Price Is Right: ‚The Masque of the Red Death‘/‘Satanas‘ (1964)

2018 erschienen hier auf dem Blog gerade mal zwei Ausgaben einer Reihe namens „Price Is Right“ (‚Theater des Grauens‘; ‚Basil, der große Mäusedetektiv‘), in der ich, man ahnt es, Filme mit Vincent Price besprechen wollte. Kaum drei Jahre später erscheint also Teil drei der Reihe. Mal schauen, wie lange es bis Teil vier dauert…

‚The Masque of the Red Death‘ ist die sechste von Roger Cormans Edgar Alan Poe-Adaptionen (wobei Cormans Lovecraft Adaption ‚The Haunted Palace‘ (1964) auch oft in die Reihe gerechnet wird). Am Anfang der Reihe standen, wie eigentlich immer bei Corman, finanzielle Gedanken. Poes Geschichten waren in der public domain, hatten aber einen hohen namentlichen Erkennungswert, zumindest in der englischsprachigen Welt. Nach dem Erfolg von ‚Die Verfluchten‘/‘House of Usher‘ (1960) hatte er für die weiteren Filme plötzlich für seine Verhältnisse ungewöhnlich hohe Budgets zur Verfügung, konnte Horror Veteranen wie Boris Karloff und Peter Lorre anheuern und sich sogar filmische Experimente leisten, etwa das Spiel mit Humor, vor allem in ‚Der Rabe‘ (1963) und der Anthologie ‚Der grauenvolle Mr. X‘ (1962). Price, der Humor mindestens so gut wie Horror beherrschte blieb dabei stets zentrales Element der Filme.

Corman sagte später, nach ‚Usher‘ hätte er am liebsten direkt ‚Masque oft he Red Death‘ umgesetzt, die er für eine der besten Poe Geschichten hielt. Er fürchtete aber man könne ihm bei der Umsetzung des existenzialistischen Horrors vorwerfen, er würde bei Bergmans ‚Das Siebente Siegel‘ (1957) abkupfern. Später gab er zu, dass es eher die Angst davor war, dass ein Herzensprojekt scheitern könnte. 1964 drehte er ihn dann doch. Und dreht den Humor wieder deutlich zurück. Erstaunlicherweise aber den konventionellen Horror auch.

In Poes Kurzgeschichte wütet eine grausige Krankheit, der Rote Tod, in einem spätmittelalterlichen Lande. Der Herrscher, Prinz Prospero, hat sich derweil mit anderen Adligen in einer abgelegenen Abtei verbunkert, wo sie dem Leid mit Exzess begegnen. Auf einem Maskenball taucht dann jedoch der personifizierte Rote Tod auf und Prospero und die Feiernden fallen ihm alle zum Opfer. Prospero wollte in seiner Hybris dem Tod trotzen, was bei Poe niemals funktioniert, der den Tod in jedem Menschen bereits angelegt erkennt.

Corman und Price treiben diese Figur ein ganzes Stück weiter. Prices Prospero ist ein pompöser, sadistischer, eitler und vor allem gelangweilter Satanist. Am Anfang des Films entführt er die junge Francesca (Jane Asher), sowie ihren Vater und ihren Geliebten, die sich gegen seine grausame Herrschaft aufgelehnt haben, aus genau dem Dorf in dem der Rote Tod ausbricht. Mit dem Ziel Francescas Unschuld zu zerstören und sie zu seiner Gefährtin zu machen. Prosperos Konkubine Juliana (Hazel Court) sieht sich dadurch, nicht zu Unrecht, in ihrer Position gefährdet und übergibt ihre Seele vollends dem Satan, um Prospero zu gefallen. Mit erwartbaren Folgen. Der Maskenball endet bei Corman immerhin nicht ganz so hoffnungslos wie bei Poe.

Sonderlich handlungsgetrieben ist der Film in der Tat nicht. Kein Wunder, gibt Poes Kurzgeschichte doch kaum genug her, um einen Spielfilm zu füllen. Tatsächlich wird eine andere Poe Geschichte, Hop-Frosch, als Nebenhandlung hergenommen. Was also lässt den Film funktionieren? Da ist allem voran das visuelle Flair.

Corman drehte den Film in fünf Wochen, in England. Hier hatte er Zugriff auf umfangreiche Burgkulissen, die kurz zuvor für ‚Becket‘ verwendet wurden und die er natürlich nur zu gerne wiederverwertete. Vor dem Vorwurf sich bei Bergman zu bedienen hätte er sich nicht fürchten müssen. Jedenfalls nicht visuell. Denn dessen skandinavischer Askese setzt eine wahre Bilderflut entgegen. Da sind die aufwändigen Kostüme der Adligen. Da ist eine grandiose psychedelische Traumsequenz wenn Juliana ihre Seele dem Teufel überlässt, in der sie von Priestern aus allen möglichen Zeitaltern und Regionen der Welt auf einem Altar geopfert wird. Eine Sequenz, die die amerikanischen Zensoren so schlimm fanden, dass sie herausgeschnitten werden musste, obwohl man nichts Explizites sieht, wie Corman richtig betont. Der abschließende danse macabre wird hier zu einem Farbrausch. Selbst Dinge, die eigentlich nicht funktionieren sollten, wirken in dieser merkwürdigen Welt. Wenn sich hier am Ende ein ganzer Regenbogen farbcodierter Tode trifft und Fallzahlen abgleicht, dann wirkt das bei weitem nicht so albern, wie es klingt.

