann ist da Slimer, aus dem Sedgwick. Der Alptraum eines jeden Hotelangestellten, ist er die Reinform des konsumierenden, verschmutzenden, zerstörenden, rundum rücksichtslosen Gastes. Kurz, die Geister sind die Manifestationen der Frustrationen typischer Angestellter, vermutlich ebenso schlecht bezahlter Angestellter wie die der Ghostbusters.

Die Beseitigung dieser ektoplasmatischen Manifestationen, die die jeweiligen Institutionen teuer bezahlen, wäre somit aber nur eine Beseitigung der Symptome, nicht der Probleme. Ja es wäre sogar gänzlich falsch, Geld in ihre Entfernung zu stecken, anstatt dieses Geld zu nutzen, um die Angestellten von vornherein besser zu behandeln. Andererseits wären die Ghostbusters an der Beseitigung des Problems gar nicht interessiert, denn ohne die Frustration gäbe es ja keine Geister und kein Geld mehr für sie zu verdienen.

Doch halt, einen entscheidenden Geist haben wir noch vergessen! Den Marshmallow Mann. Die endgültige Manifestation des Zerstörers. Und der ist eben genau keine Manifestation einer Frustration, sondern das „Unschuldigste“, woran Ray Stantz denken konnte. Mr. Stay Puft, ein kapitalistisches Markenmaskottchen, ist der ultimative Zerstörer…

Ich behaupte also, der Film ist unter dem oberflächlichen Mäntelchen typischer Reaganschen Business-Ideen der 80er eigentlich eine gar nicht so subtile und recht scharfe Satire auf sie, wenn man das zentrale Element der Geister in die Interpretation mit einbezieht. Wobei ich zugeben muss, dass mir eine halbwegs kritische Analyse eines Films, der seit derart langer Zeit direkt mit den Belohnungszentren meines Hirns verdrahtet ist, äußerst schwer fällt.

Egal wie man den Film nun interpretieren möchte, fraglos bleibt, dass er, in meinen Augen, eine kaum kaputtzukriegende Komödie ist, mit einem Thema, das auch für einen ernsteren Film gut funktionieren würde. Das Grundmodell eines Teams, deren Charaktere bereits ausgeformt sind und nun unterhaltsam miteinander agieren, ist sogar ein hochaktuelles. In der derzeitigen Beliebtheit der cinematischen Universen folgt früher oder später der Teamfilm (‚Avengers‘, ‚Justice League‘) und dort treffen dann automatisch fertig in ihren eigenen Filmen ausgeformte Charaktere aufeinander. Und dafür liefert Ghostbusters ein annähernd ideales, wenn auch in meinen Augen selten erreichtes  Modell. Was interessant ist, wurde doch schon von kontemporären Kritikern in ‚Ghostbusters‘ eine Art Superheldenfilm gesehen.

Natürlich könnte man ‚Ghostbsuters‘ auch durch die Linse des New York Filmes betrachten, oder als kosmischen Horror (dazu demnächst mehr), oder einen von zahllosen anderen Ansätzen wählen, denn ob es nun ein zentrales Thema hat oder nicht, dass Drehbuch hat mehr Schichten als der durchschnittliche Zwiebelgeist.

‚Attack The Block‘ (2011)

Joe Cornish hat aber auch kein Glück. Oftmals Ko-Autor von Edgar Wright, hatte er 2011 die Chance seinen eigenen Film zu verwirklichen.  Heraus kam ‚Attack The Block‘, über den wir heute sprechen wollen, und der wurde ein Flop. Unverdient, aber dazu später mehr. Danach sollte es acht Jahre dauern, bis er mit ‚Wenn du König wärst‘, einer kindlichen, kontemporären Version des König Artus Mythos, eine weitere Chance bekam. Der Film floppte auch. Den habe ich noch nicht gesehen, aber wenn er annähernd so gut wie ‚Attack The Block‘ ist, dann wäre das wirklich tragisch. Heute erinnert man sich an ‚Attack The Block‘ meist nur als den ersten Film von John „Finn aus ‚Star Wars‘“ Boyega. Und vielleicht den Film, in dem Jodie Whittaker eine Krankenschwester war, bevor sie zum 13. ‚Doctor Who‘ wurde. Dabei steckt so viel mehr drin.

