Die Geschichte ist bekannt, die 70er und 80er Jahre waren keine einfache Zeit für Disney und vor allem für Disney Animation. Nach Walts Tod war man hier oftmals allzu vorsichtig und zögerlich. Und dann wurde man auch noch von der hausgemachten Konkurrenz, in Form von ex-Disney Animator Don Bluth an den Kinokassen überholt. Als man sich 1984 Michael Eisner und Jeffrey Katzenberg als neues Management ins Haus holte, war deren erster Instinkt gar, die Animationssparte zu schließen. Die Rettung kam 1986, in Form einer Kollaboration mit Spielberg und zahlreichen anderen Studios für ‚Roger Rabbit‘. Ein kritischer und finanzieller Erfolg, der Disney Animation wieder einen Namen gab. 1989 folgte klassisches Disney-Programm, eine Andersen-Märchenadaption in Form von ‚Arielle, die Meerjungfrau‘. Als Filmmusical mit Songs von Alan Menken und Texten von Howard Ashman. Gerade diese erwiesen sich als gigantischer Erfolg, manche Kritiker sahen in der Animation gar die Zukunft des darbenden Filmmusicals an sich.
Es folgte 1990 ‚Bernard und Bianca im Känguruland‘, ein Film, der oftmals nicht zur Disney-Renaissance gezählt wird und tatsächlich mehr wie ein Werk aus der Zeit vor der Meerjungfrau anmutet. Nein, die wahre Fortsetzung und der wahre Beweis des Funktionierens des neuen Disney-Systems würde 1991 erfolgen. Mit ‚Die Schöne und das Biest‘. Einem Wunschprojekt von Walt, dass er schon in den 40ern realisieren wollte. Doch da kam ihm zuerst der Zweite Weltkrieg in die Quere und dann die Tatsache, dass Jean Cocteau 1946 eine definitive Filmversion schuf. Und Walt wollte schließlich Trends setzen, nicht welchen hinterherlaufen.
Aus reichlich unerfindlichen Gründen sollte die neue 90er-Adaption kein Musical werden. Es stellte sich aber alsbald heraus, dass das schleicht nicht funktionierte. Und so wurden erneut Ashman und Menken an Bord geholt. Ashman war zu dieser Zeit, aufgrund einer AIDS Erkrankung, so schwer krank, dass er nicht mehr reisen konnte. Katzenberg ließ die Produktion nach New York verlegen und später eine Art „Skype“ System einrichten, als Ashman sein Bett nicht mehr verlassen konnte. Dafür brauchte man damals noch Satelliten. All das soll nicht illustrieren, wie groß Katzenbergs Herz ist, ist es nämlich nicht, sondern wie wichtig die Musik für den Film wurde. Für Ashman bedeutete es, dass er seine Arbeit an seinem Herzensprojekt ‚Aladdin‘ liegenlassen musste. Er würde keine Chance mehr bekommen, sie fortzusetzen, er starb 1991, noch bevor ‚Die Schöne und das Biest‘ erschien.
Die Broadway-Leute Ashman und Menken nutzen die Produktion in New York, um die Rollen mit Broadway Darstellern zu besetzen. Das sorgt dafür, dass man unter den Originalsprechern wenige allzu bekannte Namen findet, sieht man einmal von Angela Lansbury als Mrs. Potts (Mme. Pottine) ab, die damals, ‚Mord ist ihr Hobby‘ sei Dank, auf der Spitze ihrer Bekanntheit war. Die Hauptrollen übernehmen Paige O’Hara und Robbie Benson. Gesanglich hervortun darf sich Opernsänger Richard White als fieser Jäger Gaston.
Für die Animation standen derweil nur zwei Jahre, statt der Disney-üblichen vier zur Verfügung. Sie entstand in Glendale, Kalifornien, mit einiger Hilfe vom neuen Studio in Lake Buena Vista, in Florida. Die Arbeit ging allerdings auch schneller vonstatten, da das neue CAPS System verwendet wurde. Ein digitales Scanner und Kompositsystem, das Pixar für Disney entwickelt hatte. Damit lässt sich etwa multiplane Animation deutlich leichter und schneller erstellen. Auch CGI kam, vor allem in der berühmten Tanz-Szene, zum Einsatz. Doch das war für Disney schon seit ‚Basil, der große Mäusedetektiv‘ nicht ungewöhnlich.
Dennoch merkt man dem Film gelegentlich die Knappheit von Zeit und auch Geld an. So wird etwa die Vorgeschichte anhand von (sehr schönen) Standbildern erzählt. Auch wurde für den letzten Tanz, zwischen Belle und dem zurückverwandelten Prinz, Animation aus ‚Dornröschen‘ wiederverwertet. Wir sind jedoch weit entfernt von einem ‚Robin Hood‘, der ganze Sequenzen recycelte (und dennoch einer meiner Lieblinge ist…).
