Lasst uns kurz über Filmtrailer reden

Regelmäßige Leser des Newslichters erinnern sich möglicherweise an die Meldung, dass zwei Fans der Darstellerin Ana de Armas das Studio Universal verklagt haben. Weil de Armas in einem frühen Trailer zu dem Film ‚Yesterday‘ zu sehen war, im fertigen Film jedoch (aufgrund negativer Reaktionen bei Testvorführungen) nicht mehr auftaucht. Die beiden Kläger hatten den Film bei Amazon Prime für vier Dollar geliehen, ihre Klage belief sich auf fünf Millionen Dollar. In einer der vermutlich am wenigsten überraschenden Entscheidungen aller Zeiten, hat das Gericht nun gegen die Kläger entschieden. Es gäbe keinerlei Beweise, dass sie den Film nur deshalb geschaut haben, weil Universal fälschlich behauptet habe, de Armas tauche dort auf. Erwähnt wurde auch die Tatsache, dass einer der Kläger den Film ein zweites Mal, bei google play geliehen habe. Angeblich in der Hoffnung, in der Fassung sei nun endlich Ana de Armas zu sehen.

Eine andere Sache spielte bei dieser Entscheidung hingegen gar keine Rolle mehr. Nämlich Universals Behauptung, dass ein Trailer ein eigenständiges Kunstwerk sei, das in drei Minuten den generellen Ton des Films transportieren solle, ansonsten aber für sich selbst stehe. Davon kann man halten was man will, in meinen Augen ist ein Trailer tatsächlich immer noch vor allem ein Werbespot.

Und gerade bei den großen Produktionen merkt man das auch ganz deutlich. Ein, inzwischen nicht mehr ganz neuer Trend, den ich zutiefst hasse, ist der Mikro-Teaser vor dem eigentlichen Trailer. Wo mir für fünf Sekunden mit dröhnig-lauter Sounduntermalung spektakuläre Szenen des Films ohne jeden Kontext präsentiert werden, bevor der eigentliche Trailer dann losgeht. Der etwas hilflose Versuch der Studios die Augen von Zuschauern, die heutzutage so viel Ablenkung finden, dass man ihnen offenbar nicht mehr zutraut von allein auf Leinwand oder Bildschirm zu schauen, irgendwie auf den Trailer zu lenken.

Ich muss zugeben, Trailer sind einer der wenigen Orte, an denen ich mit den Studios mitfühlen kann. Heutzutage einen Trailer zu schneiden, ohne dabei irgendwem auf die Füße zu treten scheint fast unmöglich. Da sind die Leute, die sich vor „Spoilern“ fürchten, wie der Teufel vorm Weihwasser, aber, gerade als regelmäßige Kinogänger, dennoch Trailern halt nicht entgehen können. Die würden am liebsten gar nichts Wesentliches im Trailer sehen. Andere möchten am liebsten schon anhand des Trailers die gesamte Handlung des Films vorausahnen. Diese zwei Wünsche sind, offensichtlich, nicht unter einen Hut zu bringen. Marvel zum Beispiel deutet daher immer wieder Szenen an, die es so im fertigen Film nicht geben wird.

Das klingt erst einmal clever, verärgert aber womöglich beide Gruppen. Die einen fühlen sich „gespoilt“ und merken erst im Film, dass sie es nicht waren und die anderen fühlen sich um ihre Spekulationen betrogen.

Ich muss sagen, ich mag Trailer, die genau das sind, was Universal behauptet, das Trailer sein sollten. Eigenständige, kleine Werke, die eine Idee transportieren, was der Film ist. Ein wunderbares Beispiel ist ein früher Trailer zu ‚Jurassic Park‘, der zeigt, wie ein Moskito in Bernstein gefunden und untersucht wird. Was wir im fertigen Film von „Mr. DNA“ zusammengefasst bekommen.

Oder der berühmte ‚Alien‘ Trailer, der bloß ein bedrohliches Ei und surreale Geräuschkulisse enthält.

Oder natürlich, der Trailer zu ‚Spider-Man‘, der zeigt, wie der Superheld ein Verbrechen vereitelt (das im Film nicht vorkommt), ohne ihn selbst zu zeigen. Von ein paar Szenen am Ende abgesehen. Diesen Trailer zog Sony damals in Folge der Anschläge vom 11. September zurück, da Spidey den Fluchthelikopter ausgerechnet zwischen den Twin Towers einspinnt. Ist also nicht auszuschließen, dass die Szene in irgendeiner Form doch mal für den fertigen Film gedacht war.

Wie seht Ihr das? „Darf“ ein Trailer nur zeigen, was auch im fertigen Film ist, oder erlaubt Ihr kreative Freiheiten? Gibt es eine Trailerszene, die ihr im fertigen Film ernstlich vermisst habt? Außerdem: welche Trailertrends gehen Euch persönlich auf die Nerven? Bei mir sind es die erwähnten Mikro-Teaser und natürlich „düstere“ Coverversionen bekannter Songs.