In der „Guy Fawkes“-Nacht wird Krankenschwester Sam (Whittaker) in der Nähe des heruntergekommenen Sozialwohnungsblocks, in dem sie lebt, von einer Bande Halbstarker um Anführer Moses (Boyega) überfallen und beraubt. Die Jugendlichen werden abgelenkt, als ein Meteor ein nahes Auto trifft. Aus dem Auto springt ein etwa hundegroßes Alien. Die Jungs verfolgen es, treiben es in die Enge und töten es. Alsbald zeigen sie es stolz im Block, wo auch sie wohnen, herum. Sie wollen es in Drogendealer Rons (Nick Frost) Cannabisfarm in Sicherheit bringen, um es – irgendwie – zu Geld zu machen. Dich Nacht nimmt für die Gang eine mehr als unangenehme Wende, als nicht nur mehr Meteoriten voll deutlich größerer Aliens, die den Mord an ihrem Artgenossen reichlich übel nehmen, niedergehen, sondern sie auch noch auf die schlechte Seite von Rons Gangsterboss geraten. Auch ein erneutes Zusammentreffen mit Sam verläuft nicht eben freundschaftlich.

Da Cornish und Wright Freunde und Kollegen sind, wird sich ein Vergleich zwischen ‚Attack The Block‘ und ‚Shaun Of The Dead‘ kaum vermeiden lassen. Tatsächlich verlassen sich beide auf eine Mischung aus Action, Horror und Humor (und Nick Frost ist in beiden…). Allerdings kommt der Humor in Cornishs Film deutlich sparsamer zum Einsatz. Begegnungen mit den Aliens sind nie komisch, sondern immer bedrohlich. Der Humor entsteht einzig aus Dialogen und bizarren Situationen. Allerdings mengt Cornish seinem Film noch einen sozialen Kommentar über die Lebenssituation im Londoner Süden bei, die den Film an einen anderen, deutlich erfolgreicheren Debütfilm erinnern lässt: Blomkamps ‚District 9‘.

Die Action und den Horror hingegen inszeniert Cornish so flott, so gekonnt, dass man wahrlich jeden Penny der acht Millionen Pfund Budget, wenn nicht sogar mehr, im Film sieht. Nicht unerwähnt bleiben dürfen dabei die großartigen Aliens, die eine wunderbare Synthese aus praktischen und digitalen Tricks darstellen. In ihrer grundsätzlichen Form irgendwo zwischen Hyäne und Gorilla durchaus nachvollziehbar und von Kreaturendarstellern am Set auch als solche verkörpert. In der Postproduction wurde dann aber ihr borstiges Fell schwärzer als schwarz, geradezu lichtschluckend gemacht. Ein Effekt der sie merkwürdig zweidimensional und in der Tiefe des Raums kaum einschätzbar macht. Diese Zweidimensionalität wird in dem Moment gebrochen, wenn sie ihre Kiefer voll bioluminiszenter Zahnreihen öffnen und plötzlich eine erschreckende Tiefe bekommen. Das ist genau mein Ding, mit relativ einfachen Mitteln wird ein unvergesslicher Effekt erzeugt. Und es führt die hunderte von Filmen mit deutlich mehr Geld vor, deren Aliens letztlich immer wieder eine lahmere Version von Gigers Xenomorph sind.

Die Art wie Cornish den Ort seines fiktiven Blocks, den „Wyndham Towers“, benannt nach „Day of the Triffids“ Autor David Wyndham, ausdefiniert und die so entwickelte Fläche dann für kreative Verfolgungsszenen nutzt, erinnert weniger an einen Erstling, als an einen routinierten Regisseur. Und auch wenn der Film in seinem Aufbau einiges Filmen aus den 80ern verdankt, verliert er sich doch nie in Anspielungen und Reminiszenzen.

