‚Alita: Battle Angel‘ (2019)

James Cameron, soviel ist inzwischen definitiv mehr als deutlich, hat den Code für einen immensen Kassenerfolg geknackt. Zumindest solange er selbst im Regiestuhl sitzt. Als Produzent und Autor ist sein Händchen nicht gar so golden, wie sich bei ‚Alita: Battle Angel‘ gezeigt hat. Der war zwar alles andere als ein Flop und für den seit den 2000ern recht glücklosen Robert Rodriguez, gar der größte finanzielle Erfolg seiner Karriere. Aber für ein schnelles Sequel reichte es dann eben doch nicht. Aber Cameron und Rodriguez wollen dennoch eines machen. So sehr, dass sie Ende letzten Jahre einen „Blutpakt“ geschlossen haben. Wie das genau funktioniert und ob man dafür nicht eigentlich einen Dämon braucht, sind Fragen, die weit außerhalb meines Erfahrungshorizontes liegen. Beschäftigen wir uns also lieber mit dem Film.

Wir schreiben das Jahr 2563. 300 Jahre nach einem verheerenden Krieg. Die ärmliche Stadt Iron Town versorgt die letzte verbliebende schwebende Stadt Zalem. Der Traum aller ihrer Bewohner ist es, die stets sichtbare aber unerreichbare Utopie betreten zu dürfen. Der Cyborg Doktor Dyson Ido (Christoph Waltz) findet eines Tages den intakten Kern eines fortschrittlichen weiblichen Cyborg im von Zalem herabgeworfenen Müll. Er baut ihr einen neuen Körper und gibt der an Amnesie leidenden jungen Frau (Rosa Salazar) den Namen Alita, nach seiner verstorbenen Tochter. Es stellt sich bald heraus, dass Alitas, trotz aller wohlmeinenden Verbote ihres Ziehvaters, vor allem den Kampf sucht. Etwas wonach sie in Iron Town nicht lange suchen muss. Doch weckt sie so schnell das Interesse von Motorball Manager Vektor (Mahershala Ali) und damit von Zalem.

Originelle IPs haben es in der derzeitigen Blockbuster-Filmwelt nicht einfach. Sicherlich, ‚Alita‘ ist keine ganz originelle IP, der Film basiert auf dem 90er Jahre Manga von Yukito Kishiro, allerdings hat der vorher nie die Bekanntheit erreicht, die dieser Film ihm gebracht hat. Cameron war an der Thematik schon lange interessiert. Wollte selbst lange eine Verfilmung drehen, bevor er sich ganz auf seine Avatare verlegt hat. Seine Serie um die Jahrtausendwende ‚Dark Angel‘ war ebenfalls fraglos stark von dem Manga inspiriert. Auch sind nicht eben sämtliche Ideen in dem Manga/Film selbst wahnsinnig originell. Von der Protagonistin mit Amnesie will ich gar nicht erst anfangen. Aber die Cyborg Söldner, die als Polizei fungieren, fühlen sich wie eine Mischung aus Robocop und Blade Runner an. Motorball ist so eindeutig Rollerball, dass tatsächlich nur der Name den Unterschied macht und so weiter.

Da überrascht es wohl nicht nur mich, dass es gerade die größte Stärke des Films ist, dass er sich so frisch anfühlt. Und er tut dies, indem er bekannte Ideen einfach ein klein wenig justiert. Iron Town ist ein futuristischer Slum, keine Frage, aber ist eben nicht der seit Blade Runner allgegenwärtige verregnete Moloch mit Leuchtreklamen, sondern ein sonnendurchfluteter, bunter Neubau in den Ruinen der alten Welt. Allein der südamerikanische Einfluss auf sämtliche Designs (Vorlage für Iron Town war Panama City) macht hier wahnsinnig viel Frische aus.

Das Charakterdesign ist wild! Auf die beste Weise wild. Bei den Cyborgs ist man nicht an realistische Vorlagen gebunden und so kommen irre Designs mit zahllosen Klingen und Sägeblättern heraus, die sich in tatsächlich gewichtig anfühlenden Kämpfen effektreich gegenseitig zerlegen. Und da es sich meist um Maschinenteile handelt, werden hier ständig Arme und Beine abgeschnitten und ganze Körper zerrissen, ohne das die Altersfreigabe merklisch steigt. Gerade beim Design der Protagonistin hat man sich, äußerst ungewöhnliche Entscheidung, entschlossen sich voll und absichtlich ins „Uncanny Valley“ zu lehnen. Man hat ihr übergroße Augen verpasst, fraglos in Anlehnung an die Manga-Vorlage, aber eben auch um Alita ein unschuldig-naives Kindchenschema-Gesicht zu verpassen. Ich sage mal, man hat mit Rosa Salazar hier einen extremen Glücksgriff gelandet, der es gut gelingt darüber hinwegzuspielen. Mit einer auch nur etwas schwächeren Darstellerin hätte das ganz schnell zur Katastrophe werden können. Salazar hingegen bringt die freundliche Aufgeschlossenheit der Figur, ihre programmierte Konfliktbereitschaft und die Neugier nach ihrer eigenen Herkunft hingegen wunderbar unter einen CGI-Haarschopf. Es hilft sicherlich auch, dass die Antwort auf die Frage nach Alitas Herkunft tatsächlich interessant ist.

Camerons übliche Stärken und Schwächen als Autor sind hier voll erkennbar. Seit ‚Terminator 2‘ ist deutlich geworden, dass es ihm vor allem darum geht starke und mitreißende Setpieces zu schreiben, auf Kosten der großen Geschichte und vor allem der Charaktere. Daneben hat ‚Alita‘ noch das Problem, dass er allzu viel sein will. Zukunftsvision, Mysterium, Actionkracher und Teenie Romanze. Dabei ist es vor allem letzterer Aspekt der unter die metallenen Räder gerät. Alitas Love Interest Hugo (Keean Johnson) ist zum einen nicht sonderlich interessant und hat dazu einen der schwächeren Darsteller. Und so kommt dann im dritten Akt mein Problem mit dem Film deutlich zum Vorschein: ich bin nicht im Geringsten emotional involviert.