Was ist eigentlich mit Roger Rabbit passiert?

Ich schreibe hier ja gerne den Satz, dass heutzutage kein Franchise mehr sterben darf. Alles wird rebootet, remaket, resequelt, oder re-wasauchimmert. Da fällt eben doch auf, wenn ein potentielles Franchise einfach verschwindet. Vor allem eines, das in einem, für die heutige Großmacht der Popkultur, so wichtigen Moment kam. Die Rede ist von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘, der 1988 ein dringend benötigter Erfolg für Disney Animation war. Ein großer Erfolg, eine neue Disneyfigur in einer Zeit, als die Firma drohte der Bedeutungslosigkeit anheimzufallen. Aber dann gab es nie ein Sequel, nur eine Handvoll Kurzfilme. Was war passiert? (im Folgenden werde ich mich nur auf die Filmaspekte von Roger Rabbit beschränken, die Bücher von Gary K. Wolf und das eine Fahrgeschäft in Disney Parks bleiben (weitgehend) außen vor)

Dafür müssen wir kurz die beteiligten an der Produktion von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ vorstellen. 1981 kaufte Disney die Filmrechte an dem Buch ‚Who Censored Roger Rabbit?‘ von Gary K. Wolf. Für die Produktion der Story, in der Toons real existierende Darsteller sind, wäre eine komplexe Mischung aus Real- und Zeichentrickfilm notwendig. Ein Regisseur namens Robert Zemeckis interessierte sich für das Projekt. Aber der hatte nicht viel Erfahrung und keine Erfolge vorzuweisen und so versandete das Projekt schnell.

1984 sah es finanziell sehr düster aus für Disney. Die Zeichentrickfilme zündeten nicht mehr und man hatte sehr viel Geld in allerlei Realfilmprojekte versenkt, im vergeblichen Versuch den Erfolg von ‚Star Wars‘ zu kopieren. Neues Blut musste her und das kam in Person von Michael Eisner, der von Paramount herüberwechselte und Disneys CEO wurde. Er brachte seinen Kollegen Jeffrey Katzenberg mit, dem er die Verantwortung für Film- und Zeichentrickproduktion übertrug. Und der dachte ernsthaft darüber nach, die Zeichentricksparte schlicht dichtzumachen.

Denn Disney hatte inzwischen schwere Konkurrenz in dem Feld. Ausgerechnet in Person von Ex-Disney-Animator Don Bluth. Der arbeitete gerade an seinem neuesten Film ‚Feivel, der Mauswanderer‘ und bekam dabei Unterstützung von Hollywoods Regie-Superstar Steven Spielberg. Seit der Mitte der 70er mit ‚Der Weiße Hai‘ den Sommerblockbuster etabliert hatte und danach mit einer ganzen Reihe von Superhits auftrumpfen konnte, besaß er in Hollywood quasi carte blanche. Das ist wohl auch der Grund, weswegen man bei Disney willens war, ihm, trotz seiner Arbeit mit „Nestbeschmutzer“ Bluth, zuzuhören, als er ‚Roger Rabbit‘ wieder ins Gespräch brachte. Das und die Tatsache, dass allgemein bekannt war, dass Spielberg ein Animationsnerd war und ist und durchaus wusste, wovon er spricht.

Katzenberg jedenfalls war Feuer und Flamme von der Idee. Eisner war verhaltener, aber da quasi alles, was Spielberg anfasste zu Gold wurde und Disney dringend einen Hit brauchte, ließ er sich ein. Spielberg sollte einen erheblichen Anteil an den Einnahmen des Films erhalten und bekam ein umfassendes kreatives Veto-Recht. Dafür würde er seinen Einfluss nutzen, um bei anderen Studios wie Warner oder MGM für die Verwendung der dortigen Cartoon-Charaktere zu werben. Disney behielte alleiniges Produktionsrecht, sämtliche Einnahmen aus Merchandise und abgesehen von Spielbergs Veto quasi sämtliche Rechte am Charakter. Die Regie ging an Robert Zemeckis, der sich inzwischen mit ‚Zurück in die Zukunft‘ (produziert von Spielbergs Amblin Entertainment) einen großen Namen gemacht hatte.