Doch nicht ganz zufällig ist der Film vor allem als Star-Macher in Erinnerung. Moses ist eine interessante Rolle. Cornish hat ihn als exakte Antithese zum damals in Großbritannien beliebten „Hoodie Horror“, der Kapuzenpullis tragende Jugendliche aus Armenvierteln geradezu zu Monstern stilisierte, entwickelt. Moses ist clever, stark und loyal. Er tut sich nur sehr schwer damit zu verstehen, dass sein Handeln Konsequenzen hat. Nicht nur für ihn. Boyega liefert eine geradezu magnetische Darstellung ab, die es fast unmöglich macht, auf irgendetwas anderes als ihn zu achten. Es ist ein derart starkes Debüt, dass es nicht verwundert, dass er zum Star wurde. Eher verwundert es, wie stiefmütterlich ihn ‚Star Wars‘ behandelt hat. Aber das ist ein anderes Thema. Jodie Whittaker verkörpert mit Sam eine Frau, die ihre Nachbarn als Feinde wahrnimmt und sich in dieser Einschätzung am Anfang des Films bestätigt sieht. Ebenso wie Moses durchläuft sie einen glaubwürdigen Charakterbogen, von Whittaker zerbrechlich aber doch entschlossen dargestellt. Nick Frost als behäbiger Dealer Ron ist ein wenig im Frost-Routinemodus. Aber hey, auch der Frost-Routinemodus ist immer noch unterhaltsam, also beschwere ich mich nicht zu laut.

Auch nach neun Jahren hat Cornishs Debüt für mich nichts von seinem unterhaltsamen Schwung verloren. Schick inszenierte Action/Horrorszenen, toll realisierte Aliens, einige wirklich gute darstellerische Leistungen  und eine Handvoll spaßiger Dialoge. Mehr sollte es doch eigentlich für einen Kultfilm nicht brauchen.

‚Knives Out – Mord ist Familiensache‘ (2019)

Vorbemerkung: bei einem Whodunnit sind die Wendungen in der Handlung natürlich ein ganz wesentliches Element des Vergnügens. Ich werde daher im Folgenden nichts Plotrelevantes verraten, was über die ersten 20 Minuten des Films hinausgeht.

Ich habe in den letzten Wochen ziemlich viel Agatha Christie gelesen. Kann also bei der Frage nach dem „Whodunnit?“ ganz gut mitreden. Noch bevor ich meine eigentliche Meinung zum Film kundtue, möchte ich schon mal sagen, wie sehr mich der Erfolg des Films freut. Zusammen mit Kenneth Branaghs ‚Mord im Orientexpress‘, macht der Film den Studios hoffentlich klar, dass ein Whodunnit mit gut aufgelegtem Ensemble-Star-Cast keineswegs ein Relikt der 70er ist, sondern, bei allem Supergehelde, ein echter Publikumshunger nach dieser Art von Film besteht. Dasselbe gilt für zahlreiche andere, brutal unterversorgte Genres, in denen es vielleicht nur einen mutigen Versuch braucht, um sich neues (und altes) Publikum zu erschließen. Mich jedenfalls würd‘s freuen! Nun aber zu dem weshalb Ihr hier seid, dem eigentlichen Film.

Die Sache scheint eigentlich eindeutig: der megaerfolgreiche Krimiautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer) hat am späten Abend seines 85. Geburtstages Selbstmord begangen. Aber ist es so eindeutig? Warum hat dann jemand den letzten der Gentleman-Detektive, Benoit Blanc (Daniel Craig), mit der Untersuchung des Falls beauftragt? Die örtliche Polizei ruft jedenfalls aus Respekt vor dem Meisterdetektiv die Familie Thrombey noch einmal zusammen und rollt den Fall neu auf. Dabei stellt sich heraus, dass Thrombeys Kinder allesamt garstige Nichtsnutze unterschiedlicher Couleur sind. Linda (Jamie Lee Curtis) ist eine erfolgreiche, selfmade (mit Millionenhilfe vom Papa) Maklerin, ihr Mann Richard (Don Johnson) finanziell von ihr abhängig. Ihr gemeinsamer Sohn Hugh (Chris Evans macht aus seinem verwöhnten Playboytum kein Geheimnis. Walter (Michael Shannon) leitet den Verlag von Harlans Büchern, nach dessen exakten Vorgaben. Und Instagram-„Lifestyle-Guru“ Joni (Toni Collette) kann sich ihren Lebensstil auch nur dank Harlan leisten. Da überrascht es kaum, dass jeder ein Motiv hätte den alten Patriarchen über die Klinge springen zu lassen. Doch immerhin, Harlans Pflegerin Marta (Ana de Armas) hat eine „regurgitatin‘ reaction to mistruthin‘“, wie Blanc es ausdrückt. Sie muss sich übergeben, wenn sie auch nur ans Lügen denkt. Ziemlich nützlich für einen Detektiv, daher wird sie von Blanc schnell zu seinem „Watson“ gemacht.