Ich kann bei Vielem anerkennen, dass es cool aussieht, kann mich an grandiosen Actionsequenzen erfreuen, aber am Ende sind mir die Charaktere reichlich wurscht. Da hilft es nicht, dass der dritte Akt gleich zweimal mit derselben hoch melodramatischen Szene aufwartet, die sich beide Male vollkommen unverdient anfühlt. Es hilft auch wenig Leute wie Jennifer Connelly oder Mahershala Ali zu reinen Expositions-Stichwortgebern zu degradieren. Christoph Waltz wirkt hier eher routiniert als sonderlich interessiert, aber wer kann es ihm verübeln, wenn er von „the Panzer-Kunst“ fabulieren muss? Das alles läuft dann auf ein Ende zu, dass mir allzu sehr Cliffhanger für ein ‚Alita 2: Electric Boogaloo‘ sein will. Das soll nicht heißen, dass ich keinen Spaß an ‚Alita‘ hatte, den hatte ich nämlich durchaus. Aber es ist erkennbar einer dieser Filme, von dem nichts bei mir hängenbleiben wird. In einem Monat werde ich Schwierigkeiten haben zusammenzufassen, worum es überhaupt ging. Eben weil der Film mich stets auf Armeslänge gehalten hat, während er zu erwarten schien, dass ich ihn eng umschlinge.

‚Synchronic‘ (2020)

Diesmal komme ich um Spoiler nicht wirklich herum und muss in der Besprechung ein zentrales Handlungselement verraten. Wer den Film also völlig unvoreingenommen sehen will, sei hiermit gewarnt.

Ich konnte nicht herausfinden, wie hoch das Budget für diesen Film tatsächlich war, doch es dauert nur Minuten und es wird deutlich, dass hier ein gewaltiger, finanzieller Sprung für Justin Benson und Aaron Moorhead stattgefunden hat. Es ist sicherlich immer noch ein „Low Budget“ Film, aber einer, der es sich leisten kann in New Orleans zu filmen und, nicht zuletzt, Anthony Mackie als Hauptdarsteller. Die Genre Zuordnung wird hier vermutlich noch einmal schwieriger als bei ihren anderen Filmen. Ein Neo Noir mit SciFi Elementen, wenn man es sich einfach machen will. Trotz einiger recht grausiger Tode ist das ihr erster Film, bei dem ich keinen Bezug zum Horror-Genre sehe (von einigen verstörenden Bildern mal abgesehen). In vielerlei anderer Hinsicht bleiben sie sich allerdings treu.

Steve (Mackie) und Dennis (Jamie Dornan) arbeiten als Paramedics in New Orleans. Dennis ist ein verheirateter Familienmensch mit einer 18jährigen Tochter, Brianna (Ally Ioannides) und einem frisch geborenen Baby. Steve ist ein Draufgänger mit ständig wechselnden Freundinnen. In letzter Zeit häufen sich Fälle verwirrter, seltsam verletzter Patienten und grotesk zugerichteter Leichen im Zusammenhang mit der synthetischen Droge Synchronic. Als Brianna nach Konsum der Droge verschwindet, beginnt Steve, der selbst eine medizinische Krise durchlebt, ebenfalls mit ihr zu experimentieren. Dabei macht er eine außergewöhnliche Entdeckung: unter den richtigen physiologischen Umständen transportiert Synchronic den Konsumenten durch die Zeit. Da er an einem Gehirntumor zu sterben droht, beschließt er seine letzten Tage zu nutzen, um die Tochter seines besten Freundes zu finden.

Sagen wir es, wie es ist: eine Zeitreise-Pille ist ein reichlich albernes Handlungselement. Eine Zeitreise-Pille, die nur im Zusammenhang mit einer nicht-verkalkten Zirbeldrüse (‚From Beyond‘ schickt schleimige Grüße!) funktioniert, also bei Teenagern und bei Mackies Charakter, aufgrund seines Tumors, und Dich in eine andere Zeit schickt, je nachdem an welchem Ort Du Dich gerade befindest, ist dann sogar noch ein erhebliches Stück alberner. Das große Kunststück von Moorhead und Benson ist hier, dass sie sich dessen durchaus bewusst waren, es aber dennoch funktionieren lassen, im Zusammenspiel mit dem deutlich ernsthafteren Thema rund um die Paramedics und ihre ständige Konfrontation mit den furchtbarsten Schicksalen, die ein Mensch erleiden kann und ihren unterschiedlichen Strategien damit umzugehen.

Dies verweben sie gekonnt mit der Örtlichkeit von New Orleans mit dessen Geschichte und Entwicklung sie gekonnt spielen, aber auch mit den Konstanten des Ortes, etwa dem Rassismus, dem sich Steve in unterschiedlichsten Epochen ausgesetzt sieht. Dabei verfallen die Filmemacher nicht auf die typischen Örtlichkeiten, die man mit New Orleans an sich, und dem gefilmten New Orleans im Besonderen verbindet, etwa das French Quarter. Stattdessen suchen sie immer wieder den sehnsüchtigen Blick von den Vororten hinüber zur leuchtenden Skyline, nur um dann wieder den Blick der Paramedics vom Fuße jener Skyline zu zeigen, wo unter dem Leuchten, gebrochene Menschen zu finden sind.

In den Zeitreise Szenen wird dann aber auch wieder ein wenig das begrenzte Budget des Films deutlich. Von einem ‚Tenet‘ ist der Film, in seinen finanziellen Möglichkeiten, offensichtlich weit entfernt. Und genau das wird ihm hier ein wenig zum Problem. Haben Benson und Moorhead bis hierhin gezeigt, dass sie absolut faszinierende Filme mit kaum dem Budget eines B-Movies schaffen können, fühlt sich ‚Synchronic‘ in seinen schwächeren Momenten eher an, wie ein B-Movie mit etwas mehr Budget.