Über die schwierige Produktion will ich hier gar nicht viel schreiben, man darf aber annehmen, dass als 1986 ‚Feivel‘ Disneys hauseigenem ‚Basil, der große Mäusedetektiv‘ im Kino den Käse vom Brot nahm, Michael Eisner nur mäßig glücklich gewesen sein dürfte.  Aber als ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ 1988 der dringend benötigte Erfolg wurde, dürfte der Ärger schnell verraucht gewesen sein. Disney waren wieder da, mit einem Film, der klassische Animation und Toons feierte wie kein zweiter. Natürlich sollte schnell eine Fortsetzung her. Nein, nicht bloß eine Fortsetzung, Disney würde erstmals seit 1965 wieder animierte Kurzfilme als Vorfilme fürs Kino produzieren! Mit Roger Rabbit! Für durchaus heftige Millionenbudgets! Roger Rabbit, ein Charakter aus den fiktiven 40ern würde Disneys neuer Charakter für die ebenso realen, wie wilden 90er! Eisner, Katzenberg und Spielberg dürften sich in diesem Moment ein letztes Mal wirklich gut verstanden haben. Bloß Zemeckis wollte nix mehr damit zu tun haben, die Arbeit am Roger Rabbit Film bezeichnete er später als „die Hölle“.

1988 jedenfalls war der 60te Geburtstag von Micky Maus. Und in einem Fernsehspecial gehörte natürlich Roger zu seinen Gratulanten. Das sah schnell und billig hinproduziert aus und war es natürlich auch. Genau so sollte Roger aber nicht aussehen. Gespräche um ein vernünftiges Sequel begannen direkt.  Amblin Mitbegründerin Kathleen Kennedy hörte einen Vorschlag von einem jungen Mann namens J.J. Abrams, der sie schwer begeisterte. Allerdings wohl niemanden sonst. Man darf sich durchaus fragen, ob hier die Grundlage für die Star Wars Sequels Jahrzehnte später gelegt wurde, aber das ist ein anderes Thema. Man entschied sich stattdessen für ein Skript namens ‚Toon Platoon‘, in dem eine Truppe aus Toons im Zeiten Weltkrieg gegen die Nazis kämpft und später Jessica Rabbit retten müssen, die von den Nazis entführt  wurde und gezwungen wird, Propaganda zu drehen. Später verschob sich die Handlung auf die Bekämpfung von Nazi-Spionen in Hollywood, da man die anderen Studios wohl schwer hätte überzeugen könnte, ihre Toons in Kriegshandlungen zu zeigen (und Disney selbst wohl auch kalte Füße bekam). Für den Realfilm-Teil zeigte sich Tom Cruise sehr interessiert an einer Zusammenarbeit. Da es ein Prequel würde, wäre Bob Hoskins ohnehin raus.

1989 erschien der erste Roger Rabbit Kurzfilm, ‚Tummy Trouble‘ vor ‚Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft‘. 1989 verschoben sich aber auch die Verhältnisse bei Disney. Schon seit 1987 hatte man mit ‚Duck Tales‘ mit ganz klassischen, eigenen Charakteren Erfolg im Fernsehen. Und nun kehrte auch der Kinoerfolg mit ‚Arielle, die Meerjungfrau‘ lautstark zurück. Ein Erfolg, den man im nächsten Jahr mit ‚Die Schöne und das Biest‘ direkt wiederholen würde. Erfolge, an denen Disney die alleinigen Rechte besaß, die nicht mit einem Spielberg durchgesprochen werden mussten. Katzenberg war immer noch Rogers größter Fan, aber Eisner war nicht glücklich. Insbesondere da Spielberg, der sich inzwischen mit Bluth überworfen hatte, mit Amblimation nun auch noch ein eigenes Trickfilmstudio gründete und so in direkte Konkurrenz zu Disney trat.

Die Diskussionen zwischen den Roger Rabbit Verantwortlichen wurden wohl schärfer. Spielberg wollte 1990 den zweiten Kurzfilm vor dem von ihm produzierten ‚Arachnophobia‘ schalten. Eisner war strikt dagegen. Roger richtete sich vornehmlich an Kinder und die schauen keine Horrorkomödie um Mörderspinnen. Nein, der Kurzfilm sollte vor ‚Dick Tracy‘ geschaltet werden. Der spielte, wie Roger, in den 40ern und Eisner war sicher, das würde Disneys ‚Batman‘, also ein Riesenerfolg. Da Spielberg nur kreativ mitreden durfte, das Programmatische die Sache Disneys war, setzte Eisner sich durch. ‚Roller Coaster Rabbit‘ lief vor ‚Dick Tracy‘ (und so weh es mir auch tut, ich muss Eisner hier Recht geben! Also was die Wahl des Films betrifft, nicht so sehr bei der Idee ‚Dick Tracy‘ könnte ein ‚Batman‘-artiger Erfolg werden).

 1991 sollte der dritte Kurzfilm erscheinen. Vermutlich vor ‚Rocketeer‘. Nun aber machte Spielberg von seinem Veto-Recht Gebrauch und stoppte die Produktion. Warum? Um Eisner die Sache mit ‚Arachnophobia‘ brühwarm heimzuzahlen? Durchaus möglich. Aber es gibt Leute, die dem Projekt nahestanden, die sagen ‚Hare in my Soup‘ war schlicht nicht besonders gut und Spielberg hätte die Produktion aus Qualitätsgründen gestoppt. Wie dem auch sei, dies sorgte dafür, dass auch die Produktion des ‚Roger Rabbit‘ Sequels pausiert wurde.

