‚Matrix‘ (1999) – „Whoa, deja-vu!“

Kein Film bleibt in seiner Wahrnehmung 20 Jahre lang unverändert. ‚Matrix‘ war gleichsam absolutes Kind seiner Zeit, eine perfekte Abbildung von Mode, Musik und allgemeiner „Coolness“ der späten 90er, wie auch Trendsetter sowohl in technischer als auch in erzählerischer Hinsicht für den frühen Film des frühen 21sten Jahrhunderts. Dann wurden allerdings die Beine des kulturellen Thrones sehr schnell wackelig, als ein mäßiges und ein schlechtes Sequel folgten und ‚Matrix‘ noch dazu eines der Opfer des damaligen Trends zur Multimedialität wurde und für seine Sequels Handlungselemente in einen animierten Kurzfilm und ein hingeschludertes Videospiel auslagerte. Doch darum soll es heute nicht gehen. Heute sprechen wir über ‚Matrix‘ und der war ein Brett, ist noch ein Brett und wird es auch in 20 Jahren noch sein. Ich glaube was ihn so sehr zu einem Kung-Fu-Schlag vor das Brustbein machte, war wie überraschend er aus dem Nichts kam. Fangen wir da am besten an.

Lana und Lilly Wachowski setzten einen Fuß in die Tür Hollywoods durch ihre Mitarbeit am Drehbuch zum Stallone/Banderas Film ‚Assassins‘ (1995). In der Studioführung Warners erwartete man ganz Großes von dem Film. Ein neues Franchise sollte er begründen, zahlreiche Sequels nach sich ziehen. Noch bevor sich zeigte, dass der Rest der Welt deutlich weniger von ‚Assassins‘ hielt als die Warner-Bosse, stellten die Wachowskis Warner ihr eigenes Regieprojekt vor: ‚Bound‘, ein Arthouse-Neo-Noir-Thriller. Warner zeigte sich bereit den zu finanzieren. Aber nur, wenn sie ihre weibliche, lesbische Hauptrolle gegen ein Mann eintauschten. Dazu waren sie nicht bereit. Hier sprang glücklicherweise der ausführende Produzent von ‚Assassins‘, Dino De Laurentiis ein. Er gab ihnen 6 Millionen Dollar Budget und völlig freie Hand. Sie drehten mit Gina Gershon und Jennifer Tilly in den Hauptrollen und Joe Pantoliano als Fiesling. Der Film spielte sein Geld wieder ein, plus einiges dazu und wurde zu einem Kritikerhit. Beim nächsten Mal würde Warner den Wachwoskis wohl genauer zuhören.

Allerdings hatte man bei Warner als nächstes wohl mit einem weiteren Neo-Noir gerechnet. Das war in den 80ern/90ern ein respektables Genre und ein anderes Geschwisterpaar, die Coens, war dort groß geworden. Doch die Wachowskis kamen mit etwas anderem. Einem Arthouse-Science Fiction-Cyberpunk Film. Auch das war in den späten 90ern nicht so ungewöhnlich, doch sollte der 60 statt 6 Millionen Dollar kosten. Dennoch, Warner blieb interessiert, holte sich aber Village Roadshow zusätzlich ins Boot, um das finanzielle Risiko zu teilen. Den Wachowskis ließ man erneut freie Hand. Als sie ihre Stars zu monatelangem Kampfsport- und Stunt Training unter dem Hong Kong-stämmigen Yuen Woo Ping ansetzten und sie in den Pausen philosophische Literatur büffeln ließen, dürften bei Warner die einen oder anderen Fingernägel angekaut worden sein. Das gab sich wohl erst, als der Film nicht nur ein kultureller Meilenstein wurde, sondern auch eine knappe halbe Milliarde Dollar einspielte.

Die Produktion ist so gut dokumentiert wie sonst höchstens noch die ‚Herr der Ringe‘ Filme, darum will ich darüber hier nichts schreiben. Erwähnt sei nur die Anekdote, dass Hauptdarsteller Keanu Reeves im Kampftraining einen Unfall erlitt, infolge dessen es zu einer Versteifung zweier Halswirbel kam. Daher litt er längere Zeit an Lähmungserscheinungen in den Beinen. Doch Reeves weigerte sich das Training auszusetzen, geschweige denn die Rolle abzugeben. So tritt Neo im Film kaum (und wenn ist meist nur „sein“ Bein im Bild), sondern kämpft mit den Fäusten. Umso befriedigender, wenn er am Ende des Films Widersacher Agent Smith gleich einen ganzen Gang hinunterkickt.