Der größte Fehler des Films ist, was ich letzte Woche noch so hoch gelobt habe. Die Beziehung der beiden Hauptcharaktere. Beide sind durchaus interessante Charaktere, allerdings ist Anthony Mackie der Hauptcharakter des Films. Und das bedeutet, dass Dornans Dennis für einen guten Teil des Films, vor allem natürlich die Zeitreisen, gar nicht da ist. Und wenn er dann doch seine Szenen hat, dann ist er allzu häufig Spiegel und Stichwortgeber für Steve. Mackie füllt die Rolle des Hauptcharakters absolut kompetent aus. Ihm gelingt der Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor, gar einer ‚Zurück in die Zukunft‘ Anspielung. Aber es waren bislang halt immer die komplexen Beziehungen der Hauptfiguren, die an den Filmen des Regie-Duos fasziniert haben. Und Dennis bleibt hier ziemlich flach. Das ist nicht unbedingt Jamie Dornans Schuld, er tut was er kann mit dem was ihm gegeben wird. Und was ihm gegeben wird ist immer noch eine Menge mehr, als was Katie Aselton als seine Frau in ihren 2,5 Szenen bekommt. Auch Ally Ioannides‘ Brianna wird nie mehr als „Person, die gerettet werden muss“. Wenn dann dazu noch eine ebenso bizarre wie überflüssige Szene mit dem Erfinder der Droge kommt, die wohl vor allem dazu dient den Film an das „cinematische Universum“ der Filmemacher anzuschließen, dann habe ich spätestens das Gefühl, das Drehbuch hätte noch eine weitere Überarbeitung vertragen.

Das liest sich jetzt vermutlich alles deutlich negativer als es gemeint ist. ‚Synchronic‘ ist ein guter Film, der mich in seinen schlanken 100 Minuten gut unterhalten hat. Moorheads Kameraarbeit ist nachwievor faszinierend, die Situation spannend genug. Wäre dies der erste Film der beiden, würde sich das Ganze hier vermutlich sogar begeistert lesen. Aber Erwartungshaltung ist nun einmal eine Sache und ich habe in diesem Moment ein bisschen mehr erwartet als „nur“ einen „guten“ Film. Was er aber vermutlich ist, ist ein gelungener Einstieg in die Filmografie der beiden Filmemacher. Ich jedenfalls bin sehr gespannt, was in Zukunft von ihnen zu erwarten sein wird.

‚Outland‘ (1981)

Sean Connery war ein Darsteller, dessen Karriere gleich zwei Phasen absoluten Höhenflugs erlebte. Die erste ist, offensichtlich, Bond, James Bond. Als erster Darsteller des berühmten Agenten, diente er ihrer Majestät von 1962 bis 1971 (‚Sag niemals nie‘ ignorieren wir mal). Der zweite Höhenflug begann in den späten 80ern (ca. ‚Der Name der Rose‘ und ‚Highlander‘) und hielt fast die gesamten 90er über mit einer sehr Connery-eigenen Mischung aus weisen Lehrmeistern und Comic Relief. Wenn man mich fragt, dann landen einige seiner besten Filme aber genau zwischen diesen beiden Phasen. ‚Der Mann, der König sein wollte‘, ‚Robin und Marian‘ oder ‚Der große Eisenbahnraub‘. Selbst misslungene Experimente wie ‚Zardoz‘ verdienen, in meinen Augen, das Prädikat „interessant“. Problem war halt immer, dass das kaum jemand sehen wollte. Und in genau diese Phase fiel eben auch einer von Peter Hyams besten Filmen, ‚Outland‘. Ich könnte ehrlich gesagt nicht den Finger drauflegen, warum der Film kein großer Erfolg wurde. Vielleicht lag es daran, dass es in den frühen 80ern, im Fahrwasser von ‚Star Wars‘ und ‚Alien‘, allzu dicht gedrängt auf dem SciFi Markt war. Vielleicht lag es an dem extrem öden Poster, das Connery in einem blauen Jumpsuit mit Schrotflinte vor schwarzem Hintergrund zeigt. Am Film selber, behaupte ich einfach mal, kann es nicht wirklich gelegen haben.

In einer nicht näher benannten Zukunft betreibt der Konzern Con-Am auf dem Jupitermond Io eine Titanmine. Marshall O’Niel (Connery) wird als neuer Sicherheitschef dorthin versetzt. Schnell stellt sich heraus, dass das Leben dort ziemlich rau ist. Zu rau für O’Niels Ehefrau, die beschließt mit ihrem Sohn zur Erde zurückzukehren. Der Marshall untersucht derweil eine Reihe ungewöhnlicher Selbstmorde. Mit Hilfe der barschen Stationsärztin Dr. Lazarus (Frances Sternhagen) findet er heraus, dass substanzbasierte Psychosen hinter den Suiziden stecken. Irgendjemand versorgt die Arbeiter mit einem synthetischen Amphetamin, das die Leistung steigert, jedoch extreme Nebenwirkungen haben kann. Als er erkennt, dass auch der Stationsleiter Sheppard (Peter Boyle) in diesen Drogenhandel verwickelt und sein eigenes Sicherheitsteam unterwandert ist, muss er sich entscheiden zwischen seinen Idealen und seinem Leben.

‚Outland‘ wird häufig als Space-Western beschrieben und das trifft es auch recht gut. Die staubige, gesetzlose Kleinstadt unter der Fuchtel eines korrupten Minenbesitzers wird hier zum schmierig-finsteren Minenaußenposten unter der Fuchtel eines korrupten Konzerns. Hier wie da steht der Gesetzeshüter, der sich nur auf sich selbst verlassen kann. Der dritte Akt, in dem die Ankunft einer Gruppe Mörder per Shuttle erwartet wird, und O’Niel den Rest der Station erfolglos um Hilfe bittet, ist denn auch eine direkte Referenz auf ‚12 Uhr Mittags‘. Doch die unendlichen Weiten des nordamerikanischen Westens schrumpfen hier zusammen auf die engen Gänge einer Raumstation außerhalb derer nur der Tod durch explosiven Druckabfall wartet.

Dadurch entsteht ein Gefühl der Klaustrophobie, das durchaus mit ‚Alien‘ vergleichbar ist. Überhaupt ist ‚Outland‘ ein Film, der problemlos im ‚Alien‘-Universum spielen könnte. Natürlich kommen hier keine Xenomorphs vor, doch Con-Am wäre absolut glaubwürdig als Konkurrent zu Weyland-Yutani. Nicht nur im Produktionsdesign gibt es ganz deutlich Ähnlichkeiten, auch in der negativen Sicht auf Konzerne, die Menschenleben als vernachlässigbar betrachtet, wenn nur der Gewinn ein klein wenig gesteigert werden kann.