Spielberg hatte vermutlich inzwischen Roger Rabbit insgesamt satt, nicht zuletzt, weil die Gespräche mit Eisner vermutlich so lustig wie Zähne ziehen waren. In der Zeichentrickserie ‚Tiny Toon Abenteuer‘, die Amblimation für Warner produzierte, tauchte in Folge 61 ein Charakter auf, der Roger sehr ähnlich war, mit ähnlich lispelnder Stimme sprach und vom Publikum von einer Bühne ge-buht wurde. Es gab damals Gerüchte Spielberg selbst hätte den Dialog dieses Charakters eingesprochen. Das stimmt wohl nicht, aber als Zustandsaufnahme ist es doch deutlich.

Tom Cruise stieg alsbald aus dem Film-Sequel aus, 1992 endete das Projekt offiziell, die Animatoren wurde stattdessen zum ‚König der Löwen‘ beordert. Der Grund dafür könnte schlicht das Auseinanderdriften von Disney und Spielberg sein, allerdings gibt es noch eine andere Theorie. Spielberg befand sich damals in der Vorbereitung zu ‚Schindlers Liste‘. Und der Film veränderte seine Sicht auf Nazis komplett. Verwendete er sie zuvor als oftmals komisch/groteske Schurken, wollte er das nach dem Film nicht mehr tun. Und Roger Rabbit gegen Nazi Spione klingt eindeutig nach albernen Nazi Charakteren.

Spielberg jedenfalls setzte Ideen, die er sicherlich noch für Roger hatte vermutlich 1993 in ‚Animaniacs‘ um, einer weiteren Zeichentrickserie für Warner, die die Prämisse, dass Cartoonfiguren Darsteller sind, direkt übernimmt. Bei Disney wollte man wohl ebenfalls seinen eigenen Roger und schuf die Serie ‚Bonkers‘, um einen Cartoon Luchs, der vom Wacky Toon Studios gefeuert wird und der dann bei der Polizei anheuert. Im Gegensatz zu ‚Animaniacs‘ war ‚Bonkers‘ aber kein großer Erfolg beschert (und ich bin mir sicher, ihr lest hier zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert den Namen).

Und doch taute das Eis 1992 ein letztes Mal zumindest an. Ein vierter (bzw. neuer dritter) Roger Rabbit Kurzfilm wurde produziert, ‚Trail Mix-Up‘. Der lief 1993 vor ‚Die Spur des Windes‘. Und wenn Ihr Euch jetzt wundert, warum Ihr von dem Film noch nie gehört habt, keine Sorge, das hat sonst auch keiner. Nun kann man sich fragen, ob das eine letzte Boshaftigkeit von Michael Eisner war, um dem Hasen den Rest zu geben, oder ob Disneys Programm 1993 einfach nicht viel mehr hergab.

Danach jedenfalls kühlte die Beziehung zwischen Eisner und Katzenberg extrem ab. Als Disneys Vizepräsident Frank Wells 1994 bei einem Hubschrauberabsturz starb, erwartete Katzenberg auf dessen Position befördert zu werden. Als Eisner verkündete diese Position zunächst unbesetzt zu lassen und ihre Aufgaben kommissarisch selbst auszuführen, war das Tischtuch endgültig zerrissen. Katzenberg verließ Disney und gründete DreamWorks SKG, gemeinsam mit David Geffen und… Steven Spielberg. DreamWorks holte die Animatoren vom aufgelösten Amblimation an Bord und positionierte sich sofort als direkte, aggressive Konkurrenz zu Disney und Pixar. Nirgendwo war das deutlicher als bei Katzenbergs Herzensprojekt, an das niemand sonst bei DreamWorks glaubte. ‚Shrek‘, eine Parodie auf Disneys Märchenumsetzungen, deren Schurke, Lord Farquart, in einer Art Disneyland lebte und die Gesichtszüge von Michael Eisner trug. Wenn Katzenberg etwas konnte, dann einen ordentlichen Groll hegen.

Damit sollte die Geschichte Rogers eigentlich enden. Tut sie aber nicht. Wegen Michael Jordan, ausgerechnet. Michael Eisner sah 1997 mit einigem Ärger den gigantischen Erfolg, den Warner mit ‚Space Jam‘ einfuhr. Das hätte, seiner Meinung nach, verdammt nochmal Roger Rabbit sein sollen! Und so wurde ein Roger Rabbit Prequel erstaunlich schnell in Produktion gegeben. Und Spielberg legte überraschend kein Veto ein. Hier sollte Roger ein Helfer hinter der Bühne am Broadway sein, der in Star Jessica verknallt ist und durch Zufall selbst Karriere macht. Eisner gab Songs bei Stammkomponist Alan Menken in Auftrag, wollte Pixar Technologie nutzen, um die Produktion zu erleichtern. Doch da es keine Budget-Voraussagen unter 100 Millionen Dollar gab, verwarf Eisner die Idee alsbald wieder. Übrig von dem Projekt ist nur einer der Songs von Menken, der 2008 auf dem Debütalbum von Schauspielerin und Sängerin Kerry  Butler verwendet wurde.