Das bringt mich dazu, dass ich vielleicht kurz die Handlung zusammenfassen sollte. Mr. Anderson (Keanu Reeves ) führt ein Doppelleben. Tagsüber Programmierer für eine Softwarefirma, nachts als Hacker Neo auf der Suche im Netz nach jemandem namens „Morpheus“, getrieben von einem Gefühl, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. In einem Club trifft er Hacker-Legende Trinity (Carrie-Ann Moss), die ihm mitteilt, dass Morpheus auch ihn sucht. Alsbald sieht sich Neo von mysteriösen Agenten unter der Leitung eines Smith (Hugo Weaving) verfolgt, deren Handeln ihn noch mehr an der Welt zweifeln lässt. Endlich begegnet er Morpheus (Lawrence Fishburne) und erfährt die ganze Wahrheit. Seine Welt existiert nicht. Es ist eine Simulation, die „Matrix“. Tatsächlich werden die Menschen schon lange von den Maschinen als biologische Batterien gehalten. Nur wenige sind frei und versuchen weitere aus der Gefangenschaft zu befreien. Tatsächlich glaubt Morpheus gar mit Neo den „Einen“ gefunden zu haben. Den Menschen, der die Matrix kontrollieren kann.

Heute gesehen, fühlt sich der Film erstaunlich wie eine „Brücke“ zwischen klassischem Actionfilm und dem modernen Superheldenfilm an. Machen wir das mal an der Eröffnung fest. Eine Gruppe Polizisten hat „Terroristin“ Trinity in einem leeren Warenhaus in die Enge getrieben. Eine Gruppe Agenten übernimmt die Situation. Als Zuschauer werden wir dank (damals) unbekannten Darstellern wie Moss und Weaving vor die Frage gestellt, wer ist eigentlich „gut“, wer ist „böse“? Die Agenten oder die mysteriöse Frau im engen Leder? Es folgt eine Verfolgung über Häuserdächer (übrigens dieselben Kulissen aus dem thematisch ähnlichen ‚Dark City‘), der sich mit gigantischem Soundtrack und teilweise deutlichen Sets sehr nach „altem“ Hollywood anfühlt. Die Szene endet damit, dass Trinity einen unmöglichen Sprung über eine breite Straße hinweg hinlegt, verfolgt vom Agenten (der gar in typischer Superheldenpose landet). Wir haben den modernen Film erreicht, die Polizisten bleiben verwirrt und hilflos zurück. Dieser Übergang von Alten zum Neuen lässt sich überall im Film finden, nicht zuletzt, wenn sich am Ende Neo Superman-artig aus den Häuserschluchten erhebt.

Über die philosophischen Grundlagen des Films ist an anderen Stellen weit ausführlicher und kompetenter berichtet worden (die Bluray kommt gar mit Audiokommentar von Philosophen daher) als mir das hier möglich wäre. Ich möchte nur noch einmal hervorheben, dass kein Film 20 Jahre lang unverändert wahrgenommen wird. Und mit dem was wir heute darüber wissen, dass Lilly und Lana Wachowski Transfrauen sind, erhalten manche Szenen sicherlich eine weit persönlichere Bedeutung als man damals ahnen konnte. Sei es Neo, der weiß, dass sein wahrer Name Neo ist, doch eine Horde anzugstragender Autoritätspersonen (die Agenten) besteht darauf ihn weiter „Mr. Anderson“ zu nennen. Oder auch der erste Dialog zwischen Trintiy und Neo: Neo „I thought you were a guy.“ Trinity: „Most guys do.“ Oder schlicht die Tatsache, dass Neo eine Pille einnimmt um zu der Person zu werden, die er wirklich ist.

Thematisch passt sich das natürlich wunderbar in das grundsätzliche Thema des Films um Erkenntnis, Platons Höhlengleichnis etwa wird direkt zitiert, und vor allem Selbsterkenntnis ein. Temet Nosce steht über der Tür des Orakels (Gloria Foster), die lateinische Version der altgriechischen Phrase „Gnothi seauton“, die über dem Tor zur Pythia im Apollonischen Orakel zu Delphi stand. „Erkenne Dich selbst“. Da passt es, dass die Sprüche dieses Matrix-Orakels keinesfalls deterministische Zukunftsvoraussagen sind, sondern notwendige, wenn auch kryptische Informationen eben zur Selbsterkenntnis. Daher vergebe ich ‚Matrix‘ auch die Verwendung meiner wohl meistgehassten erzählerischen Faulheitsstütze: die Prophezeiung, die uns sagt, dass der Hauptdarsteller des Films der Held ist und auf die sich Morpheus immer wieder bezieht, damit wir das auch wirklich kapieren. Hier, im Gegensatz zu fast jeder anderen Verwendung, funktioniert sie (halbwegs).

Was mir bei diesem Sehen ganz persönlich aufgefallen ist, ist zum ersten, dass ich erschreckend mit Cypher (Joe Pantoliano) übereinstimme. Nicht mit seinem Verrat und seinen Morden, natürlich, aber damit, dass ich lieber für den Rest meines Lebens simuliertes Steak mit simuliertem Wein genießen würde, als echten Proteinrotz mit echtem, selbstdestillierten Hirntöter, während ich ein Leben auf beständiger Flucht führe. Ja, ich fürchte, ich wäre schwer aus der Matrix zu befreien (aber, hey, Morpheus sagt ja selbst, dass das ab einem bestimmten Alter kaum noch möglich ist. Das hab ich wohl überschritten…). Weiterhin hat mich überrascht, dass der Film deutlich weniger Action enthält als sich in meiner Erinnerung abgesetzt hatte. Aber das liegt vermutlich daran, dass gerade die letzte dreiviertel Stunde, nachdem Trinity und Neo beschließen Morpheus zu befreien, eine Actionszene nach der anderen ist. Von der grandiosen Schießerei in der Empfangshalle zum Kampf gegen den Agenten auf dem Dach, zur Hubschrauberrettung, zum Kampf Neo/Smith in der Ubahnstation usw.

