Double Feature: Filme über Filme: Corman’s World (2011) und Side by Side (2012)

Oh je, die Filmbesessenheit wird schlimmer: nicht nur müssen es zwei Filme sein, nein es sollen auch Filme über Filme sein. Aber auch das kriegen wir hin.

Wenn die Herren Golan und Globus von Cannon (siehe ‚Electric Boogaloo‚) die Fürsten des Trashfilms waren, dann ist Roger Corman sein Gottkaiser. Seit Mitte der 50er Jahre führt Corman Regie unter der Maxime „schnell und billig“. Bald begann er jedoch auch Filme zu produzieren. Und er hatte nicht nur ein fast perfektes Auge dafür was beim (vor allem jungen) Publikum ankommt sondern war auch hervorragend darin Talente zu entdecken. So haben Regisseure wie Francis Ford Coppola, Ron Howard, Martin Scorsese und James Cameron für Corman einige ihrer frühesten Arbeiten abgeliefert. Auf Schauspieler Seite sind Jack Nicholson und Peter Fonda als Beispiele zu nennen, denen Corman den Karrierestart ermöglicht hat. In zahlreichen Interviews mit Mitarbeitern, unter anderem einem sehr emotionalen Nicholson, und Corman selbst zeichnet ‚Corman’s World‘ das Bild eines Rebellen, eines Pfennigfuchsers und auch das eines Ausbeuters. Allerdings ist es ein wenig frustrierend, dass die Macher der Dokumentation sich ein wenig zu sehr als Vertreter  Cormans zu sehen scheinen. Vor allem die Frage warum die Qualität seiner Filme seit den 80ern extrem nachgelassen hat wird nur unzureichend beantwortet und statt dessen mit dem Finger auf Lucas und Spielberg gedeutet (sie haben Ideen genommen, die normalerweise in Cormans Metier gefallen  wären (‚Der weiße Hai‘, ‚Star Wars‘) und haben sie mit hundertfachem Budget produziert und damit zum Mainstream gemacht – wie unfair). Trotzdem ein sehenswerter und interessanter Film. Wer danach Interesse an Werken Cormans gefunden haben sollte, dem seien seine Poe Umsetzungen aus den 60ern empfohlen (insbesondere ‚Masque of the Red Death‘, dt. ‚Satanas – Das Schloß der blutigen Bestie‘ mit Nicolas Roeg an der Kamera!) und natürlich ‚Death Race 2000‘ mit einem der ersten Auftritte von Sylvester Stallone.

‚Side by Side‘ hingegen beschäftigt sich mit einem Wandel, der derzeit in Hollywood und dem Rest der Welt stattfindet. Das Ende des Celluloidfilms und dem Beginn des digitalen Zeitalters. Keanu Reeves interviewt zahlreiche Regisseure, Kameraleute, Cutter, Techniker und Schauspieler. Darunter Technophile, die  den Wandel kaum abwarten können und aktiv vorantreiben, wie James „3D“ Cameron und George Lucas aber auch Zweifler wie Christopher Nolan und Wally Pfister. In einige Bereiche hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten, wie den Schneideraum und die Einfärbung der Bilder, doch die Änderung direkt an der Kamera ist immer noch ungewohnt für die meisten Beteiligten und bedeutet eine Verschiebung von Kontrolle und Verantwortung. Keanu Reeves ist sicher kein brillanter Interviewer aber ein sympathischer. Und durch seine Mitwirkung hatte Regisseur Christopher Kenneally Zugriff auf Gesprächspartner, die er sonst sicher nicht gehabt hätte. Zwischen den Interviews finden sich immer wieder Szenen, die grundlegende Filmtechnik erklären und die Unterschiede zwischen Film und Digital verdeutlichen. Absolut sehenswert, wenn man auch nur geringes Interesse an dem Thema hat. Das Schöne an der UK DVD ist, wem die 90 Minuten Film nicht reichen hat Zugriff auf Stunden an Langfassungen der Gespräche.

Double Feature: Belfast in den 70ern: ‚`71‘ (2014) und ‚Good Vibrations‘ (2013)

Manchmal reicht ein einzelner Film einfach nicht. Ein zweiter muss her. Historische Double Feature paarten üblicherweise einen attraktiven „A-Film“ mit einem „B-Film“, der deutlich weniger Interesse weckte. Heutzutage gibt es als Double Feature im Kino höchstens noch Original mit dem Sequel hinterher. Aber wir machen uns unser eigenes Double Feature mit Blackjack und N. . . thematischer Klammer und hochwertigen Filmen.