All das mag auch daran liegen, dass hier nicht Cormans üblicher Kameramann für die Poe Adaptionen, Foyd Crosby, hinter der Kamera stand, sondern ein junger Brite namens Nicolas Roeg. Der durfte hier zum ersten Mal in Farbe arbeiten und tobte sich dementsprechend voll aus. Und dass er das durchaus beherrscht, konnte er später als Regisseur in Filmen wie ‚Wenn die Gondeln Trauer tragen‘ oder ‚Der Mann, der vom Himmel fiel‘ beweisen. Womit Corman zum hundertdrölfzigsten Mal sein Talent andere Talente zu finden bewiesen hätte.

Das zweite Standbein des Films sind die Darsteller und hier, natürlich, allen voran Vincent Price. Es ist schwer sich einen anderen Darsteller in der Rolle dieses Prospero vorzustellen. Allzu sehr macht er sie sich zu eigen. Viele von Prosperos nihilistischen Blasphemien, wortreich und mit ironischem Unterton vorgetragen, soll Price selbst improvisiert haben. Aber der Charakter ist auch interessant in seiner Anlage. Einerseits ein mörderisches Monster, doch vergleicht er sich süffisant mit einem tief christlichen Vorfahren, der hunderte Menschen hat verbrennen lassen um ihre Seele zu retten. Ist er wirklich so viel schlimmer als der, fragt er. Auch sind ihm Standesdünkel fern. Einen anderen Adligen lässt er mit derselben distanzierten Amüsiertheit erschießen, wie eine Gruppe Bauern. Und wenn ein kleinwüchsiger Tänzer grausige Rache an einem weiteren sadistischen Adligen nimmt, dann lässt Prospero ihn dafür belohnen, weil es ihn unterhalten hat. Am Ende passen einzig seine Arroganz und sein Nihilismus nicht zusammen. Warum sollte in einer vollkommen bedeutungslosen Welt gerade er eine besondere Position einnehmen?

Leider wurden Cormans Befürchtungen wahr und der Film blieb hinter den Erwartungen zurück. Er selber gab sich später kleinlaut, er habe die selbstgewählte Zielgruppe für seine B-Movies, die Teenager, mit diesem Film aus den Augen verloren. Habe sich nicht auf das eigentliche Element des Horrors konzentriert. Produzent Samuel Z. Arkoff sagt es deutlicher, der Film sei „too arty farty“. Und dennoch zählt Corman ihn auch heute noch zu seinen besten Arbeiten.

Und völlig zu Recht. Ich würde den Film, sowie den ganzen Poe-Zyklus von Corman, absolut empfehlen. Eben gerade weil sich Corman hier einmal von seinen festen Erfolgsformeln für seine B-Movies verabschiedet, weil er künstlerisch experimenteller wird. Kurz, gerade weil er ein bisschen „arty farty“ ist. Und wegen Vincent Price, natürlich. Insgesamt ein großer Spaß!

Price Is Right: ‚Theater des Grauens’/’Theatre Of Blood‘ (1973)

Manche Leser mögen es schon wissen, andere kann es überraschen, aber ich bin ein großer Fan von Vincent Price. Darum möchte ich hier in vollkommen unregelmäßigen Abständen über Filme mit Vincent Price sprechen. Und weil mich Niemand davon abgehalten hat, habe ich dafür eine neue Kategorie eingerichtet, die ich, nach ausführlicher, 15sekündiger Überlegung, „Price Is Right“ nennen werde („Der Price ist heiß“ könnte vermutlich falsch verstanden werden, oder?). Nun bietet die mehr als 5 Jahrzehnte umfassende Karriere des Mannes natürlich mehr als genug Möglichkeiten für Besprechungen. Wo also anfangen? Vielleicht bei einem relativ unbekannten Film, den Price selbst aber als seinen Liebsten beschrieben hat (und hoffentlich nicht nur weil er seine dritte Ehefrau Coral Browne bei den Dreharbeiten getroffen hat…). Aber auch für Price „Anfänger“ ist ‚Theater des Grauens‘ perfekt geeignet, denn wer mit Prices affektiert-ironischer Darstellung hier so gar nichts anfangen kann, für den fällt ein Großteil seiner Karriere schon mal weg.