Funktioniert ‚Matrix‘ also 21 Jahre nach Erscheinen und sicher 16 Jahre seit meiner letzten Sichtung noch? Die Frage habe ich ja eingangs schon beantwortet: ja, natürlich funktioniert er noch. In mancher Hinsicht womöglich besser als damals. Die Idee von Neos Doppelleben in „Realität“ und Online ist heute besser nachzuvollziehen als je zuvor, wo jeder mindestens einen Sozialmedien-Account hat, auf dem die meisten, absichtlich oder unabsichtlich, eher eine Version ihrer selbst als tatsächlich sich präsentieren. Die CGI Effekte haben, vor allem verglichen mit dem etwa gleichalten ‚Star Wars Episode I‘, die Zeit erstaunlich gut überstanden. Schwach wirkt nur die ein- oder andere Greenscreenaufnahme. Tatsächlich hat mir der Film diesmal so gut gefallen, dass ich fast gewillt bin den Fortsetzungen eine weitere Chance zu geben. Sollte ich das tun und sollten sie mir gefallen, dann werdet Ihr an dieser Stelle darüber erfahren. Und dem vierten ‚Matrix‘ Film schaue ich einmal skeptisch aber nicht hoffnungslos entgegen.

PS: eine Frage für Experten: wurde für die BluRay die Grünfärbung in den Matrix-Szenen deutlich zurückgenommen? Oder kommt mir das nur so vor? Oder hab ich meinen Fernseher falsch eingestellt? Oder das Ganze nur falsch in Erinnerung?

‚Robot & Frank‘ (2012)

Besprechungstechnisch beginne ich dieses Jahr mit einer kleinen Herausforderung an mich selbst. Wie mache ich meinen Lesern einen Film schmackhaft, der mir selbst sehr gut gefallen hat, den ich aber schwerlich mit allerlei Superlativen beschreiben kann? ‚Robot & Frank‘ wurde zu seiner Zeit weitgehend übersehen. Ob das am relativ lahmen Titel, dem ähnlich lahmen Poster, oder am Hauptdarsteller Frank Langella, der zwar großartig aber doch nicht wahnsinnig bekannt ist liegt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich den Film sehr mochte.

In einer nahen Zukunft ist Frank (Frank Langella) ein alternder Eigenbrötler. Seine einzigen regelmäßigen Tätigkeiten bestehen darin die örtliche Leihbücherei und vor allem Bibliothekarin Jennifer (Susan Sarandon) zu besuchen und Seifentiere aus einem Parfümladen mitgehen zu lassen. Als Frank immer stärkere Anzeichen von Altersdemenz zeigt, bringt ihm sein entfremdeter Sohn Hunter (James Marsden) den Pflegeroboter VGC-60L vorbei. Der beginnt sofort Franks Ernährung umzustellen, einen geregelten Tagesplan zu erstellen und Frank zu Beschäftigungen zu animieren, die seine kognitiven Fähigkeiten stärken, Gartenarbeit etwa. Frank will anfänglich wenig davon wissen. Doch dann bemerkt er, dass sein Roboter bereit ist juristische Regeln zu brechen, um dem Wohlbefinden seiner Pflegeperson dienlich zu sein. Frank war mal ein erfolgreicher Juwelendieb. Und mit der Fingerfertigkeit seines neuen Pflegers eröffnen sich Möglichkeiten zu neuen Diebestouren. Für den Roboter ist nicht bestreitbar, dass die Planung von Brüchen Franks Geist anregt wie wenig anderes. Da wird es geradezu zum Problem, als Franks Tochter Madison auftaucht, die sich, erschüttert davon, dass Hunter ihn mit einer Maschine alleinlassen will, um ihren Vater kümmern möchte.

Schon die Genre-Zuordnung des Films ist schwierig. Er hat Elemente des Science Fiction-Films, des Heist-Films, der Buddy Komödie, doch ist er letztlich vor allem eine Charakterstudie. Frank mit seinen Stärken und Schwächen steht hier im Zentrum des Films. Und natürlich ahnen wir schon am Anfang, wenn der Technikverweigerer seinen Roboter bekommt (dem er nie einen Namen gibt), dass er am Ende hier einen Freund finden wird. Doch der Weg, wie die Unterschiede zwischen beiden überwunden werden ist ein interessanter. Der Film hält uns zumeist streng in Franks Perspektive. Wenn etwa Madison bei ihm einzieht um zu helfen, dann ist das, aus Sicht Franks, eben kein liebevoller Akt, sondern eine Störung. Frank ist einerseits manipulativ, andererseits zeigt uns der Film immer wieder in Schlüsselszenen wie weit sein geistiger Verfall bereits fortgeschritten ist.

Das wirklich Erstaunliche ist, wie gut der „Robot“ Langellas Frank auf Augenhöhe begegnen kann. Technisch ist er ein Anzug von Alterian, einem Unternehmen das etwa auch Kostüme für die House-Künstler Daft Punk entwirft. Sein Design ist aber ziemlich offensichtlich Hondas ASIMO nachempfunden. Im Kostüm steckt Tänzerin Rachael Ma (die darin wohl sehr gelitten hat) und die Stimme verleiht ihm im Original Peter Sarsgaard. Was „Robot“ so gut funktionieren lässt, ist das Drehbuchautor Christopher Ford hier erkennbar ohne ein direktes moralisches Urteil über Technologie geschrieben hat. Technik ist nicht „gut“ oder „böse“ es kommt darauf an, wie wir damit umgehen. Dabei gelingt es Buch, Darstellung und der Regie des Erstlings Jake Schreier diese Maschine sympathisch zu machen, ohne sie je aus ihrer Rolle fallen zu lassen. Wenn Frank und Jennifer den Pflegeroboter und den Bibliotheksroboter „Mr. Darcy“ zu einem Gespräch animieren, dann kommen dabei nicht C3PO und R2-D2 heraus, sondern zwei Maschinen, die einander eigentlich nichts zu sagen haben…was wiederum schwerlich von erzwungenem menschlichen Smalltalk zu unterscheiden ist. Am Ende scheint die markanteste Trennlinie die zwischen der Imperfektion des biologischen Speichersystems Gehirn und dem perfekten Maschinenspeicher, dessen Löschung dennoch nur einen Knopfdruck entfernt ist.

Optisch ist ‚Robot & Frank‘ kein Film der umhaut. Die Produktionsdesigns, nicht nur der Roboter auch und vor allem solcher Dinge wie foliendünnen Smartphones, sind sehr gelungen, die übrige visuelle Gestaltung des Films ist zweckmäßig, aber nichts was übermäßig in Erinnerung bleiben würde.

Muss sie aber auch gar nicht, denn das hier ist Frank Langellas Film und beinahe alles andere ist Beiwerk. Ich muss zugeben, bislang war ich mir Langellas eigentlich nur als Nixon aus ‚Frost/Nixon‘ und als Bösewicht in allerlei Flops (‚Die Piratenbraut‘, ‚Masters oft he Universe‘) bewusst. Doch was er hier abliefert ist reichlich grandios. Alles was er tut wirkt glaubhaft, ob er die Tatsache herunterspielt, dass er dachte sein Sohn sei noch auf der Uni, die der vor 15 Jahren beendet hat, oder sich in Ablenkungsspielchen mit einem, zugegeben nicht sehr hellen Sheriff versucht. Er macht seinen Frank zu einer runden, wenn auch nicht rundum sympathischen Figur. Hier ist die alternde Version des eleganten Juwelendiebs, der nur die unsympathischsten Superreichen von ihren Glitzerklunkern befreit, was die eher als Erniedrigung denn monetären Schaden wahrnehmen. Marsden als enttäuschter Sohn, Tyler als immer etwas zu bemühte Tochter und vor allem Sarandon als einer der wenigen Fixpunkte in Franks Leben machen ihre Sache ebenfalls sehr gut, wissen aber, dass das hier die Langella-Show durch und durch ist.

‚Robot & Frank‘ ist ein eigenwilliger Film. „Alter Mann und sein Robot-Butler erleben Abenteuer“ ist nun nicht eben ein Aufhänger der begeistert sobald man ihn hört. Doch steht hier ein, in meinen Augen, absolut sehenswerter Film dahinter. Nicht nur wegen Langellas schauspielerischer Leistung, sondern auch wegen seines intelligenten, überlegten Umgangs mit künstlicher Intelligenz und unseren Beziehungen zu ihr. Er würde wohl ein sehr gutes Double Feature mit Spike Jonzes ein Jahr jüngerem ‚Her‘ abgeben. Während Jonzes Film romantische Beziehungen betrachtet, wirft dieser hier einen Blick auf das Altern, das Lügen und die Freundschaft.

Die 5 besten und schlechtesten Autos in Science Fiction Filmen

Es ist sicherlich nichts Neues, das ich eine gewisse Affinität zu futuristischen Vehikeln habe. Heute möchte ich mir daher die, meiner Meinung nach, 5 besten, aber auch die 5 schlechtesten Autos die es in Science Fiction Filme geschafft haben ansehen. Wenn ihr anderer Meinung seid, dann dürft Ihr die selbstverständlich in den Kommentaren kundtun. Ich habe übrigens Science Fiction recht frei ausgelegt. Sprich, die Filme müssen nicht unbedingt in der Zukunft spielen, aber gewisse SciFi Elemente mitbringen. Kurz gesagt, ‚Ghostbusters‘ und ‚Batman‘ zählen! Sparen wir uns weitere Vorreden und lassen die Motoren an.