Belfast in den 70ern war ein zutiefst gewalttätiger Ort. Ein ethnisch nationaler Konflikt im Gewand eines Glaubenskrieges zwischen Nationalisten (oder Katholiken) und Unionisten (oder Protestanten)  ging seit den späten 60ern in eine (erneute) heiße Phase. Paramilitärische Organisationen, wie die IRA und INLA auf nationalistischer Seite und UVF und UDA auf Unionistischer Seite führten bewaffnete Aktionen und Bombenanschläge mit hoher Brutalität aus. Eine Brutalität, die oftmals auch die Aktionen der staatlichen Organisationen Royal Ulster Constabulary und der British Army kennzeichnete.

In dieses Klima der allgegenwärtigen Gewalt wird in ‚`71‘ der junge britische Rekrut Gary Hook (Jack O’Connell) versetzt. Bei einer ebenso chaotischen wie brutalen Haussuchung in einem katholischen Viertel wird Hook von seinem unerfahrenen befehlshabenden Offizier (Sam Reid) vergessen. Schnell wird er zu einem gesuchten Faustpfand für alle in dem Konflikt beteiligten Fraktionen und für die umstrittene britische Military Reaction Force zu einem Problem.

Das Thema „Soldat allein hinter feindlichen Linien“ ist für den Film alles andere als neu und wurde gerade für die Bereiche 2ter Weltkrieg und Vietnamkrieg häufig (und oftmals propagandistisch) behandelt. Regisseur Yann Demange erfindet deshalb hier auch das Rad nicht neu, sondern liefert einen ebenso geradlinigen wie effektiven Thriller ab, bei dem der Zuschauer zusammen mit Hook durch die verwinkelten Gassen Belfasts eilt und versucht die Zusammenhänge zu durschauen. Propaganda würde ich dem Film in keiner Weise vorwerfen, allerdings sind die Wunden der Troubles in Großbritannien noch frisch genug, dass sich sicherlich Leute verletzt fühlen könnten. Wir sehen den Film fast rein durch Hooks Augen, der sicher kein englischer Nationalist oder auch nur ein besonders begeisterter Soldat wäre. Er ist einfach jemand , der in einer Situation gefangen ist, die er in keiner Weise kontrollieren kann. Wie die meisten Einwohner Belfasts zu der Zeit. Nur das er vielleicht am Ende nach Hause gehen kann.

Von einer ganz anderen Seite nähert sich ‚Good Vibrations‘ dem Konflikt: der Belfaster DJ Terri Hooley (Richard Dormer),der das große Problem hat sich keiner Konfession zugehörig zu fühlen, eröffnet in den frühen 70ern, zur Hochzeit der Troubles, einen Plattenladen mit demselben Namen wie der Film. Als er mit der Underground Punk Szene in Berührung kommt ist für ihn schnell klar: er muss diese Bands veröffentlichen, da es hier in der gefährlichsten Stadt Europas sicherlich sonst niemand tun wird.

Der Film, der auf wahren Tatsachen beruht, begleitet Hooley bei seinen Versuchen Bands wie „The Undertones“ oder „The Outcasts“ bei größeren Labels unterzubringen, bis er schließlich sein eigenes Good Vibrations Label gründet und BBC DJ John Peel mit der Undertones Single „Teenage Kicks“ das unglaubliche tut: er spielt sie aus Begeisterung zweimal hintereinander. Regisseure Lisa Barros D’Sa und Glenn Leyburn begleiten den charismatischen und sympathischen Hooley mit warmherzigem Humor bei seinen Versuchen seine Stadt mit etwas anderes in Verbindung zu bringen als nur Terror. Allerdings werden auch schwierigere Seiten Hooleys nicht ausgeblendet, wie sein eher schulterzuckendes Interesse an Frau und Kind und seine komplette Unfähigkeit im Umgang mit Geld. Es bleibt ein zutiefst gelungenes Musik-Biopic, das niemals vergisst in welchem unschönen Umfeld es spielt: Belfast in den 70ern.