Connery gibt seinen O’Niel mit dem ihm eigenen Charisma und trägt die Thriller- und Actionaspekte des Films natürlich problemlos. Doch glänzt er auch in nuancierteren Momenten, etwa wenn seinem Charakter bewusst wird, dass er seinen Job vor allem deshalb bekommen hat, weil man ihn für einen Feigling, jemanden der wegschaut hält. Peter Boyle ist überzeugend widerlich als überzeugter Widerling Sheppard. Doch das wirkliche Glanzlicht des Films ist für mich Frances Sternhagen. Als Dr. Lazarus stiehlt sie jede Szene, in der sie auftaucht und das dürften gerne mehr sein. Einer Klage wegen ärztlicher Kunstfehler immer einen Shuttleflug voraus, so beschreibt sie selbst ihre medizinischen Qualitäten und macht O’Niel alsbald klar, dass man nicht auf diese Station kommt, weil man überragende Qualitäten mitbringt, oder das eigene Leben gerade besonders gut läuft. Sie sieht sich selbst in der Endstation und macht vielleicht sogar eine größere Entwicklung durch als der Hauptcharakter. Ich hätte mir eine TV Serie mit ‚The Adventures of Dr. Lazarus‘ gewünscht, aber man kann halt nicht alles haben.

Die Ausstattung des Films ist gelungen, der Film etabliert visuell einzigartige Abschnitte der Station und stellt im Laufe der Handlung interessante Dinge mit ihnen an. Insbesondere die Miniaturen wirken auch heute noch eindrucksvoll. Nicht zuletzt weil hier zum ersten Mal in einem größeren Film John Eppolitos Aufprojektionstechnik Introvision Verwendung fand, die komplexe Interaktionen zwischen Darstellern und Miniaturen oder sogar Matte Paintings erlaubte.

Was bleibt ist ein definitiv interessanter Science Fiction Western, der seine Wurzeln, mögen sie ‚Alien‘ oder ‚12 Uhr Mittags‘ heißen, in keiner Weise verhehlt. Mit einem klaren visuellen Design, fähigen Darstellern und einer düsteren Sicht auf unsere Zukunft, kommt dennoch ein spannender und eigenständiger Film heraus, den ich unter Hyams besten verbuchen würde und der zu Unrecht in Connerys glückloses Zwischentief fiel.

‚Dune‘ (2021)

Frank Herberts ‚Dune‘ war über lange Zeit mein liebstes Science Fiction Buch. Ich habe es jetzt lange Zeit nicht gelesen, vielleicht ist es das also immer noch. Verfilmungen des arg dichten Stoffs erwiesen  sich als schwierig. Alejandro Jodorowskis irrsinniges Mammutprojekt verlief im Sand und David Lynchs Version krankte an allerlei Problemen, allen voran vermutlich die Zeitvorgaben des Studios (ich werde diesen Film, der Einfachheit halber auch im Weiteren die „Lynch Version“ nennen, obwohl der Regisseur sich von ihr distanziert hat). Die Fernseh-Miniserie von 2000 ist weitgehend vergessen. Und nun also Denis Villeneuve. Anders als die Lynch Version, ist sein Film auf jeden Fall schon einmal ein finanzieller Erfolg. Das ist gut, bedeutet es doch, dass wir die volle Geschichte bekommen werden. Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum ich seine Version auch für künstlerisch gelungener halte.

Im Jahr 10191 bekommt das Haus Atreides vom galaktischen Imperator den Planeten Arrakis als Lehen zugewiesen. Eine große Ehre für Herzog Leto (Oscar Isaac), seine Parttnerin Jessica (Rebecca Ferguson), ein Mitglied des mystischen Orden der Bene Gesserit und ihren Sohn Paul (Timothee Chalamet). Allerdings werden die Atreides dadurch auch zum Ziel des Neids für die anderen großen Häuser, allen voran ihren Erz-Widersachern, den Harkonnen, die zuvor für 80 Jahre Arrakis kontrollierten. Tatsächlich will Leto das durch Brutalität geprägte Verhältnis der Herrscher Arrakis zu dessen Ureinwohnern, den Fremen, verbessern. Doch Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) plant längst einen hinterhältigen Angriff, der nicht nur von einem Verräter innerhalb des engsten Kreises der Atreides unterstützt wird, sondern gar vom Imperator selbst, der dem Baron seine Elitetruppen, die Sardaukar, zur Verfügung stellt. Es ist fraglich, ob die Fremen den Atreides helfen können, oder das überhaupt wollen.

Das ist eine derart verkürzende Zusammenfassung der Handlung, das es fast weh tut. Aber das zeigt wunderbar ein ganz großes Problem einer jeden Filmadaption auf: Herberts Buch ist unfassbar dicht an Information. Wie geht man damit um? Die Lynch-Fassung ist daran verzweifelt. Dort liefert am Anfang zunächst Prinzessin Irulan eine ausführliche Einleitung, sodann nehmen wir an einem konspirativen Treffen des Imperators teil, indem er seien Pläne ausführlich darlegt und dann sehen wir Paul, wie er in einem Filmbuch Information über Arrakis sammelt. Drei Szenen, deren einziger Zweck Exposition ist! Nur die dritte findet sich bei Villeneuve (und auch im Buch). Doch im Großen und Ganzen traut Villeneuve seinem Publikum zu, erstaunlich viel aus dem Kontext zu verstehen. Hier wird es für mich als Kenner der Bücher schwierig zu beurteilen, wie das für jemanden ist, der sie nie gelesen hat. Versteht man, dass der Atreides Offizier Thufir Hawat (Stephen McKinley Henderson) und sein Pendant bei den Harkonnen, Piter de Vries (David Dastmalchian), „Mentaten“, menschliche Computer sind? Ich bin mir da nicht ganz sicher. Doch wenn man es ausspricht öffnet man quasi die Büchse der Pandora. Man muss nicht nur Mentaten näher erklären, man muss auch ihre Notwendigkeit erklären. Damit muss man Butlers Dschihad erwähnen, bei dem vor 10000 Jahren alle Roboter, Computer und „Denkmaschinen“ zerstört wurden. Das Ganze hatte, der Name verrät es, eine religiöse Komponente, womit man nun schlimmstenfalls auch noch das komplexe religiöse System des Imperiums erklären muss und die Kontrolle der Bene Gesserit darüber. Schlimmstenfalls minutenlange Exposition für einen kleinen Fakt. Vielleicht ist es besser dem Publikum einfach zu zeigen, wie sich Hawats Augen weiß färben und er große Datenmengen blitzschnell analysiert und präzise Antworten liefert. Auch umgeht man so die furchtbaren, ständigen geflüsterten, inneren Monologe der Charaktere der Lynch Version (nochmal: all das ist sicher nicht Lynchs Schuld. Der Mann hat nun eher keinen Ruf als großer Erklärbär).