Die 5 besten Autos in Science Fiction Filmen

  1. Tumbler aus ‚Dark Knight‘-Reihe

Ich muss zugeben, ich war reichlich skeptisch, als Christopher Nolan das schlanke, elegante Batmobil durch diese gepanzerte Monstrosität ersetzen wollte. Sicher, Maschinengewehre und Raketenwerfer sind nichts ganz Neues für den fahrbaren Untersatz des dunklen Ritters, aber wäre es nicht doch etwas zu martialisch? Letztlich passte es dann aber ganz wunderbar zu Nolans bodenständigerer Version des Charakters. Und wer hätte im Feierabendverkehr nicht schon einmal Jim Gordons Gedanken „I gotta get me one of those“ gehabt. Und sei es nur für ein paar Sprünge.

  1. Ecto-1 aus ‚Ghostbusters‘

Das Ecto-1 ist eines dieser Fahrzeuge, die man weder optisch noch akustisch je wieder vergisst. Im Grunde ist es ein Cadillac Meteor Miller von 1959, der für gewöhnlich Einsatz als Krankenwagen, oder aber als Leichenwagen gesehen hätte. Ray Stantz kauft ihn quasi schrottreif und völlig überteuert. Doch, nach allerlei Reparaturen, neuem Lack, allerlei Geisterjagd-Gadgets als Dachaufbauten und vor allem mit der merkwürdig weinerlichen Sirene kommt ein Fahrzeug heraus, dass nicht nur im New York der 80er allerlei Aufmerksamkeit auf sich zieht. Fun Fact: Das Ray relativ viel für den Wagen bezahlt, spiegelt die Realität wieder. Während der Planung sollte ein alter Meteor Miller noch 1600 Dollar kosten, als man soweit war einen zu kaufen, waren die Preise auf beinahe 5000 Dollar gestiegen.

  1. Pursuit Special aus ‚Mad Max‘-Reihe

Vermutlich eines der ikonischsten Fahrzeuge in der Science Fiction überhaupt. Ein schwarzer Ford Falcon XB GT von 1973, der für den postapokalyptischen ersten Film allerlei Modifikationen erhielt. Die auffälligste darunter ist sicherlich der Kompressor, so riesig, dass er martialisch durch die Motorhaube ragt. Im Film gilt „Mad“ Max Rockatanskys Fahrzeug als der letzte 8-Zylinder der der Welt. Im nächsten Film ließ sich bereits am Auto absehen, dass die Zeiten noch weit schlechter geworden sind. Weg ist die Kofferraumklappe, um Platz zu schaffen für zwei Benzinfässer, die Max im Niemandsland am Fahren halten. Hier wird der Wagen denn auch zerstört. Im dritten Film kommt das Fahrzeug nicht vor, in ‚Fury Road‘ hat es nur einen Kurzauftritt, wird es von den Warboys gestohlen und schließlich zwischen zwei größeren Fahrzeugen zerquetscht. Das Max offenbar wieder einen 8-Zylinder zur Verfügung hatte wirft (wie vieles andere) Fragen auf, ob es sich um ein Sequel oder doch ein Reboot handelt.

  1. Delorean DMC-12 aus ‚Zurück in die Zukunft‘

Die ‚Zurück in die Zukunft‘ Reihe ist der einzige Grund, warum sich noch irgendjemand an John DeLoreans merkwürdiges Auto aus den frühen 80ern erinnert. Na gut, das und die Flügeltüren. Niemand wollte das vom italienischen Designer Giorgetto Giugiaro entworfene Fahrzeug wirklich haben. Genau genommen hat Giugiaro an DeLorean einen Entwurf übergeben, der vorher von Porsche abgelehnt wurde. Und doch hat dieses merkwürdige Edelstahlauto etwas an sich, was erstaunlich laut 80er schreit. 1982 wurde die Produktion eingestellt. Wenn Doc also 1985 eine Zeitmaschine aus einem DeLorean baut, ist Martys überraschte Frage durchaus angemessen. Wie viel Anteil die Filme daran haben, dass von nur 9000 verkauften Exemplaren noch etwa 6000 erhalten sind, ist natürlich fraglich. Aber es würde mich nicht wundern, wenn in die meisten dieser 6000 Pseudo-Flux-Capacitors eingebaut wären. Wenn schon Zeitreisen, dann mit etwas Stil.

  1. Spinner aus ‚Blade Runner‘

Ein absolutes Meisterwerk des Produktionsdesigns von Syd Mead. Die fahr-, schweb- und flugfähigen Vehikel aus Ridley Scotts faszinierender Dystopie schienen in ihrer ganz eigenen Welt zu existieren. Ebenso imposant wie stilsicher fühlten sie sich als Fahrzeuge einer futuristischen Polizeibehörde einfach „richtig“ an. Natürlich existierten sie nicht lange in ihrer eigenen Welt. Denn Mead hat hier einen Meilenstein geschaffen und in jedem futuristischen Flugfahrzeug in späteren Filmen steckt sicherlich ein gutes Stück des Spinners. So gibt es direkte Hommagen etwa in ‚Das fünfte Element‘ oder den Star Wars Prequels. Mindestens 2 der 25 fahrfähigen Spinner, die für ‚Blade Runner‘ produziert  wurden, stehen übrigens in heftig modifizierter Form im Hintergrund von Hill Valley des Jahres 2015 in ‚Zurück in die Zukunft II‘.

