Kinos tief in der Krise

Als am 1. August des Jahres 1981 der Sender MTV in den USA auf Sendung ging, war das erste Musikvideo, das er zeigte „Video Killed the Radio Star“ von den Buggles. Ein selbstbewusster Auftakt, doch letztlich killte Musikfernsehen das Radio nicht, sondern koexistierte ganz prima mit ihm. Genau wie vorher LPs und MCs oder später CDs und MP3. Auch Streaming scheint den Radio Star nicht umbringen zu können. Letztlich weil viele Sender fähig waren mit der Zeit zu gehen und selbst Streamingangebote liefern. Ähnlich, und doch völlig anders stellt sich die Lage beim Film dar. Das Kino hat das Fernsehen überlebt. Hat immer besser werdende Heimmedien überstanden. Auch das Heimkino scheint das „echte“ Kinoerlebnis nicht vollkommen ersetzen zu können. Allerdings hatten die Kinos auch immer einen großen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern, einen Vorteil, den das Radio nie hatte: will man den neuesten Film sehen, muss man ins Kino gehen. Die Abstände zu anderen Veröffentlichungen mögen kürzer werden, doch den neuen Blockbuster siehst Du nachwievor „nur im Kino“.

Und genau da machen gerade die großen Blockbuster, die einen guten Teil der Einnahmen der Studios ausmachen, eben auch ihr Geld. Und so mag es zwar gelegentliche „Störenfriede“ wie Netflix geben, die sich mit den Kinos anlegen wollen, doch die großen Verleihe und Studios stehen zu den Kinos. In jahrzehntelanger, nicht immer friedlich vereinter, aber letztlich symbiotischer Koexistenz. So war es jedenfalls, bis eine globale Pandemie alles veränderte. In Folge der Corona-Krise mussten Kinos quasi weltweit schließen. Und aufgrund dieser Lockdowns war Streaming plötzlich attraktiver denn je zuvor. Disney etwa hätten den Start ihres Disney+ in Europa kaum besser planen können. Man darf annehmen, dass viele ohnehin gebeutelte Kinobetreiber nun mit ängstlichem Blick auf die Veröffentlichungspläne der Studios schauen. Was wenn ein Blockbuster als Video on Demand veröffentlicht wird und da richtig Kasse macht? Plötzlich könnte alles anders sein.

Nun, bei den wirklichen Blockbustern, den Marvels, Wonder Womans oder Bonds haben sich die Studios dann doch (noch?) nicht getraut. Aber Universal hat zumindest einen mittelgroßen Zeh in Form von ‚Trolls World Tour‘ ins kalte Streaming Wasser gesteckt. Und das erwies sich als gar nicht mal so kalt. Weltweit hat der Film im Stream in drei Wochen so viel eingespielt wie der erste ‚Trolls‘-Film in 5 Monaten in den US Kinos nicht. Sicher, der Vergleich mag hinken, doch da Universal genau den überall verkündet, darf man davon ausgehen, dass sie mit diesem Ergebnis zufrieden sind. Sehr zufrieden sogar. So zufrieden, dass NBCUniversal Boss Jeff Shell verkündete, man würde auch nach Corona Filme parallel zum Kinostart direkt als VOD veröffentlichen. Wie blank die Nerven bei den Kinos liegen, zeigt die Reaktion der US-Kette AMC. Deren Kinos in den USA, Europa und dem mittleren Osten würden Universal Filme boykottieren, bis die Entscheidung zurückgenommen würde. Das sagte AMC Chef Adam Aron der New York Times. Damit müsste die erkennbar angeschlagene Kette zukünftig auf Filme der ‚Jurassic World‘ oder ‚Fast and Furious‘ Reihen verzichten. Es wird sich zeigen müssen, ob sie dazu überhaupt in der Lage ist. Ungewollt aber arg ungünstig für die Kinos grätschte nun auch noch die Academy in diese Diskussion und verkündete, dass aufgrund der besonderen Umstände 2021 auch solche Filme bei den Oscars zugelassen würden, die nicht im Kino gelaufen sind. Wenn die Dinge schieflaufen für die Kinos, dann aber mal richtig.