Doch ich denke, dass Villeneuves Version auch funktioniert, wenn man eben nicht jedes Element auf Anhieb versteht. Denn er inszeniert seine Welten hier mit solcher Grandezza und gleichzeitig mit absoluter Natürlichkeit, dass alles Geschehen irgendwie folgerichtig wirkt. Die Harkonnen identifiziert man problemlos als „böse“, selbst wenn ihr Giedi Prime mit seinen Ölbädern, Mutanten und finsteren Hallen hier eine seltsame, verstörende Schönheit bekommt. Ob die schneidigen Autokraten der Atreides, die allzu gern ihren Namen gebrüllt hören, nun unbedingt die „Guten“ sind, wird schon schwieriger. Aber sie sind halt die Seite auf der wir uns finden. Und wenn auf der anderen die Harkonnen stehen, kann sie ganz falsch nicht sein.

Und damit trifft Villeneuve für mich einen entscheidenden Punkt in Herberts Werk. Herbert mag keine Helden. Sicherlich, Pauls Weg folgt dem typischen Heldenmuster, doch dieses ist zum größten Teil innerhalb der fiktiven Welt konstruiert. Wie damit umgegangen wird, werden weitere Filme zeigen müssen, doch die Vision, die Paul (und wir) sehen, von einem Heiligen Krieg in seinem Namen, überzeugt mich, dass Villeneuve, der eh selbst nicht zur Heldenverehrung neigt, das verstanden hat.

Einmal muss ich mir noch die Nerdbrille aufziehen, wenn ich schon so viel über die Adaption schreibe: im Buch erfolgt der Einsatz der Sardaukar sehr geheimnistuerisch, so tragen sie etwa Harkonnen-Uniformen (eine erhebliche Erniedrigung für die stolze, imperiale Elite) und es ist an den Harkonnen den imperialen Beamten Dr. Kynes (im Film eine weibliche Figur, dargestellt von Sharon Duncan-Brewster) zu beseitigen, was diese „indirekt“ durch Aussetzen in der Wüste tun. Der Imperator des Films und seine offen auftretenden, mörderischen Sardaukar zeigen deutlich weniger Fingerspitzengefühl und ich bin ernsthaft gespannt auf die Corrino-Bande im zweiten Teil (mal ganz davon ab, dass Salusa Secundus wie der unangenehmste Ort des ganzen ersten Films wirkt, obwohl ich Kehlgesang faszinierend finde). Hier mein (sicherlich unwahrscheinlicher) Casting-Vorschlag für Shaddam IV: Kyle MacLachlan…

Es ist heute kaum mehr üblich, über gute Spezialeffekte zu reden. Diese werden einfach so hingenommen und nur dann erwähnt, wenn sie misslingen. Doch was ‚Dune‘ mit ihnen anfängt ist, in meinen Augen, herausragend. Wie oben erwähnt erzählt der Film oft genug auf geradezu gigantischer Ebene, kann aber in jedem Moment auch auf das winzigste erzählerische Element zusammenschnurren. All das lässt er funktionieren, durch Effekte, die eben gerade nicht wie Effekte wirken. Das ist der ‚Blade Runner‘ Effekt von Effekten und Design so durchdacht, dass es wie eine funktionierende, gelebte Welt wirkt und nicht wie Kulisse für eine Handlung. Damit wird der Film, wie übrigens auch das Buch, zu Recht in einem Atemzug mit ‚Der Herr Der Ringe‘ genannt (Tolkien fand ‚Dune‘ übrigens furchtbar, hat das aber nie genauer ausgeführt. Nach allem was ich über ihn weiß, wären das vermutlich eh 10 Seiten darüber geworden, wie dämlich es aus linguistischer Sicht ist, dass im Jahr 10191 ein Typ „Duncan Idaho“ heißt). Aber es ist nicht nur das, er macht Dinge wie Körperschilde, Ornithopter und gigantische Sandwürmer glaubhaft und, meine Güte, ich glaube so gruselig wie hier waren Laser noch nie (nein, nicht mal, wenn sie auf den Kopf eines Hais montiert sind)! Der Film erweckt in mir, was heute nur noch ganz wenigen Effektgewittern gelingt: einen „Sense Of Wonder“ zu erwecken. Und das ist bei einem solchen Film vielleicht wichtiger als die Handlung selbst. Wie beim ersten ‚Star Wars‘ ist da dieses faszinierende Gefühl einer größeren, funktionierenden Welt.

Darstellerisch fährt der Film hier eine ganz große Riege auf. Hier ist es vor allem die zentrale Familie Atreides, die zu überzeugen weiß. Insbesondere Thimotee Chalamet, der seinem Paul eine seltsame Mischung aus Arroganz, Verletzlichkeit und Wärme verleiht. Oscar Isaacs ist die väterlichste Version Letos, die wir bislang zu sehen bekamen. Stellan Skarsgårds Baron Harkonnen ist nicht Lynchs groteskes Monster, aber auch nicht ganz der widerwärtige Machpolitiker des Buches. Er erinnert am ehesten an Col. Kurtz aus ‚Apocalypse Now‘. Zerstörerische Wut hinter einem scheinbar serenen Äußeren.

Man darf sich jetzt gern fragen, warum ich hier so viel über gelungene Adaption und Spezialeffekte schreibe und weniger über den Film als solchen. Die Antwort ist, dass das hier eben kaum ein vollständiger Film ist. Die Handlung endet ziemlich genau in der Mitte des Buches, nicht unbedingt an einer befriedigenden Stelle. Es ist ein wenig erstaunlich, dass Warner kaum darauf hinweist, dass es sich hier explizit um einen Teil 1 handelt. Tatsächlich habe ich „Part 1“ nur in der Titelkarte des Films für ca. eine Sekunde ausmachen können. Vermutlich hatte man Sorge, Publikum mit einem Teil eins abzuschrecken, ich hoffe nur, man hat es nun nicht frustriert. Ich bin jedenfalls gespannt das Gesamtwerk sehen zu können. Hoffentlich wird Teil 2 erfolgreich genug, dass Villeneuve auch ‚Dune Messiah‘ adaptieren kann, wie er das gern möchte.

Wer sich die Zeit bis Teil 2 mit Lesen verkürzen möchte, bekommt hier meine simple Empfehlung für die ‚Dune‘ Reihe: lest so weit, bis ihr keinen Spaß mehr habt. Es wird eher nicht besser. Das gilt für die sechs Bücher von Frank Herbert. Die zahllosen von seinem Sohn Brian und Kevin J. Anderson könnt Ihr Euch direkt sparen.

Okay, hier noch ein Mega-nerdiges PS: glaubt irgendwer außer mir, dass der Angriff der Fremen auf den Ernter ganz am Anfang, den dieser mit einer ganzen Salve tödlicher Raketen beantwortet eine augenzwinkernde Anspielung auf die allzu hilflosen Ernter des Spiel ‚Dune II‘ von 1992 ist? Nein? Okay, habt halt alle Unrecht!

‚Star Trek: Der erste Kontakt‘ (1996)

Nachdem ich vor kurzem die erste, durchwachsene Staffel von ‚Picard‘ gesehen habe, hatte ich ernsthaft Lust diesen Film wieder einmal zu schauen. In meinem persönlichen Ranking ist er der beste Kinofilm der „Next Generation“-Crew (ich nutze die Gelegenheit einfach mal, um anzumerken, dass ‚Treffen der Generationen‘ aber bei weitem nicht so schlecht wie sein Ruf ist) und landet auf Platz drei hinter den beiden Nicholas Meyer Filmen ‚Der Zorn des Khan‘ und ‚Das unentdeckte Land‘. Es war die erste Kino-Regiearbeit von Riker-Darsteller Jonathan Frakes, der zuvor nur bei einigen Folgen fürs TV Regie geführt hatte. Doch da für das Gelingen eines Star Trek Films ein inhärentes Verständnis der schwer greifbaren „Star Trek-Haftigkeit“ sehr wichtig ist, ist er bei weitem nicht der erste Darsteller, der auf den Regie-Stuhl befördert wurde. Mal mit mehr (Leonard Nimoy), mal mit weniger (William Shatner) Erfolg. Ich jedenfalls war gespannt, ob meine Begeisterung für den Film einem neuen Ansehen standhalten würde (Spoiler: ja, tut sie).

Ein gigantischer Kubus der Borg, eine kybernetische Schwarmintelligenz, die jedes intelligente Lebewesen, das ihnen begegnet als Cyborg-Drohne in ihr Kollektiv integriert oder zerstört, befindet sich auf direktem Angriffskurs auf die Erde. Captain Picard (Patrick Stewart) führt die brandneue Enterprise E in die Schlacht gegen die Invasoren. Entgegen direkter Befehle, die ihn fernhalten sollten, da er selbst bereits einmal in das Kollektiv assimiliert wurde. Der Kubus wird zerstört, doch ein kleines Schiff der Borg verschwindet in einem Zeitstrudel. Im nächsten Moment ist die gesamte Erde „borgifiziert“. Die Eroberung hat in der Vergangenheit, Mitte des 21. Jahrhunderts, kurz nach dem dritten Weltkrieg, stattgefunden. Die Enterprise folgt den Borg durch den Zeitstrudel und kann das Schiff zerstören, kurz nachdem es eine Anlage in Nordamerika beschossen hat. Das Problem ist, dass das zerstörte Lager der Ort ist von dem aus am nächsten Tag Zefram Cochrane (James Cromwell) zum ersten menschlichen Warpflug starten würde. Dieser Flug würde von einem Schiff der Vulkanier beobachtet, die daraufhin den titelgebenden Erstkontakt zur Menschheit aufnehmen, der zur Gründung der Föderation führt. Um das noch zu schaffen benötigt Cochrane Hilfe von der Crew der Enterprise. Doch dann stellt sich heraus, dass die Borg alles andere als besiegt und dabei sind die Enterprise zu übernehmen.

Ich werde Frakes hier nun sicherlich nicht als brillanten Regisseur hinstellen, doch alles was er hier abliefert ist mindestens solides Handwerk, gelegentlich aber, etwa Picards anfänglicher Borg-Alptraum oder der schwerelose Kampf auf der Außenhülle des Schiffes durchaus kreativ und elegant inszeniertes SciFi Kino. Er erzählt schwungvoll und temporeich. So Schwungvoll, dass man kaum Gelegenheit hat gewisse Logikfragen zu stellen. Fragen wie „die Borg können zeitreisen?“ oder „und wie genau reist die Enterprise am Ende in ihre Zeit zurück?“. Aber das ist das Ding mit Zeitreise-Plots, man tut sich nie einen großen Gefallen, wenn man allzu genau drüber nachdenkt. Was damals sicherlich toll war, aus heutiger Sicht aber etwas überflüssig ist Frakes‘ Bemühen, den Film exakt im Star Trek-Kanon zu verorten. Es passt durchaus, dass etwa Worf (Michael Dorn) anfangs die Defiant kommandiert, aber wenn Robert Picardo einen ca. 10 sekündigen Cameo-Auftritt als medizinisches Notfallprogramm absolviert ist wenigstens mir das ein bisschen zu viel Fanservice. Nicht das ich mich ernsthaft über 10 Sekunden aufregen würde.