Damit sollte die Geschichte Rogers eigentlich enden. Tut sie auch. Weitgehend. In den 2000ern arbeitete  Robert Zemeckis an der DVD-Umsetzung von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ und fand auf einmal wieder Interesse an einer Fortsetzung. 2010 zeigte sich auch Bob Hoskins interessiert, verabschiedete sich 2012 jedoch aufgrund seiner Parkinson Erkrankung von der Schauspielerei. Ebenfalls 2012 verkündete Zemeckis, man warte nur auf das „Okay“ der Disney-Chefetage (inzwischen Eisner Protegé Bob Iger). Seitdem gab es keine News mehr zu dem Thema. Das Okay kam offenbar nie.

Meine Einschätzung ist, dass Disney Roger Rabbit nicht wieder anfassen, solange sie nicht volle Kontrolle über den Charakter haben. Warum auch, wenn sie doch volle Kontrolle über einen Großteil der Popkultur haben? Die Frage ist also, ob Spielberg bereit wäre, seinen Anteil zu verkaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sehr daran hängt. Die nächste Frage wäre, ob Disney seinen Preis bezahlen wollen würde. Und dann ist da die Frage, ob sich heute überhaupt noch jemand für ein Sequel/Prequel interessieren würde. Roger selbst ist halb vergessen, klassische Cartoons finden kaum noch Interesse und haben wenig Platz in der heutigen Programmgestaltung. Immerhin, die Roger Rabbit-Kurzfilme kann man nun wohl als Extras auf Disney+ schauen.

Hier haben wir also ein Franchise, dass womöglich gestorben ist. Gescheitert an den gigantischen Egos hinter den Kulissen von Hollywood. Und an Disneys unaufhaltsamem Erfolg in den 90ern, der den albernen Hasen schlicht überflüssig machte.

Von Pferden, Zügen und Perücken: die vergessene Karriere von Helen Gibson, Stuntfrau und Star

Schaut man heute, im Zeitalter von High Definition oder gar 4K, einen Hollywood Actionfilm der 50er-80er so ist es unausweichlich, dass man Zeuge einer umstrittenen Praxis im Stunt-Gewerbe wird: „wigging“. Das beschreibt den Einsatz eines männlichen Stunt-Peformers, meist in Perücke, daher der Name, für eine weibliche Darstellerin. Als Grund hierfür wurde meist angegeben, dass es schlicht keine Stuntfrauen gäbe, oder nur solche, die für das Benötigte nicht qualifiziert genug wären. Das steht im heftigen Kontrast etwa zum Hongkong-Kino, wo es selbstverständlich Stuntfrauen gab, aber auch von (Haupt-)Darstellerinnen erwartet wurde, dass sie ihre Stunts zumeist selbst erledigten.

Derartig draufgängerische Frauen gab und gibt es, wenig überraschend, auch in den USA. Und sie waren im frühen Filmgeschäft auch durchaus im Einsatz. Das änderte sich tatsächlich erst etwa in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, als Film zum „Big Business“ wurde und die Idee von Stuntfrauen als zu unziemlich abgeschrieben wurde. Schließlich musste die geballte Männlichkeit noch damit klarkommen, dass Frauen seit 1920 in den USA wählen durften!  

Eine der frühesten Stuntfrauen dürfte Helen Gibson gewesen sein. Sie wurde 1892 in Cleveland, Ohio als Rose August Wenger geboren. Als sie 1909 eine tourende Wildwest Show sah, bewarb sie sich, ohne jede Erfahrung mit Pferden, als Western Reiterin. Sie bekam einen Job bei der Miller-Arlington Show, ging durch eine harte Lehrzeit und hob bald als Teil der Show im vollen Galopp ein Taschentuch vom Boden auf. 1911 löste das Management die Show überraschend auf und die Darsteller waren in Kalifornien gestrandet. Rose, wie viele andere, verdingte sich für kleine Rollen in Westernfilmen und Rodeoshows. Hier lernte sie auch Edmund „Hoot“ Gibson kennen. Mit dem sie bald eine professionelle Partnerschaft einging.

Das Paar war bald bekannt genug, dass sie zu Rodeos bis nach Kanada eingeladen wurden. In dieser Zeit beschlossen sie zu heiraten. Denn es war zu Rodeozeiten immer schwer ein Zimmer in der jeweiligen Stadt zu bekommen und Ehepaare wurden bei der Vergabe bevorzugt. Nein, nach der ganz großen Liebe klingt das nicht. 1914 begann Rose für die Kalem Film Company zu arbeiten. Als Stunt Double für Helen Holmes, Star des langlebigen Abenteuer-Serials ‚The Hazards of Helen‘.