Auch die Geschichte des Films sollte bekannt sein, ich fasse sie dennoch kurz zusammen. Ein arroganter Prinz weist die Bitte einer alten Frau nach Obdach ab. Die Frau erweist sich als mächtige Zauberin, verflucht den Prinzen in die Gestalt eines Biests, sein Schloss in eine Grotesken-übersäte Horrorbude und die Dienerschaft in allerlei Haushaltsinventar. Bevor das letzte Blütenblatt einer magischen Rose fällt, muss das Biest eine Frau finden, die ihn liebt. Dann wäre der Fluch gebrochen. Ansonsten währt er ewig. Belle lebt mit ihrem Vater, einem eher mäßigen Erfinder, in der französischen Provinz. Hier gilt sie, ob ihres Strebens nach Höherem, als Außenseiterin. Doch der arrogante Jäger Gaston will sie dennoch zur Frau. Sehr zu Belles Missfallen. Ihr Vater verirrt sich eines Nachts ins Schloss des Biestes und wird vom biestigen Hausherren prompt gefangen gesetzt. Belle bietet sich im Austausch gegen ihren Vater als Gefangene. Das Biest und die Dienerschaft sehen eine Chance den Fluch zu brechen. Wenn das Biest nur seinen Jähzorn kontrollieren kann.
Ich glaube ‚Die Schöne und das Biest‘ ist mein liebster Film der Disney-Renaissance. Wobei ich Schwierigkeiten hätte zwischen ihm, ‚Aladdin‘ und ‚König der Löwen‘ zu wählen. Von allen Romanzen der „Renaissance“ hat der hier den Vorteil, dass sie zwischen zwei gleichwertigen Charakteren stattfindet. Arielle, ein durchaus runder Charakter, könnte sich genauso gut in ein dänisches Holzbrett verlieben, so platt bleibt Erik. Jasmine bekommt etwas mehr Nuance, doch bleibt es immer Aladdins Geschichte. Hier deutet bereits der Titel an, dass es die Geschichte zweier Charaktere ist. Dabei muss man dennoch das Märchenhafte der Geschichte betonen. „Er benimmt sich nur wie ein gigantisches Arschloch, weil er so verletzt und unsicher ist, eigentlich ist er total lieb“, ist nicht die beste Beziehungs-Lektion für die wahre Welt.
Dennoch wird hier nie ein Charakter zum Werkzeug für die Entwicklung des anderen. Beide bleiben glaubwürdig und natürlich. Das geht zwar alles sehr schnell, weil der Film in seiner Erzählung erstaunlich effizient ist, bleibt dabei aber immer intelligent konstruiert. Wenn etwa der Film auf seinem Tiefpunkt ist, Belles Vater wird in der „Spinnenkutsche“ nach Hause geschickt, Belle bricht weinend auf dem Bett zusammen, dann folgt Gastons „Schurkensong“. Der beginnt mit einem, aufgrund von Belles Ablehnung, recht depressiven Gaston. Doch der Song, ein schunkeliges Sauflied, das betont, was für ein unfassbar toller Typ er doch ist, baut ihn und, ironisch, auch uns als Zuschauer wieder auf.
Damit dieser Artikel nicht Ewigkeiten andauert, hier in Kurzform ein paar der Dinge, die ich an dem Film sehr mag. Biests grandiose Gesichtsanimation, wo man einem unmenschlichen, gezeichneten Gesicht jederzeit menschliche Gefühle, Furcht, Reue oder Freude zuschreiben kann. Die Tatsache, dass Biest im Kampf gegen die Wölfe, die Belle und ihr Pferd überfallen, kein Superheld ist, sondern ungeschickt und unerfahren und nur durch pure Stärke gewinnt. Die zentrale Tanzszene, natürlich. Animator James Baxter gelingt die Rotation der Charaktere von Hand und die Integration in den CGI Hintergrund plus Kamerabewegung beeindrucken heute kein bisschen weniger als damals (Katzenberg gefiel der von Angela Lansbury gesungene Song dazu, „Beauty & The Beast“, so gut, dass er Ashman aufforderte mehr Strophen zu schreiben. Der teilte ihm mit, er habe, abgesehen von „yeast“ (also Hefe) bereits jedes mögliche englische Wort auf „beast“ gereimt). Der Song „Be Our Guest“, weil er Grundlage für den besten Simpsons Song, die Parodie „See My Vest“ war. Das Disney sich getraut hat, hier annähernd schlüpfrig zu werden. „And every last inch of me’s covered with hair“ singt Gaston, während er in die Kamera zwinkert.
Aber im Großen und Ganzen ist das einfach ein Film, der sich zurückberuft auf Disneys große Frühzeit, ohne dabei zu übersehen, dass man in den 90ern angekommen war. Gibt es ein paar zu viele Comic Relief Charaktere, die vor allem dafür da zu sein scheinen, Spielzeug und Merchandise zu verkaufen? Durchaus. Stört mich das? Nicht besonders. Michael Eisner hatte die Devise ausgegeben, dass es für Disney vor allem galt, Geld zu verdienen. Wenn dabei Kunst geschaffen würde, fein. Aber Geld ist die Hauptsache. Eine Lektion, die Eisners Schützling, Bob Iger, neuer alter Disney CEO, vollends übernommen hat. Inzwischen insoweit, dass er die Werke aus Eisners Zeit kannibalisiert. Ich kenne das Live Action Remake des Films nicht, ich interessiere mich für das Live Action Remake kein Stück. ‚Die Schöne und das Biest‘ ist ein solcher Gipfel des Zeichentricks, dass ein Remake in einem anderen Medium immer weniger sein muss als das Original. Das ist aber alles nix Neues. Es war halt nur so, dass sich die von Eisner angeschobenen, billigen VHS Fortsetzungen leichter ignorieren ließen, als die CGI trächtigen Blockbuster-Remakes der Neuzeit. Was soll’s, dem Film selbst kann das nicht das Geringste anhaben.