Das Allerwichtigste zuerst: das zentrale Element des Films, der Whodunnit Plot, ist in meinen Augen auf die beste Weise gelungen. Für die bestmögliche Konstruktion eines Whodunnit muss der Autor irgendwo zwischen einem Uhrmacher und einem Hütchenspieler sein. Ein Uhrmacher, weil ein solcher Plot wie eine komplexe Mechanik mit zahllosen beweglichen Teilen ist. Ein Hütchenspieler, weil er im wesentlichen Moment von genau dem entscheidenden Schwungrad des Werks durch allerlei Tricks ablenken muss. Nur so kann die entscheidende Szene eines Whodunnits, wenn der Detektiv endlich offenlegt wer wann was wo warum gemacht hat, wirklich funktionieren. Wenn er hier eine Information aus der Tasche zieht die er und nur er schon seit drei Tagen hatte, dann ist sofort die Luft raus, der Zuschauer fühlt sich betrogen. Hier spielt Autor/Regisseur Rian Johnson geradezu schon schmerzhaft fair. Er stellt sicher, dass man als Zuschauer wirklich jede noch so kleine wesentliche Information irgendwann präsentiert bekommen hat. Das sorgt natürlich dafür, dass man das eine oder andere kommen sieht, auch wenn zumindest ich genug wieder vergessen/verworfen habe. Denn wie eigentlich immer, so auch hier, tut  Johnson was er am besten kann. Er spielt mit Erwartungen. Führt aufs Glatteis und täuscht. Whodunnit, wie sich herausstellt, ist das ideale Genre für ihn.

Die Pflicht ist also mit Bravour bestanden, der Rest ist Kür. Und auch die läuft ganz wunderbar. Oft genug ist es ja so, dass sich der Spaß beim Machen eines Films nicht eben zwangsläufig auf den Spaß beim Schauen auswirkt. Ganz anders hier. Ich glaube ich habe Daniel Craig seit Jahren nicht so gut aufgelegt gesehen wie hier, wo er seinen Gentleman-Detektiv mit einem (im Original) wunderbar überzogenen Südstaaten-Drawl gibt. Bei Christie oder Doyle gibt es öfter den Moment, wenn die Beteiligten die Fähigkeiten eines Poirot oder Holmes anzweifeln. Wir als Leser/Zuschauer wissen es natürlich besser. Blanc hat den erzählerischen Vorteil, dass wir als Zuschauer tatsächlich nichts über seine Qualitäten wissen. Ob er nun wirklich ein Meisterdetektiv, oder doch nur ein aufgeblasener Windbeutel mit Flair für das Dramatische ist. Johnson hat in Interviews angedeutet, in einer möglichen Fortsetzung spräche Blanc, ohne jede Erklärung, mit einem gänzlich anderen Dialekt. Ich bin sicher, das war ein Scherz, allerdings wäre es ideal, um den Charakter so ungreifbar wie möglich zu machen. Auch der Rest des Castes hat erkennbare Freude daran ihre Charaktere zu absolut pompösen Unsympathen zu machen, was nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch dabei hilft, das Verdachtsnetz so weit wie möglich zu halten. Ana de Armas, deren Marta letztlich die eigentliche Protagonistin ist, bildet dazu einen stillen, geerdeten Gegenpol.

Das bringt mich zu einem weiteren wesentlichen Element: ein guter Krimi ist immer auch ein Stück weit Gesellschaftsgemälde. Und hier geht Johnson auf interessante Weise vor, weil er die Elemente des Krimis zu 100% auf dieses Gesellschaftgemälde überträgt. Was Charaktere sagen ist oftmals weit weniger wichtig als was sie tun. Wenn etwa Don Johnsons Richard die harte US-Immigrationspolitik verteidigt, die Familie Martas aber positiv hervorhebt, weil sie legal ins Land gekommen ist, dann sagt das in der Tat weit weniger aus, als die Tatsache, dass er der neben ihm stehenden Marta ganz unbewusst einen benutzten Teller in die Hand drückt, so als gehöre sie zum Dienstpersonal.

Ein selten gewürdigtes, hier aber kaum zu übersehendes Element ist das Produktionsdesign. Harlans Landhaus ist vollgestopft mit Requisiten aus seinen Romanen. Hier ist eine geheime Tür, hier glotzen Dir zwei körperlose, übergroße Plastikaugen entgegen, dort sitzt eine lebensgroße Puppe. Man könnte vermutlich Stunden damit zubringen dieses Haus vom Keller bis zum Speicher zu erforschen.

Mit viel erzählerischer Verve (wenn Edgar Wright den Film zu seinem liebsten des Jahres erklärt, verrät das wohl etwas über dessen erzählerischen Schwung), aber auch einer ordentlichen Portion augenzwinkerndem Humor belebt Johnson hier, mehr noch als Branaghs doch recht betulicher Express, ein Genre wieder, dass er offensichtlich in- und auswendig kennt und mit all seinen Albernheiten liebt. Craig braucht ja nach Bond eine neue Reihe und wenn es Benoit Blanc Filme würden, dann hätte ich damit wahrlich kein Problem. Doch auch wenn es „nur“ ein Signal für die Wirtschaftlichkeit des Whodunnit oder des Mid Budget-Films im Allgemeinen ist, wäre schon viel erreicht.

Eine dicke Empfehlung jedenfalls von mir, gänzlich unabhängig übrigens davon, was ihr von Rian Johnsons Abenteuern in einer weit entfernten Galaxie haltet.

‚The Mermaid‘ (2016)

Stephen Chow aus Hongkong hat eine sehr markante, wiedererkennbare Filmografie. Filme wie ‚Shaolin Kickers‘ oder sein bekanntester ‚Kung Fu Hustle‘ zeigen eine ziemlich eigenwillige Mischung aus Martial Arts und Slapstick mit Geschichten, die am besten als liebevolle Farce beschrieben sind. Das ist eine Filmografie in der man grundsätzlich mit vielem rechnen muss, allerdings wäre eine Chow-Interpretation von Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“ auf der Liste meiner Erwartungen nun nicht auf Platz 1 gelandet. Oder auch nur Platz 27. Übersteht die oft adaptierte Geschichte die Chow-Behandlung mit Seeigel-Wurfsternen und einem verstümmelungsgefährdeten Oktopus-Mann? Schauen wir mal.

Der schwerreiche Geschäftsmann Liu Xuan (Deng Chao) hat die scheinbar wertlose, weil unter Naturschutz stehende Quingluo-Bucht für einen weit überhöhten Preis gekauft. Als sich seine Konkurrenten (darunter ein Cameo Auftritt von Tsui Hark) auf einer Party darüber lustig machen, stellt sich heraus, dass er weiß was er tut. Denn mit Unterwasser-Sonar hat er insgeheim die örtliche Fauna vertrieben und hat nun eine offizielle Genehmigung die Bucht zur Neulandgewinnung zu nutzen. Die attraktive Investorin Ruolan (Zhang Yugi) nutzt die Chance um eine Allianz einzugehen. Auf der Party taucht auch eine merkwürdige junge Frau auf, die Liu Xuan ihre Telefonnummer gibt, bevor sie hinausgeworfen wird. Das ist Shan (Lin Yu), eine Meerjungfrau, die gelernt hat (mehr oder weniger) auf ihrem Schwanz zu laufen. Denn das Meervolk lebte ebenfalls in der Bucht und wurde von Liu Xuans Sonar vertrieben. Nun unter der Führung von einem Oktopus-Mann (Show Lo) wollen sie Rache nehmen. Dazu soll Shan den Geschäftsmann verführen und in eine Falle locken oder selbst töten. Der Plan scheint aufzugehen als er Shan anruft um Ruolan eifersüchtig zu machen. Doch hat das Meervolk mit Shan vielleicht nicht eben die ideale Assassine gewählt und wird sich noch mit einer Reihe weiterer Probleme konfrontiert sehen.

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, die Slapstick-Sequenzen gehören mit zum lustigsten was ich in dieser Richtung in den letzten Jahren gesehen habe. Wenn Shan erfolglos versucht Xuan in seinem Büro umzubringen, nachdem sie sich mit wenig Geschick an seinen Wachen vorbeigeschmuggelt hat, nur um schließlich vom ahnungslosen Xuan einen Golfschläger an den Kopf zu bekommen, oder der Oktopus-Mann auf schmerzliche Weise sein Oktopus-Sein zu verbergen sucht, dann ist das wirklich komisch. Das CGI mag nicht immer perfekt sein, doch nutzt Chow es für weit kreativeren Einsatz, als das technisch bessere Vertreter tun. Ein extravaganter Geschäftsmann etwa erscheint im Jetpack zur Party. Ein Champagnerkorken auf den Auslöser später kracht der wie ein Flummi durch Xuans Villa bis ihm jemand eine Tür öffnet und für zukünftigen Schaden ins Freie entlässt.