Holmes war durchaus in der Lage ihre eigenen Stunts zu vollführen, doch Roses Arbeit übertraf das bei weitem. In ihrem berühmtesten Stunt schwang sie an einem von einer Brücke hängenden Seil von zwei galoppierenden Pferden auf einen Zug. Sie konnte den Stunt nur mit stehendem Zug proben, weswegen sie bei der Ausführung mit fahrendem Zug das Gleichgewicht verlor und am Zug hing, bevor sie sich hochzog. Sie erlitt nur einige blaue Flecken, aber die meisten Versicherungen weigerten sich fortan, Produktionen mit Rose zu versichern.

Das Studio störte sich nicht daran und tatsächlich wurde sie zu Helen Holmes Nachfolgerin in der Rolle der Helen, als die das Studio verließ. Dafür musste sie allerdings ihren eigenen Namen ebenfalls in Helen ändern. Bis zum Ende des, mit 119, Ausgaben längsten Serials aller Zeiten, sprang sie mehrfach von verschiedenen Orten auf (gelegentlich brennende) Züge, fuhr Motorräder (und sprang von dort auf Züge), sprang aus einem Doppeldecker Flugzeug (nicht auf einen Zug, sondern in einen Fluss) und tat allerlei irrsinnige Dinge, die nicht selten in gebrochenen Knochen endeten. 1917, als das Serial eingestellt wurde, erhielt sie einen Dreijahresvertrag von Universal und arbeitete hier unter anderem mit John Ford. Sie war eine der „New Women“ von Hollywood, die zumindest auf der Leinwand ihr eignes Leben leben konnten, während die Suffragetten in der wahren Welt noch um grundlegende Rechte wie das Wählen oder das Fahren von Autos kämpften.

1918 kehrte Hoot Gibson zurück, der sich dem Einsatz der USA im Ersten Weltkrieg angeschlossen hatte. Er kam nicht damit klar, dass seine Frau inzwischen zum Star geworden war und ließ sich 1920 scheiden (1922 heiratete er übrigens, in einer Geschichte voller Helens, eine weitere Helen, Helen Johnson. Die Ehe hielt bis 1929).

Im selben Jahr gründete Helen Gibson (diesen Namen verwendete sie professionell weiterhin) ihre eigene Produktionsfirma. Und mag sie auch eine furchtlose und kompetente Stuntfrau gewesen sein, eine Geschäftsfrau war sie nicht. Bereits die erste Produktion ‚No Man’s Woman‘ fraß nicht nur das Vermögen der Firma, sondern auch Helens Privatvermögen fast komplett auf. Dennoch wurde der Film 1921 als ‚Nine Points oft he Law‘ veröffentlicht. Allerdings von einem anderen Studio, Gibsons Firma war schon wieder Geschichte.

Aber sie bekam schnell wieder Arbeit, im Western ‚The Wolverine‘. Dort war man bei der Spencer Production Company so zufrieden mit ihr, dass sie einen dauerhaften, gut bezahlten Vertrag bekommen sollte. Dann aber riss ihr Blinddarm und eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung schloss sich an. Das Studio entließ sie fristlos und die medizinischen Kosten ruinierten sie finanziell vollends.

Gibson kehrte zu ihren Wurzeln im Stuntreiten zurück. Unter anderem in den großen Zirkussen Ringling Bros. und Barnum & Baileys. Nach Hollywood kehrte sie erst 1927 zurück. Nun meist als Stuntfrau. Und, als sie in dieser Rolle mehr und mehr vom „wigging“ der Stuntmen verdrängt wurde, auch in Kleinst- oder Statistenrollen. So soll sie etwa als Statistin in ‚Frankensteins Braut‘ zu sehen sein. 1935 heiratete sie Clifton Johnson (soweit ich weiß, nicht verwandt mit Hoots Helen Johnson…), der 1940 zum aktiven Dienst im Zweiten Weltkrieg einberufen wurde. Sie arbeitete weiter in kleinen Rollen und wurde Schatzmeisterin der „Bruderschaft (fraternal organisation) der Stuntfrauen“. Ein weiterer Versuch als Geschäftsfrau Mitte der 50er, jetzt als Maklerin, endete zwar nicht so katastrophal wie der erste, wurde aber auch kein Erfolg.

Ihren letzten Stunt vollführte sie 69jährig, 1961 in John Fords ‚Der Mann, der Liberty Valance erschoss‘. Sie kontrollierte ein Pferdegespann. In den 60ern zog sich das Ehepaar Gibson-Johnson nach Oregon zurück, wo Helen noch gelegentlich Vorträge hielt. Sie starb 1977 85jährig an Herzversagen in Folge eines Schlaganfalls.

Ihre Zeit als Star war kurz, was in der Stummfilmära nichts Ungewöhnliches war. Ungewöhnlich ist aber ohne jede Frage ihr Einsatz als Stuntfrau, der heute weitgehend vergessen scheint. Erstaunlicher ist aber fraglos noch, dass sich im Jahr 2020 Stuntperformer in einem offenen Aufruf an die SAG-AFTRA, die mächtige Gewerkschaft der Hollywoodschauspieler, wandten und ein Ende von „wigging“ und des vielleicht noch… erstaunlicheren Vorgangs des „paint down“ forderten. „Paint down“ bezeichnet die Praxis einen weißen Stuntman mit dunklem Makeup für dunkelhäutige Darsteller einzusetzen. Die Praktiken sind seltener geworden, aber offenbar immer noch verbreitet genug, dass derartige Aufrufe nötig sind.  

Louis Le Prince, der verschwundene Filmpionier

Wenn man ein bestimmtes Alter überschritten hat, dann erfolgt so um den eigenen Geburtstag herum grundsätzlich eine Betrachtung zum Thema Zeit. Dieses Jahr hat die sich bei mir ausnahmsweise mal auf ein Thema konzentriert, das ich hier auf dem Blog verwerten kann: der Frage was ist eigentlich der älteste Film der Welt und was ist seine Geschichte? Und die Antwort darauf stellte sich auch noch als veritabler Thriller heraus!

Mit 100%er Sicherheit lässt sich die Frage nach dem ältesten Film vermutlich nicht beantworten, aber allgemein wird angenommen, dass es ‚Roundhay Garden Scene‘ des Franzosen Louis Le Prince aus dem Jahr 1888 ist. Es ist nicht der erste Filmversuch, den Le Prince startete, doch vorherige Aufnahmen waren verwackelt. Hier filmt er mit seiner Einlinsenkamera auf Eastman Papierfilm.

Mit etwa 2 Sekunden Länge bietet der Film heute kaum genug Content für ein Tiktok-Video, seine Geschichte ist dennoch faszinierend. Also die um den Film an sich. Sein Inhalt ist, wie Ihr gesehen habt, simpel. Anfangs ganz links im Bild sehen wir Adolphe Le Prince, den Sohn von Louis und Ehefrau Elizabeth Le Prince-Whitley. In der Mitte Miss Harriet Hartley, eine Bekannte Le Princes. Und rechts im Hintergrund das Ehepaar Sarah und Joseph Whitley, die Schwiegereltern Le Princes, im Garten deren Hauses in Roundhay, einem Vorort von Leeds, die Aufnahme entstand. Und wir sehen wie sie ein wenig durch die Gegend wandern, bevor die Aufnahme auch schon wieder vorbei ist.

Le Prince war inspiriert vom Zoopraxiskop von Eadweard Muybridge und dessen Versuchen mit Bewegtbildern. Er besaß bereits ein Patent für eine Kamera, die mit 16 Objektiven schnell aufeinanderfolgende Aufnahmen machen konnte und so Bewegung abbildete. Allerdings nahm die natürlich zwangsläufig jedes Bild einer Bewegungsabfolge aus leicht anderer Perspektive auf. Also werkelte Le Prince über Jahre an einer Kamera, die dieses Problem beheben würde. Die obige Aufnahme war das „proof of concept“ seiner Einlinsenkamera. Damit befand er sich natürlich in einem inoffiziellen Wettstreit mit einer ganzen Reihe von Filmpionieren und war ihnen voraus. Seinen Landsleuten, den Brüdern Lumiere, Edison und Dickson aus den USA oder Donisthorpe aus dem Vereinigten Königreich. Merken solltet Ihr Euch die beiden Thomase Dickson und Edison, die kommen noch einmal vor. Tatsächlich aber würde Le Princes Kamera letztlich keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Filmgewerbes haben.

Doch kommen wir zunächst einmal zur Datierung des Films. Adolphe Le Prince, einer der ersten Filmschauspieler und Louis‘ Sohn, gab später an, die Aufnahme sei am 14. Oktober 1888 entstanden. Natürlich wissen wir nicht, ob das exakt ist. Viel später aber kann es jedoch nicht gewesen sein, da Mrs. Sarah Whitley am 28. Oktober desselben Jahres verstarb. Die Whitleys wurden so zur ersten Familie der Welt, die Filmaufnahmen einer verstorbenen Verwandten besaß. Kurz darauf entstand die obige Aufnahme an einer Kreuzung in Leeds.

Die technische Funktion seiner Kamera hielt Le Prince streng geheim. Er wollte sie und seine Aufnahmen der Welt zum ersten Mal 1890 in New York präsentieren. Am 12. September des Jahres reiste er mit dem Zug von Bourges nach Dijon und besuchte dort seinen älteren Bruder Albert. Von dort wollte er über Paris und Liverpool weiter nach New York reisen. Ankommen würde er dort nie. Zuletzt gesehen wurde er offiziell von Albert, als er am 16. September den Zug in Richtung Paris bestieg. Louis Le Prince verschwand scheinbar spurlos und tauchte niemals wieder auf. Sieben Jahre später wurde er für tot erklärt.