Was ‚Der erste Kontakt‘ aber wirklich auszeichnet ist etwas, wovon sich zahllose, gerade aktuelle Blockbuster etwas abschauen könnten. Die besten Star Trek Filme haben einen vergleichsweise „kleinen“ Rahmen, was die Bedeutung ihrer Handlung angeht. Khan etwa hat keine Pläne, die über die Rache an der Crew der Enterprise und Kirk im Speziellen hinausgehen. In ‚Das Unentdeckte Land‘ ist die Gefahr, dass der Status Quo, sprich der Kriegszustand zwischen Föderation und Klingonen, erhalten bleibt. Die Filme arbeiten nicht mit riesigen Bedrohungen, von denen wir als Zuschauer eh wüssten, dass sie nicht eintreten, sondern sie bedrohen ganz gezielt Charaktere, die wir mögen. ‚Der erste Kontakt‘ nutzt eine Mischform, wenn man so will. Er droht nicht nur die Menschheit zu Borg zu machen, sondern die Föderation, die Grundlage von Star Trek, auszulöschen bevor sie existiert. Aber diese Dinge bleiben Abstraktionen im Hintergrund. Die Motivation im Film bleibt jeden Moment persönlich. Wir wollen nicht, dass die Borg die Enterprise übernehmen. Wir wollen, dass Zefram Cochrane seinen Warpflug antritt. Weil wir die Crew und auch die neuen Charaktere mögen. Die apokalyptische Gefahr ist immer auch eine persönliche. Deswegen sind wir investiert. Ich für meinen Teil jedenfalls deutlich mehr, als wenn sich zwei gewichtslose CGI puppen vor dem Todesstrahl aus dem Himmel prügeln. 

Die ‚Next Generation‘ Crew spielt ihre Rollen mit der Eleganz jahrelanger Erfahrung. Jeder hier hat die Beziehungen vollständig begriffen. Stewart spielt seinen Captain mit ungewohnter, aus seinen traumatischen Erlebnissen mit den Borg aber vollkommen folgerichtiger Besessenheit. Bemerkenswert, dass es Alfre Woodards Lily ist, eine Frau aus der Vergangenheit, die an Bord der Enterprise gebracht wird, die Picard seine Verblendung deutlich macht. Ein auffälliger Hinweis darauf, dass es vermutlich Lily war, die Zefram Cochrane ohne das Auftauchen der Zeitreisenden auf Kurs gehalten hätte. James Cromwell jedenfalls hat großen Spaß als trinkender Chaot, der mit der Idee, dass die gesamte Zukunft der Menschheit auf seinen Schultern lastet nicht wirklich gut zurecht kommt. Riker, Troy (Marina Sirtis) und Geordi La Forge (LeVar Burton) sind zwar wenig mehr als Stichwortgeber für ihn, haben aber den einen oder anderen unterhaltsamen Moment. Mit der Borgkönigin habe ich meine Probleme. Sicher nicht wegen Alice Kriges Darstellung, die ihr hier gekonnt eine verstörende Mischung aus Verführung und Besessenheit verpasst, sondern weil ich die Borg als hierarchielosen Schwarm, ohne jedes greifbare Zentrum VIEL spannender und bedrohlicher finde. Auch habe ich ihre Verführung von Data (Brent Spiner) nicht eine Sekunde geglaubt. Aber sie erklärt sich natürlich aus der oben von mir ausdrücklich gelobten persönlichen Bedrohung, die vielleicht eine gewisse Personifikation der Borg notwendig macht. Ach ja, und dann ist da noch Neal McDonough als neues Enterprise Crewmitglied Hawk. Der trägt, aufgrund des neuen Uniformdesigns, nicht direkt ein rotes Hemd, aber seine Chancen den Abspann zu sehen waren von Anfang an eher minimal.

Der Film stammt aus einer Zeit, die mir tricktechnisch, sicherlich auch mit nostalgischer Verklärung, sehr gut gefällt. Eine clevere Mischung aus praktischen Effekten und CGI lässt viel davon auch heute noch gut aussehen. Und das bei einem Budget von 45 Millionen Dollar, was bei heutigen Blockbustern vermutlich gerade das Catering finanzieren würde. Lediglich einige Greenscreeneffekte, allen voran Actionheld Picard zum Ende des Films lassen ihr Alter erkennen. Aber die Action-Setpieces sind grundsätzlich flott, schick und kreativ inszeniert, etwa Picards Dick Tracy-eskes Holodeckprogramm, in dem er hier Borgdrohnen mit einer Tommygun über den Haufen schießt.

Doch, ‚Der erste Kontakt‘ macht mir immer noch großen Spaß. Mit ‚Der Aufstand‘ würde sich herausstellen, dass Frakes gegen ein allzu lahmes Drehbuch nicht anfilmen kann und das Ergebnis erinnert eher an eine mäßige Doppelfolge der Serie als einen Film. Stuart Bairds ‚Nemesis‘ war dann eher generische SciFi Action, wie es sie zum Jahrtausendwechsel viel gab, als Star Trek. Und damit das Ende der „Next Generation“ Filme und von Star Trek im Kino allgemein für einen guten Teil der 2000er. Somit bleibt ‚Der erste Kontakt‘ ein spätes Aufblühen der originalen Star Trek Filmreihe von 1979 bis 2002.  

‚Tron Legacy‘ (2010) – „Rinzler!“

Gleich nach 1977 wollte jedes Studio sein eigenes ‚Star Wars‘ haben. Allen voran das arg gebeutelte Disney. Sie starteten mehrere durchaus ambitionierte und faszinierende Versuche, von denen aber keiner so recht die Popkultur in Flammen setzen wollte. Der interessanteste Film aus dieser Zeit ist vermutlich ‚Tron‘. Eine Art ‚Zauberer von Oz‘ für die Atari-Generation. Statt böser Hexe gab es Master Control Program, statt „ruby slippers“ „Lightcycles“. Und statt Judy Garland Jeff Bridges, der als Hacker Kevin Flynn herausfindet, dass die Programme der Firma EnCom auf dem „Grid“, einer Art virtuellen Realität existieren, wo sie die Gesichtszüge ihrer User tragen. Doch mit einem speziellen Laser können auch User, namentlich Flynn, auf den Grid digitalisiert werden. Mit seiner Schwarzlichtoptik und dem Soundtrack von Elektromusik-Pionierin Wendy Carlos wirkt der Film einerseits sehr aus seiner Zeit, andererseits aber auch absolut einzigartig. Er mag kein grandioser Film sein, doch seinen Kultstatus hat er völlig zu Recht. Dieser Kultstatus dürfte denn auch der Grund gewesen sein, dass Disney vor 11 Jahren ein Sequel veröffentlicht hat. Auch das hat in der Popkultur keine tiefen Spuren hinterlassen, aber inzwischen seinen eigenen, durchaus verdienten, Kultstatus. Schauen wir mal warum.