Der Theaterkritiker George Maxwell (Michael Hordern) wird an den Iden (dem 15.) des März von einer großen Gruppe Angreifern brutal erstochen. Wie Julius Cäsar im Shakespeare Stück „Julius Cäsar“. Bei seiner Beerdigung galoppiert plötzlich ein Pferd über den Friedhof, das den Leichnam von Kritiker Hector Snipes hinter sich her schleift, wie es dessen Namensvetter, dem Hektor in Shakespeares „Troilus & Cressida“, ergangen ist. Für die übrigen Mitglieder des einflussreichen Critic’s Circle ist klar was los ist: der selbsternannte beste Schauspieler der Welt Edward Lionheart (Price), den der Circle bei einer Preisverleihung vor zwei Jahren derart erniedrigt hatte, dass er Selbstmord beging, ist gar nicht tot. Und nun nimmt er Rache! Und tatsächlich steckt Lionheart, zusammen mit einer Gruppe von Herumtreibern und seiner Tochter Edwina (Diana Rigg) dahinter. Auch dem übrigen Circle hat er einige der kreativsten Tode des Dramatikers aus Stratford-upon-Avon zugedacht.

Und viel tiefer wird die Handlung auch nicht. Ein bisschen ‚Phantom der Oper‘ und ganz viel Prices eigener ‚Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes‘ werden hier zu einem Quasi-Slasher mit Shakespeare Zitaten vermischt. Und tatsächlich macht genau das den größten Reiz des Films aus: Price schlüpft in bekannte Shakespeare-Rollen, wie Richard III., Titus Andronicus oder Shylock, rezitiert berühmte Reden und bringt dann einen der Kritiker auf durchaus makabre Weise ums Leben. Sei es, dass er die Shakespeare Klassiker unverändert übernimmt und einen der Kritiker in einem Weinfass ertränkt, wie es dem Herzog von Clarence in „Richard III.“ passiert, oder er adaptiert die Klassiker in die Moderne, wenn die Verbrennung der Johanna von Orleans in „Henry VI.“ an einer Kritikerin mittels präparierter Trockenhaube beim Friseur nachvollzogen wird. Der Film lebt aber nicht nur von Prices Darstellung des Schauspielers der keinerlei Kritik akzeptieren kann, sondern auch der der Kritiker (darunter Größen wie Robert Morley und Jack Hawkins), die alle auf ihre Art wunderbar pompöse Unsympathen sind.

Man könnte den Film wohl als Horrorkomödie klassifizieren, wobei klar sein sollte, dass der Komödie-Teil hier weitaus größer geschrieben wird als der Horror-Teil. Die Morde sind zwar zum Teil durchaus fies inszeniert, aber immer mit einem makabren, schwarzhumorigen Augenzwinkern. Die Bluteffekte wirken aus heutiger Sicht reichlich zahm und ich glaube nicht, dass das 1973 großartig anders war oder sein sollte. Die Vermischung der klassischen Handlung der Opfer, die nach und nach getötet werden, mit Shakespeare Motiven und satirischen Elementen um den Umgang von Künstlern und Kritikern miteinander, lässt ‚Theater des Grauens‘ zu einem relativ einzigartigen Film werden.

Regisseur Douglas Hickox inszeniert ihn gekonnt aber sehr unauffällig. Er lässt den Darstellern, allen voran Price, den Raum den sie brauchen, um Szenen strahlen zu lassen, behält aber das notwendige Moment bei, um den Film nicht zu einer reinen Nummernrevue werden zu lassen, die gegen Ende hin vermutlich langweilig würde. Dass die meisten Szenen vor Ort, anstatt im Studio gedreht wurden, lässt den Film gelegentlich größer wirken als er ist. Man bekommt jedenfalls einen interessanten Blick auf das London der 70er, wenn auch mit einem starken Übergewicht auf verfallenen Theatern.

Price mochte den Film, weil er ihm die Möglichkeit gab innerhalb seines Feldes einmal etwas anderes machen zu können. Seit Ende der 60er, vor allem wegen Roger Cormans Poe-Zyklus, war er quasi vollständig auf Horror-Rollen festgelegt. In ‚Theater des Grauens‘ konnte er sich aber immerhin an Shakespeare Vignetten versuchen, woran er dem Vernehmen nach sehr großes Vergnügen hat. Und dieses Vergnügen überträgt sich vollends auf den Film und letztlich den Zuschauer. Wer Price, Makabres und Shakespeare mag (oder vielleicht ein Problem mit Kritikern hat) hat den Film vermutlich ohnehin schon gesehen, aber auch wenn nur ein oder zwei Dinge zutreffen lohnt er sich durchaus.

Ein Wort zur deutschen DVD: die ist leider ziemlicher Mist. Keine Extras und das Hauptproblem: der Film liegt nicht anamorph vor. Wer interessiert ist sollte die Augen nach Alternativen offenhalten.

Und nun entlasse ich Euch aus der ersten Folge von „Price Is Right“ mit dem vermutlich besten Interview, das Price je gegeben hat, in dem er Kermit dem Frosch die Geheimnisse seines Erfolges ein wenig zu genau verrät: