Hacker, Kidnapper und Piraten: Der ‚Fluch der Karibik – Salazars Rache‘ Hoax

Yo-Ho-Ho, analoges Kidnapping könnte sich überholt haben. Mitte Mai konnte man der Presse entnehmen, dass fiese Digital-Kidnapper sich den Johnny-Depp-braucht-dringend-Geld-Film ‚Fluch der Karibik – Salazars Rache‘ von Disneys-Servern erhackt haben sollen1. Nun drohten sie den Film zunächst in 5-minütigen, später 20-minütigen Schnipseln auf Youtube zu laden. Angesichts der durchschnittlichen Länge heutiger Blockbuster fällt diese Drohgebärde gegenüber der „klassischen“ Eskalationsfolge bei Entführungen, von „Foto mit aktueller Tageszeitung“ zu „abgeschnittenem Finger“ zu „abgeschnittenem Ohr“ erst einmal recht lasch aus.

Disney-Konzernboss Bob Igner gab sich daher auch kämpferisch. Wollte keinesfalls mit den Entführern verhandeln, sondern es Netflix gleichtun und mit dem FBI zusammenarbeiten, um die Ganoven zu stellen. Netflix war nämlich kurz vorher einige Folgen der neuen Staffel von ‚Orange is the New Black‘ gemopst worden2. Bei Netflix dachte man aber gar nicht daran die Hacker, die sich selbst „thedarkoverlord“ nennen zu bezahlen. Obwohl bereits ganze Folgen im Netz als Torrents zu finden sind, verlässt sich Netflix darauf, dass ihre Kunden die Einfachheit des Streaming-Dienstes schätzen und der Großteil sich nicht mit Fileshare-Programmen herumschlagen wollen werde. Ob diese Idee aufgeht wird sich zeigen müssen. „thedarkoverlord“ haben jedenfalls angekündigt, dass sie weiter machen wollen mit ihren Erpressungen.

Doch zurück zur Disney-Piraterie. Die erschien nämlich zunehmend seltsamer. Der Konzern veröffentlichte anfangs nur, dass ein Film entführt wurde und machte keine Angaben welcher. Die Seite Deadline gab später bekannt ein Informant habe bestätigt, dass es sich bei dem Opfer um das neue depperte Piratenspektakel handele3. Disney bestätigte das zunächst, wollte dann jedoch nichts mehr zu der Sache sagen. Das erschien merkwürdig. Warum erst die Entführung öffentlich machen, dann noch bestätigen, dass es um die Piraten geht, nur um dann plötzlich jeden Kommentar zu verweigern? Dann trat die Filesharing und Copyright Experten-Seite TorrentFreak auf den Plan. Die bauten Kontakt zum angeblichen Entführer auf, es stellte sich aber heraus, dass der behauptet er habe ‚Die Letzten Jedi‘ entführt und Deadline habe den Piraten-Titel schlicht geraten4. Allerdings konnte TorrentFreak auch große Zweifel an der Authentizität der Behauptung, der Hacker sei im Besitz von ‚Die Letzten Jedi‘ aufwerfen. TorrentFreak konfrontierte Disney sodann mit diesen Erkenntissen. In einem Interview mit Yahoo Finances änderte Iger dann seine Aussage5. Disney wurde nicht gehackt, es habe allerdings eine Drohung in diese Richtung gegeben. Also alles nur jede Menge heiße Luft.

Was bleibt ist die Frage nach dem „warum“. Was wollte Disney mit diesem sehr merkwürdigen Spektakel erreichen? Traute man seinem eigenen Piraten-Franchise nicht und wollte Interesse und Mitleid durch Berufung auf andere Piraten erwecken? Oder handelt es sich schlicht um Unerfahrenheit, gepaart mit Angst nach dem Netflix Fall, dem Sony-Hack und den kürzlichen Ransomware Attacken? Einen Film vor Veröffentlichung zu stehlen ist heute so einfach wie nie. Man muss keine Filmrollen mehr aus einem Lager schleppen, man braucht nur Zugriff auf eine mangelhaft geschützte Datei. Und für die Lösegeldübergabe braucht es keine dagobertschen Konstruktionen mehr, das geht via Bitcoin. War es echte Angst, war es ein Wunsch nach Publicity oder hat sich Iger anfangs einfach falsch ausgedrückt und wollte daraufhin keinen Fehler eingestehen (das scheint ja so eine Art CEO Krankheit zu sein)? TorrentFreak vermutet das Ziel des Konzern sei es den Kampf gegen die Daten-Piraterie mit allen Mitteln voran zu treiben6. Was auch immer stimmen mag, ein gewisser, unangenehm schaler Beigeschmack lässt sich nicht verleugnen.

Eine andere Frage wäre, wieviel Schaden eine entführte, früher veröffentlichte Version eines Films wirklich anrichten kann. Wie viele Leute laden sich mehrere Gigabyte als Torrent herunter und verzichten dafür auf den Besuch im Kino? Netflix war sich der Attraktivität seines Angebots im Angesicht der illegalen Gratis-Fileshare-Konkurrenz sehr sicher, das klassische Hollywood erscheint deutlicher weniger überzeugt. Das „Neuland“ Internet scheint für sie immer noch Feindesland.

1 http://www.stern.de/digital/online/fluch-der-karibik-5–hacker-stehlen-disney-hit—und-fordern-loesegeld-7455166.html

2 https://www.musikexpress.de/hollywood-wird-weiter-attackiert-hackergruppe-kuendigt-weitere-filmdiebstaehle-an-814311/

3 http://deadline.com/2017/05/pirates-of-the-caribbean-dead-men-tell-no-tales-hackers-ransom-1202094203/

4 https://torrentfreak.com/was-the-disney-movie-hacking-ransom-a-giant-hoax-170524/

5 https://finance.yahoo.com/news/disney-ceo-not-hacked-183725507.html

6 https://torrentfreak.com/even-fake-leaks-can-help-in-hollywoods-anti-piracy-wars-170527/