Nachdem Kevin Flynn (Jeff Bridges), nach den Geschehnissen des ersten Films, als neuer CEO von EnCom gemeinsam mit den Programmen Tron (Bruce Boxleitner) und seinem eigenen Clu (ebenfalls Bridges) einen neuen „Grid“ erschaffen hat, verschwindet er von einem Tag auf den anderen und lässt seinen jungen Sohn zurück. 20 Jahre später ist EnCom eine Art Microsoft geworden und Flynns Sohn Sam (Garrett Hedlund) einerseits Mehrheitseigentümer, andererseits ein Hacker/Prankster/Saboteur, der die Firma vorführt. Als der alte Kollege seines Vaters Alan Bradley (Boxleitner) eine Nachricht des verschwundenen Flynns erhält, macht sich Sam auf die Suche in dessen alter Videospiel-Arcade. Hier wird er alsbald von einem Laser auf den neuen Grid gebeamt, jenen seltsamen, virtuellen Raum, in dem personifizierte Programme existieren. Schnell stellt sich heraus, das Clu hier, in Folge des Auftauchens „isomorpher Algorithmen“, natürlich entstehender Programme, die die „Perfektion des Grid in seinen Augen bedrohten, die Macht an sich gerissen hat, Flynn irgendwo versteckt ist und sich die reale Welt tatsächlich in einiger Gefahr befindet.

Das erste was auffällt ist, wie gut es Regisseur Joseph Kosinski gelungen ist, die Videospiel-Ästhetik ins Jetzt (oder wenigstens das Jetzt vor 10 Jahren) zu befördern. Das fällt schon auf, bevor wir überhaupt auf dem Grid sind. Die Eröffnungsszene, wenn Sam in das Gebäude von EnCom einbricht erinnert inszenatorisch frappierend an „Open World“ Spiele wie ‚GTA‘. Bloß dass der Massenmord fehlt. Aber auch auf dem Grid selbst ist die Ästhetik geschickt und elegant modernisiert, so dass sie sich gleichzeitig zeitgemäß anfühlt, sich aber gleichzeitig direkt aus ‚Tron‘ herleitet.

Okay, wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, der Film lebt für mich vollständig von seiner audio-visuellen Inszenierung. Der leuchtende, andersweltliche, aber doch vertraute Grid unterlegt vom grandiosen Soundtrack von Daft Punk, die hier quasi orchestrale Elektromusik schaffen ist für mich nichts weniger als großartig. Was ich mir vor allem gewünscht habe, ist mehr von dieser Welt zu sehen. Dabei bekommen wir durchaus einiges geboten, Höhepunkt für mich war der „End of the line club“, in dem das schillernde Programm Zuse (Martin Sheen), irgendwo zwischen David Bowie und Frank-n-Furter, Hof hält. Hier hat auch das Soundtrack-Duo einen völlig logischen, nicht aufgesetzt wirkenden Cameo-Auftritt. Ich kann kaum in Worte fassen, wie schnell ich bei einer Wiederaufführung auf der Größtmögliche Leinwand im Kino wäre.

Abseits der Schau- und Hörwerte des Films wird es dann jedoch durchaus schwieriger. Sam ist ein wahnsinnig blasser Charakter, dem Darsteller Hedlund kaum Profil verleihen kann. Jeff Bridges ist sympathisch wie immer, verfällt als Flynn aber gelegentlich in Lebowski, was zwar lustig, dem Charakter aber nicht unbedingt zuträglich ist. Sein digital verjüngtes Gesicht in den 80er Rückblenden ist furchtbar, aber für Clu funktioniert es ganz großartig. Denn der soll ja gerade ein digitales Zerrbild des Menschen Flynn sein. Von den drei Hauptdarstellern kommt für mich Olivia Wilde am besten weg. Ihre Quorra ist ein Programm auf Seiten Flynns und Sams, einerseits neugierig-naiv, andererseits loyal und wagemutig. Vor ihr hätt ich gern mehr gesehen als von Mr. Zahncreme-Reklame-Sam. Außerdem, öh, kann mir irgendwer erklären, warum Cillian Murphy für etwa 30 Sekunden als Sohn von David Warners Charakter aus dem ersten Film auftaucht? Ich habe den ganzen Rest des Films gewartet, dass der wiederkommt, tat er aber nicht. War das als Cameo gedacht? Gab’s da Streit? Seltsam. Noch ne Frage: warum war Trons Gesicht nie deutlich erkennbar? Hat Bruce Boxleitner untersagt sich digital verjüngen zu lassen? So viele Fragen!

Die Action ist unterhaltsam (und erstaunlich nachvollziehbar, dafür dass hier sicherlich viel CGI am Werk ist), das Worldbuilding grandios, die Ästhetik interessant, die Story ist simpel. Das ist nicht unbedingt ein Problem, für mich jedenfalls war es kein großes. Das Ende war ein bisschen zu over-the-top für mich, aber unter Bedrohung für die ganze Welt steht seit den 2010ern ja kein Blockbuster überhaupt auf. Wobei ich schon gern gesehen hätte, was passiert wäre, wenn Clus heimtückischer Plan gelungen wäre.

Das ist der zweite Film von Joseph Kosinski, den ich kenne und wie der andere, ‚Oblivion‘, ist er ein hochelegant inszenierter SciFi-Film, mit einem KILLER-Soundtrack und einer Story, die sich leider nicht gerade im Gedächtnis festsetzt. Beide mag ich sehr, bei beiden tue ich mich schwer damit eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Sprechen sie einen an, wie sie es bei mir tun, wird man ihnen ihre Schwächen nicht nur vergeben, sie werden kaum ins Gewicht fallen. Aber wenn nicht, dann können sie vermutlich schon reichlich öde wirken. Aber ein Double-Feature mit dem Original und dieser Fortsetzung ist auf jeden Fall ein ziemlich einzigartiger Filmabend. Und dagegen kann man doch nun wirklich nix haben.

PS: Arrgh, das Art-Book ist nur noch gebraucht zu… interessanten Preisen zu haben. Manchmal wird es halt bestraft 11 Jahre zu spät dran zu sein.