Das zentrale Element ist natürlich die Liebesgeschichte zwischen Shan und Xuan. Auch die inszeniert Chow, wenig überraschend, mit einigem Humor. In einer eingestreuten Musical-Szene etwa singt Xuan derart heftig, dass sich sein falsches Schnurrbärtchen (dankenswerterweise) vom Gesicht verabschiedet. Von der Tragik des ursprünglichen Märchens bleibt dabei ehrlich gesagt nicht viel übrig, von einem erstaunlich blutigen Finale einmal abgesehen. Auf ein Genre festlegen lässt sich Chow nämlich nicht. Die umweltschützerische Botschaft ist sicher gut gemeint und zeitgemäß, allerdings hat sie auch die Subtilität einer 90er Jahre Captain Planet Folge. Die Idee, dass jeder der die Natur zerstört ein kompletter Psychopath ist und jemand wie Xuan nur einmal auf seinen „Fehler“ hingewiesen werden muss ist mir dann doch etwas zu billig.

Das tut dem Film aber keinen allzu großen Abbruch. Und ich weiß auch nicht, ob man das in Chows überlebensgroßem und überdrehten Stil anders hätte erzählen können. Und der verträgt sich erstaunlich gut mit dem Märchenhaften der Erzählung. In seiner Welt in der alles passieren kann, wirkt es nur folgerichtig, dass Shan derart leckere Hähnchen brät, dass es den eiskalten Geschäftsmann, für den SARS nur ein kurzer Einbruch seiner Gewinnspanne war, zu Tränen rührt weil es ihn an einfachere Zeiten mit seinem Vater erinnert.

Deng Chao und Lin Yu gebührt einiges Lob für die Fähigkeit von Blödelhumor und Slapstick quasi direkt in den romantischen Modus umschalten zu können. Und Deng Chao muss nebenbei noch die Wandlung vom selbstverliebten Ekel zum großzügigen Gönner vollziehen. Und das Erstdarstellerin Lin offenbar mühelos zwischen Julia Roberts und Jim Carrey umschalten kann, ist nicht weniger als beeindruckend.

Diese Schaltungen gelingen nicht nur ihr, sondern dem ganzen Film mühelos. Eben bis zu jenem oben erwähnten Finale, wenn plötzlich völlig humorlos bellende Maschinengewehre das Wasser rot verfärben. Das ist dann ein Sprung, der auch einem Stephen Chow nicht gelingen kann und das weiß er natürlich selbst. Genau der krasse Gegensatz zum Rest des Films sollte hier wirken, doch fühlt sich genau das im Zusammenhang mit der arg plumpen Öko-Aussage des Films zumindest für mich exploitativer an, als es vermutlich gewollt ist.

Dennoch halte ich den Film für empfehlenswert. Er wird, genau wie jeder andere Chow, sicher nicht jedem gefallen, doch insbesondere wenn Ihr auch nur ein kleines Etwas für gelungenen Slapstick übrig habt, kann ich Euch versprechen, Ihr werdet einige verdammt laute Lacher in diesem Film finden.

‚Aus dem Nichts‘ (2017)

‚Aus dem Nichts‘ ist schon ein wenig ein Paradoxon bevor man ihn gesehen hat. Einerseits ist es der erste Film von Fatih Akin, der auch international auf großes Interesse gestoßen ist. Auf weit mehr, möchte man meinen, als sein eigentlich international gemeinter ‚The Cut‘, um den Völkermord an den Armeniern. In Deutschland hingegen wurde dem Film von der Kritik eine ungewöhnlich kalte Schulter gezeigt. Aus seinem Film, der vor Eindrücken aus der NSU Mordserie entstanden ist, habe Akin wenig mehr als einen Krimi auf TV Niveau gemacht, so liest man nicht selten. Doch woher dann das internationale Interesse? Liegt es an der Thematik? Nazi-Anschläge in Deutschland? Liegt es an der international bekannten Hauptdarstellerin Diane Kruger in ihrem ersten (größtenteils) deutschsprachigen Film? Es gibt natürlich einen recht einfachen Weg das herauszufinden, nämlich den Film zu schauen. Das habe ich jetzt, nur drei Jahre verspätet, auch gemacht.