 

Die 5 schlechtesten Autos in Science Fiction Filmen

  1. Alle Autos aus ‚A.I.‘

Die Designer dieses  eher umstrittenen Spielberg-Films haben sich ganz offensichtlich von Syd Mead inspirieren lassen. Allerdings nicht von seinem Spinner, sondern von seinen Entwürfen zu ‚Tron‘. Wenn man allerdings ‚Tron‘-Fahrzeuge nimmt und sie, samt leuchtenden Neonstreifen und abgerundeten Formen aus einer Computerwelt herausnimmt und sie durch eine reale Welt fahren lässt, tja, dann sehen sie leider auf einmal reichlich albern aus. Möglicherweise war genau das auch das Ziel, aber sei es wie es will, mich hat’s aus dem Film gerissen (in dem ich ohnehin nicht besonders tief drin war).

  1. Johnny Cab aus ‚Total Recall‘

Man stelle sich das mal vor: ein autonom fahrendes Auto, dem man einfach sagt wo man hin möchte und dann fährt es los. Okay, wirklich Science Fiction ist das kaum noch. Höchstens deswegen noch, weil dieses Auto auf dem Mars fährt. Oh, und bislang haben wir darauf verzichtet den virtuellen Fahrer durch eine Plastikfigur darzustellen, die beim Fahren vor sich hin pfeift und mit den Augen rollt, wenn der Fahrgast „dumme“ Fragen stellt. Oder versucht ihn zu überfahren, wenn er das Fahrgeld nicht bezahlt. Kurz, die Fahrer KI möglichst unerträglich zu gestalten. Sollte jemals jemand auf diese Interessante Idee kommen, hoffe ich, dass Arnie die erste Fahrt in diesem neuen Auto bekommt. Fun Fact: Die Plastikfigur ist Robert Picardo nachempfunden, der Johnny im Original auch spricht. Picardo würde später einen virtuellen Doktor an Bord der Voyager in der gleichnamigen Star Trek Serie spielen. Vermutlich fuhr er also nur virtuell Taxi, um sich sein virtuelles Studium virtuell zu finanzieren.

  1. Alle 2004-Fahrzeuge aus ‚Time Cop‘

Nachdem 1994 das Zeitreisen entdeckt wurde, muss in den nächsten 10 Jahren beim Design von Automobilen einiges schiefgegangen sein. Weil man im weit entfernten Jahr 2004 auf solchen Blödsinn  wie Windschutzscheiben verzichtet (wer muss schon rausschauen beim Fahren), konnte man sich offensichtliches Gedöns wie Scheinwerfer ebenfalls sparen. Kurz, die Autos von 2004 sehen aus wie ein Barren Metall, der an beiden Seiten abflacht und an den dann Schutzpanele von X- und Y-Wings gelötet wurden. Natürlich besteht die Zeitmaschine dieses Films aus einem Raketenschlitten, der den Zeitreisenden in eine Betonwand ballert. Es ist also gut möglich, dass der Film in einem Paralleluniversum spielt, in dem letale (vor allem für alle anderen) Dosen von Kokain für Ingenieure zur Pflicht wurde. Entworfen wurden die Fahrzeuge übrigens von Syd Mead, der damit eindrucksvoll beweist, dass wirklich jeder mal einen schlechten Tag hat.

  1. RoboCops Wagen aus ‚RoboCop‘

RoboCops Dienstwagen ist ein mattschwarz lackierter 80er Jahre Ford Taurus. Das ist alles. Die einzigen Modifikationen sind Sirene, typischer Polizeilicht-Balken auf dem Dach und ein Gitter zwischen Vorder und Rücksitzen. War hier die Kreativität ausgegangen? Wollte Paul Verhoeven mit der völligen Normalität des Fahrzeugs etwas aussagen? Die Wahrheit ist, es war ein „Robo-Mobil“ geplant, mit allerlei Anbauten und Sonderausstattung. Doch musste Verhoeven an dem Tag, als das Fahrzeug zum ersten Mal ans Set fuhr, feststellen, dass ein Großteil der Crew in spontanes Gelächter ausbrach. Das Ding sah so albern aus, dass es nicht zu verwenden war. Es musste also schneller Ersatz her. Da soeben Fords neuer Taurus erschienen war, wurde dieses, nicht futuristische, aber wenigstens aktuelle Auto zum offiziellen Fahrzeug der Polizei des dystopischen Detroits im Film. Und damit auch zu RoboCops. Bei Ford war man übrigens gar nicht glücklich sein brandneues Modell in einer gewalttätigen, zynischen Dystopie zu sehen. Damit dürfte Verhoeven hier das Gegenteil von bezahltem Product Placement gelungen sein.