Was bedeutet das für Studios/Verleihe und Zuschauer? Nun, ‚Troll World Tour‘ kann man hier in Deutschland für 15 Euro leihen. Das ist ein Betrag, bei dem eine Einzelperson vermutlich schlucken wird. Doch die Eltern mit drei Kindern (und damit wohl die Zielgruppe der Trolls) werden vermutlich ein Freudentänzchen aufführen. Drei Euro pro Person, das ginge im Kino nicht. Und genau bei dieser Freude liegt für die Studios das Problem beim Stream. Nicht jeder muss bezahlen. Einer kann einen brandaktuellen Film leihen und dann etwa mit seiner ganzen Fußballmannschaft schauen (also, im Moment natürlich nicht, aber in einer potentiellen, nicht länger sozial distanzierten Zukunft). Das liefe dann auf einen Centbetrag pro Person hinaus. Andererseits kann der Verleih hier 80% des Leihpreises behalten. Im Gegensatz zu etwa 50% der Kinokarte. Und eine parallele Veröffentlichung in Kino und Stream könnte auch Leute dazu bringen den Film direkt zu sehen, die sonst eher auf Heimmedien oder eben spätere Streamingveröffentlichung gewartet hätten. Auch kann man davon ausgehen, dass für „richtige“ Blockbuster sogar Preise in Richtung 20 Euro veranschlagt werden. ‚The Invisible Man‘ gab’s etwa in den USA für diesen Dollar-Betrag zu leihen.

Und was bedeutet es für die Kinos? Tja. Ich habe die Idee des alsbaldigen Kinosterbens bislang eigentlich immer mit einem Augenrollen abgetan. Doch wenn das Beispiel von Universal Schule macht, dann könnte das wirklich der Todesstoß für eine Branche sein, die bestenfalls auf dem Zahnfleisch aus dieser Krise herauskriechen wird. Und sich mit einem verunsicherten Publikum konfrontiert sehen wird, das ihr vermutlich nicht direkt die Bude einrennt. Im Moment sieht es immerhin noch nicht so aus, als ob die Warners und Disneys nachziehen wollten. Doch wenn die Kinos noch länger geschlossen bleiben und doch ein Wonder Woman oder Black Widow direkt als VOD erscheint, wie viel wäre dann wohl genug, um sich Universal anzuschließen? 50% des erwarteten Ergebnisses? 75%? 90%?

Covid Killed The Cinema Star? Wenn Ihr Möglichkeiten such, um Eurem Lieblingskino zu helfen, damit es dazu nicht kommt, könnt Ihr hier schauen. Ansonsten meine Frage: was meint Ihr, würdet Ihr Euch einen aktuellen Blockbuster für 20 Euro leihen, anstatt ins Kino zu gehen? Oder Euch mit Freunden vor der größten Heimkinoanlage des Bekanntenkreises treffen, um ihn gemeinsam zu leihen? Glaubt Ihr für das Kino gibt es eine Zukunft?

Und sie dreht sich noch: DVD, ein Format ist kaum zu bremsen

22 Jahre alt ist sie dieses Jahr geworden, die DVD1. In Deutschland bringt sie es zwar erst auf 20 Jahre, darf damit aber auch schon Alkohol kaufen, Auto fahren und alle Filme gucken, die sie möchte. Ich nehme dieses Datum einfach einmal zum Anlass, um einen Blick auf den Erfolg eines Mediums zu werfen, das 13 Jahre nach der Einführung seines Nachfolgers und dem häufig verkündeten Ende der physischen Medien, immer noch der Platzhirsch auf dem Videomarkt ist. Beginnen wir mit einem kleinen Rückblick auf die Geschichte dieses Heimvideomarktes. Weiterlesen