Normalerweise würde hier jetzt ein kurzer Anriss der Handlung stehen. Doch Akin teilt seinen Film in drei Kapitel ein. Drei Kapitel sowohl in Personal als auch in Ästhetik distinkt genug, dass sie beinahe eigene Filme sein könnten. Ich will sie nicht gänzlich für sich besprechen, das würde dem Ganzen nicht gerecht, dennoch lohnt es sich zumindest einen Blick auf die einzelnen Teile zu werfen.

Das erste Kapitel, Familie genannt, beginnt mit einer Rückblende. Die hamburger Kunststudentin Katja (Kruger), heiratet im Gefängnis ihren Haschisch-Dealer, den Deutschkurden Nuri Sekerci (Numan Acar). Als wir sie einige Jahre später wiedertreffen ist Nuri, der im Gefängnis BWL studierte, lange entlassen, dealt nicht mehr und betreibt ein Übersetzungs-, Steuerhilfe- und Reisebüro speziell für türkischsprachige Kunden. Als Katja den gemeinsamen 5jährigen Sohn Rocco für den Nachmittag bei ihrem Mann abliefert, findet sie abends die Straße abgesperrt. Vor dem Büro ist eine Nagelbombe explodiert, ihr Mann und Sohn sind tot. Die kommende Zeit wird für Katja annähernd unerträglich. Die Polizei scheint mehr daran interessiert gegen Nuri zu ermitteln, eine Frau, die Katja dabei gesehen hat wie sie ihr Fahrrad vor der Tür des Büros abgestellt hat wird von der Presse grundlos zur „Osteuropäerin“ erklärt, selbst ihre Mutter kann sich rassistische Bemerkungen nicht verkneifen und Nuris Eltern wollen die Leichen ihres Sohnes und Enkels mit in die Türkei nehmen, wohin sie zurückkehren. Selbst das Mutterglück ihrer besten Freundin Birgit wird ihr unerträglich. Gerade noch rechtzeitig für sie nimmt die Polizei ein junges Nazi-Pärchen fest.

Der Beginn des Films ist unheimlich stark und führt für sich allein schon ‚Tatort‘-Vergleiche ad absurdum. Kruger liefert eine absolute Tour de Force ab. Kaum eine Einstellung gibt es, in der sie nicht zu sehen wäre, zahllose Nahaufnahmen, die ungeschönt die Verwüstung der Tat auf ihrem Gesicht zeigen. Das verstärkt Akin gekonnt mit dem Rest seines cinematischen Ausdrucks. Ihre anfängliche Wut wandelt sich immer mehr zu Verzweiflung. Der schöne Vorstadtbungalow der Sekercis wird dabei zum gläsernen Sarg, der seine unerträgliche Leere geradezu herausschreit. Polizei und Presse begegnen der Untat mit der (mehr oder weniger) unausgesprochenen Idee, dass Nuri die Tat doch irgendwie „verdient“ haben müsse. Akin verzichtet auf jegliche Darstellung der Gewalt, was eine filmische Metapher, die das emotionale Blutbad, das die Tat bei Katja angerichtet hat nur umso stärker wirken lässt.