  1. James Bonds unsichtbares Auto aus ‚Stirb an einem anderen Tag‘

Ein Auto so schlecht, dass es zu einem weichen Reboot der James Bond Serie geführt hat. Da kann der zugrunde liegende Aston Martin V12 Vanquish erst einmal nichts dafür. Das Problem ist eines der Gadgets die Q in das Fahrzeug einbaut: die Unsichtbarkeit. Natürlich wird das Auto nicht wirklich unsichtbar, das wäre ja albern. Nein eine Reihe von Kameras filmt die Umwelt und das Auto kann diese dann, mittels Bildschirmen,  als Tarnung adaptieren. Im Film sieht das dann aus wie ein schlechter Computereffekt der frühen 2000er. Und genauso sieht auch eine Verfolgungsjagd durch einen Eispalast aus, der von einem Satellitenlaser eingeschmolzen wird. Eine Szene, die visuell noch dümmer ist, als ihre Beschreibung klingt. Da kann auch ein Aston Martin nichts mehr herausholen.

So, jetzt dürft Ihr mir sagen, wie falsch ich liege und Eure eigenen Top 5en abgeben. Ich bin gespannt.

 

Futuristische Rennfilme, ein unterversorgtes Subgenre?

Manchmal überlege ich, in was für ein (Sub-)Genre man einen Film, den ich gerade gesehen habe einordnen könnte. Gelegentlich erstelle ich dafür eigene Subgenres in meinem Kopf, die dann natürlich oft genug nur eine Handvoll Vertreter umfassen. Meistens zu Recht. Aber im Falle des „futuristischen Rennfilms“ in meinen Augen völlig zu Unrecht. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Film sich zu diesem Genre zählen darf, beide lassen sich bereits am Namen ablesen. 1. Er muss in einem Science Fiction Setting spielen. Ob das nun in der Zukunft ist, oder vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxie ist dabei erst einmal wurscht. 2. Das Fahren schneller Fahrzeuge (nicht mal unbedingt Autos) muss im Mittelpunkt der Handlung stehen. Die Lichträder aus ‚Tron ‚ oder das Podrennen aus ‚SW: Episode I‘ qualifizieren sie also noch nicht zu „futuristischen Rennfilmen“. Hingegen ist es nicht notwendig, dass im Film offiziell ein Rennen stattfindet, das schnelle Fahren kann auch aus anderen Gründen (etwa Überleben) passieren. Weiterlesen

‚Auslöschung‘ (2018)

‚Auslöschung‘ ist einer dieser Filme, die bereits Schlagzeilen machten, bevor sie überhaupt von einer Mehrheit gesehen wurden. Paramount war das produzierende Studio, gemeinsam mir Scott Rudin, der bereits mit Regisseur Alex Garland an dessen Vorgängerfilm ‚Ex Machina‘ gearbeitet hat. Nach einer Testvorführung, die beim Publikum nicht gut ankam bestand einer der Geldgeber, David Ellison, auf umfangreichen Änderungen. Der Film sei „zu intellektuell und kompliziert“, die Hauptfigur „nicht sympathisch genug“. Garland und Rudin verweigerten Änderungen und da sich Produzent Rudin den Final Cut hatte vertraglich zusichern lassen blieb es dabei. Allerdings bekam nun Paramount kalte Füße und verkaufte den Film an Netflix. Das war es dann mit einem umfangreichen Kinostart. Hier nun also meine Antwort auf die Frage, ob Garland und Rudin mit ihrem Beharren Recht hatten.

Der Ehemann von Biologieprofessorin Lena (Natalie Portman), der Soldat Kane (Oscar Isaac), ist seit mehr als einem Jahr auf einer geheimen Mission verschollen. Als Lena sich gerade mit seinem Tod abgefunden hat, steht er auf einmal wieder im Haus. Ohne Erinnerungen, aber mit schweren, inneren Verletzungen. Auf dem Weg ins Krankenhaus wird der Krankenwagen von einer Spezialeinheit gestoppt, die nicht nur Kane, sondern auch Lena mitnimmt. Sie wird in eine Regierungsanstalt der geheimen Behörde „Southern Reach“ in Florida gebracht. Nahe beim „Schimmer“. Einer merkwürdigen Zone, deren Grenzen durch ein waberndes Regenbogenflimmern gekennzeichnet werden und sich langsam aber stetig ausbreiten. In dieser Zone hat, der inzwischen komatöse, Kane das letzte Jahr verbracht und ist der Erste, der daraus zurückgekehrt ist. Nach zahlreichen Soldatenteams will nun die Leiterin der Anstalt, die Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Lee) eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen zum Zentrum des Schimmers führen und dabei möglichst viele Daten sammeln. Lena schließt sich der Gruppe aus Physikerin Josie (Tessa Thompson), Geomorphologin Cassie (Tuva Novotny) und Paramedic Anya (Gina Rodriguez) an.

Ich gestehe, ich kenne die literarische Vorlage von Jeff VanderMeer nicht. Aber gewisse Elemente lassen sich auch aus anderen Werken wiedererkennen. Die außerirdische Substanz, die die Beschaffenheit der Welt in einem bestimmten Bereich verändert erinnert etwa an H.P. Lovecrafts beste Geschichte „Die Farbe aus dem All“. Die Idee einer Zone, in der gewisse physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft sind, erinnert an „Picknick am Wegesrand“ der Strugatski Brüder (und natürlich ‚Stalker‘, die Verfilmung durch Andrei Tarkowski). Aber weit mehr als diese Werke hat Garland (und soweit ich das nachvollziehen konnte, unterscheidet sich der Film insofern von der Vorlage) seine Zone, seinen Schimmer, zu seiner direkten Metapher gemacht. Einer Metapher die so deutlich ist, auf die Charaktere in Dialogen hinweisen, ja auf die sogar die Musik teilweise eingeht, dass sie vom Subtext quasi zum Text wird. Daher entzieht sich mir ehrlich gesagt auch der Vorwurf der „intellektuellen Kompliziertheit“. Der Film will unbedingt „verstanden“ werden, weist auf seine Allegorie auf Depression und (Selbst-)Auslöschung/Vernichtung bei jeder Gelegenheit hin. Das kann man eigentlich nur übersehen, wenn man sich der metaphorischen Lesart eines Films willentlich widersetzt.