Dann folgt das zweite Kapitel, Gerechtigkeit. Quasi ein Gerichtsfilm. Hierbei muss gesagt werden, dass Akin an seinen Tätern und ihrer Motivation keinerlei Interesse zeigt. Ihre Schuld zweifelt der Film zu keiner Zeit an. Das ist an und für sich auch ein durchaus verständlicher Ansatz, allerdings ist das schwierig für einen Gerichtsfilm. Der besteht ja grundsätzlich aus einem rhetorischen Ballwechsel beider Seiten. Doch was tun, wenn die eine Seite gar keinen Ball hat? Die Antwort ist, wie so oft in Gerichtsdramen, die Karikatur eines Verteidigers. Anwalt Haberbeck (Johannes Krisch) scheint die Boshaftigkeit schon ins Gesicht geschrieben und jeden Zweifel räumt er aus, wenn er mit einer direkten Attacke auf Katja startet. Ich mag Gerichtsfilme grundsätzlich nicht gerne. Sie sind selten cinematisch. Akin gibt sich hier alle Mühe mit Overhead-Shots und Hitchcock-Zooms einen Film daraus zu machen, ganz gelingen will es ihm nicht. Das soll nicht heißen, dass es in diesem Teil keine funktionierenden Szenen gibt. Hier findet sich sogar eine stärksten, wenn eine medizinische Sachverständige emotionslos die Verletzungen von Rocco herunterliest und dabei viel zu häufig Phrasen wie „vollständige Ablösung“ verwendet und die Platzierung von Zimmermannsnägeln im Torso beschreibt. Akin hält die Kamera dabei die ganze Zeit auf Katja, bis es fast unerträglich zu werden droht. Einen starken Moment hat auch Ulrich Tukur als Vater eines der Täter, der sie bei der Polizei gemeldet hat. Er scheint vor den Kopf gestoßen und überfordert, dabei durchaus sympathisch. Allerdings fällt es uns als Zuschauer schon beinahe so schwer wie Katja seine plumpe Idee der Versöhnung, er lädt sie zu Kaffee und Kuchen, nicht mit einem gewissen Misstrauen zu begegnen.

Dieses Kapitel ist ein wenig plump und hat halt, zumindest für mich, das Problem, dass es ein Gerichtsfilm ist, die einfach selten funktionieren. Krugers Darstellung bleibt der starke Leitfaden auch in diesem Kapitel.

Das dritte Kapitel trägt den Titel Das Meer. Über dieses kann ich aus Spoilergründen nicht viel sagen. Das ist aber auch in Ordnung, ich hätte eh nicht allzu viel anzubringen. Akin will hier den Michael Kohlhaasschen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit aufzeigen (womit ich, zugegeben, wohl auch den Ausgang des zweiten Kapitels indirekt gespoilert habe) und welch fatale Folgen dieser haben kann, landet letztlich aber in den sattsam bekannten Genregrenzen des Rachefilms. Krugers Spiel bleibt auch weiterhin die größte Stärke des Films, doch fand ich hier erstmals das Handeln der Figur weniger nachvollziehbar, was nicht an ihr, sondern eher am Buch lag. Dessen Antwort scheint in letzter Konsequenz ein verzweifeltes Schulterzucken zu bleiben.

Letztlich bleibt ‚Aus dem Nichts‘ für mich ein unebener Film. Ich denke den NSU Terror als reinen Hintergrund zu nehmen und in ein rein fiktives Szenario (wenn auch mit direkten Bezügen auf reales Geschehen) umzubauen war eine gute Idee. Dem Ganzen könnte ein einziger Film nie gerecht werden und eine Konzentration auf einzelne Geschehnisse wäre ebenfalls schwierig. Ein wenig fehlt mir vielleicht der gerechtfertigte Zorn im Film. Zorn nicht einmal so sehr über die Tatsache, dass Nazis über Jahre Morde begehen konnten, sondern über das Totalversagen der Ermittlungsbehörden und ihr selbstgerecht-feixender („Dönermorde“) Umgang damit. Henning Pekers Ermittler im Film verläuft sich in die falsche Richtung, scheint dabei aber fast überlegter und engagierter als ein Großteil des realen Personals. Dass der Film am Ende nicht wirklich Antworten hat, das kann und will ich ihm kaum vorwerfen. Antworten zu finden ist sicher nicht die Aufgabe von Fatih Akin. Dass wir jedoch Antworten brauchen, die über das bedauernde Kopfschütteln, dann aber auch weiter wie vorher von Ulrich Tukurs Charakter hinausgehen, das lässt sich, auch in der Post NSU Zeit, nicht wirklich abstreiten.

Ein echtes Fazit zum Film fällt mir schwer. Ich fand ihn keinesfalls schlecht, aber zu meinem Lieblings-Akin wird er es auch kaum bringen. Getragen wird er, das lohnt es zu wiederholen, von der rohen, ungeschönten Darstellung durch Diane Kruger, die hier möglicherweise ihre beste Arbeit abliefert und zum absoluten Herzstück des Films wird. Das allein, lässt mich ob des allgemeinen Tonfalls des deutschen Feuilletons von wegen „TV Krimi“ die Stirn runzeln. Da macht mich die Tatsache, dass Akins Neuester, ‚Der Goldene Handschuh‘, die Kritik geradezu in zorniges Brüllen versetzt hat ja schon fast wieder neugierig…