Was man auf jeden Fall sagen kann, ist das Garland hier eine faszinierende Welt schafft. Es gelingt ihm seine Zone zu gleichen Teilen schön, bedrohlich und im besten lovecraftschen Sinne „weird“ zu machen. Der Veränderung durch den Schimmer entgeht nichts und niemand und Garlands Welt hier sieht vollkommen anders aus als alles, was man derzeit im typischen „Mainstream“ SciFi Bereich finden kann. Neben Science Fiction spielen hier auch Elemente des Horrors mit hinein. Zum größten Teil ist das existenzialistischer Horror, der direkt mit der Metapher zusammenhängt. Doch gibt es auch einige Sequenzen, die an „klassischen“ Horror erinnern. Etwa wenn die Wissenschaftlerinnen Videoaufzeichnungen der letzten Gruppe entdecken. Oder eine wahrhaft schaurige Sequenz mit einem mutierten Bären (Fun Fact: VFX Supervisor bei diesem Film war Andrew Whitehurst. Der hat vorher an ‚Paddington‘ mitgearbeitet. Daher heißt dieser Bär hier inoffiziell „Homerton“, passender Weise nach einem weit weniger schönen Londoner Bahnhof als Paddington).

Dass der Film auch und gerade abseits seiner lauten und beeindruckenden Sequenzen funktioniert ist natürlich nicht zuletzt den Schauspielern (oder hier vornehmlich Schauspielerinnen) zu verdanken. Allen voran Natalie Portman als Lena, die sie ähnlich komplex anlegt wie ihre Jackie Kennedy in ‚Jackie‘. Von der Grenze der Selbstzerstörung bis zum schieren Überlebenswillen scheint sie ihre Lena mühelos durch allerlei Extreme zu führen. Demgegenüber steht die Reserviertheit von Jennifer Jason Leighs Dr. Ventress. Leigh erinnert nach überzogenen Rollen in ‚Hateful Eight‘ oder dem neuen ‚Twin Peaks‘ daran, dass sie auch die leisen Nuancen hervorragend beherrscht. Ein ganz ähnliches Lob haben sich alle Beteiligten verdient, denn Ausreißer gibt es hier keine.

Ebenso wichtig für die Atmosphäre ist die Musik des Komponisten-Duos Ben Salisbury und Geoff Barrow. Die beiden haben schon mit Garland an seinem letzten Film ‚Ex Machina‘ gearbeitet, aber auch mit Regisseuren wie Ben Wheatley (‚Free Fire‘). Im Gegensatz zum Synthesizer-Minimalismus von ‚Ex Machina‘ greifen die beiden hier aber auf eine weit umfangreichere Trickkiste zurück. Die Synthies sind natürlich wieder da, aber oftmals eingehüllt in ein orchestrales Gewand. Auch arbeiten sie teils mit verfremdeten Stimmen/Chören. All das nutzen sie um effektiv eine unheilsschwere Stimmung zu schaffen und den Suspense zu halten. Nur selten entlädt sich die Musik in donnernden Crescendos. Großartig!

Ich hoffe es ist deutlich geworden: Alex Garland und Scott Rudin haben exakt richtig gehandelt, als sie sich Nachdrehs und Änderungen verweigert haben. Es steht zu vermuten, dass die den Film nur schlechter gemacht hätten. Es braucht Mut zu den eigenen Überzeugungen zu stehen und manchmal kommt am Ende dann vielleicht „nur“ eine Netflix-Veröffentlichung dabei raus. Aber was für eine! Nicht nur für Science Fiction Fans eine absolute Empfehlung!

Die Rückkehr der Spuktakulären Filmmonster Kapitel 7: Aliens

Außerirdische sind im Film sicherlich Grenzerscheinungen. Denn natürlich tauchen sie nicht nur (und nicht einmal vor allem) im Horror auf, sondern auch in der Science Fiction. Die Grenzen zu ziehen ist hier nicht immer ganz einfach. Und doch, wenn ein Alien feindlich gesonnen ist können seine Fremdartigkeit, seine unbekannten und womöglich nicht zu verstehenden Fähigkeiten und Absichten durchaus einen fruchtbaren Boden für Schrecken liefern. Wenn ich unten zur Wurzel des Aliens im Film komme, werde ich aber auch einige friedliche Exemplare erwähnen. Ein vollumfängliches Abbild des Aliens im Horrorfilm kann und will dieser Artikel natürlich nicht liefern. Weiterlesen