Selbstverständlich zieht ein solch mysteriöses Verschwinden eines Pioniers des Films allerlei Theorien nach sich. Einige wilder als andere. Le Prince war, nicht zuletzt aufgrund seiner jahrelangen Erfinderarbeit, hoch verschuldet. Womöglich hat er diese Chance genutzt, um sich einer möglichen Haftstrafe zu entziehen. Vielleicht aber hat ihn auch seine Familie zum Verschwinden aufgefordert, wie manche vermuten. Oder aber er hat sich das Leben genommen. 2004 wurde die Fotografie einer männlichen Leiche entdeckt, die kurz nach Le Princes Verschwinden in Paris aus der Seine gefischt wurde und ihm zum Verwechseln ähnlich sehen soll. Ein Beweis ist das keinesfalls. Nicht zuletzt, weil die Leiche einige Zentimeter kleiner war, als Le Prince gewesen sein soll. Andere sagen, sein freiwilliges oder unfreiwilliges Verschwinden habe nichts mit den Schulden zu tun gehabt, sondern mit der Tatsache, dass er homosexuell gewesen sei.

Aus heutiger Sicht sensationalistischer ist da die Vermutung, Albert habe seinen Bruder ermordet. Ganz auszuschließen ist das nicht. Albert konnte wohl noch schlechter mit Geld umgehen als Louis und schuldete seinem jüngeren Bruder noch eine große Summe aus dem Erbe ihrer Eltern. Man darf durchaus annehmen, dass die Brüder bei diesem Besuch über Geld gestritten haben. Und anscheinend ist Albert der einzige, der Louis‘ Abfahrt bezeugt hat. Aber daraus kann man selbstverständlich keinen Mord schlussfolgern.

Die dramatischste Theorie schließlich lautet, dass Thomas Edison Le Prince hat ermorden lassen, um dessen Kamera-Demonstration in New York zu verhindern. Edison nahm später für sich in Anspruch erster und alleiniger Erfinder der Bewegtbildkamera zu sein. Edison war durchaus berüchtigt dafür, mit Konkurrenten rücksichtslos umzugehen, keine Geschichte über Nikola Tesla kommt ohne Edison als Schurken aus. Angeblich soll Le Princes Witwe kurz nach seinem Verschwinden einen entsprechenden Verdacht geäußert haben. Belegen konnte das aber weder sie, noch irgendjemand sonst, der diese Vermutung geäußert hat. Tatsächlich sollten sich Le Prince und Edison noch einmal indirekt und – vermutlich – posthum begegnen.

Adoplphe Le Prince, hier nicht als Zeuge, sondern als Akkordeonspieler. Die Aufnahme entstand womöglich am gleichen Tag wie die ‚Roundhay Garden Scene‘

Thomas Dickson, der für Edison an dessen Kamera gearbeitet hatte und mindestens Miterfinder, vermutlich aber alleiniger Entwickler war, gründete 1895 sein eigenes Filmstudio American Mutoscope Company. Mit seinem Mutoskop als direkt Konkurrenz zu Edisons Kinetoskop Guckkastenkino. Auch verwendete die Firma andere Filme als Edisons Kameras, um dessen Patente nicht zu verletzen. Thomas Edison verklagte sie selbstverständlich dennoch. Die Verteidiger beriefen Adolphe Le Prince als Zeugen, um Edisons Anspruch „erster und alleiniger Erfinder“ der Bewegtbildkamera zu sein, zu widerlegen. Geholfen hat es wenig, das Gericht entschied, wie so oft, im Sinne Edisons. Dennoch wurde Mutoscope, später Biograph Company, für kurze Zeit zum erfolgreichsten Filmstudio der USA, was aber spätestens mit dem Umzug der US-Filmindustrie von der Ost- an die Westküste, also als sie wirklich lukrativ wurde, endete.

Es entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Ironie, dass Louis Le Prince selbst nie in seinen Filmen zu sehen ist und das so einer der ersten Menschen, die Bewegtbilder unsterblich machen konnten, ohne jede Spur aus der Geschichte verschwunden ist.

Was war DIVX und warum ist es gescheitert?

Man lernt bekanntlich nie aus. So habe ich neulich zum Tom Hanks Film ‚That Thing You Do!‘ recherchiert. In der US-Veröffentlichungsgeschichte fiel mir dort etwas auf. Nach VHS und Laserdisc erschien der Film dort 1998 als „DIVX“. Eine DVD Veröffentlichung erfolgte erst drei Jahre später. DIVX? Was ist DIVX? Fragte ich mich jedenfalls. Und die Antwort darauf gestaltete sich interessanter als ich gedacht hätte.

Um eine Sache direkt klarzustellen: wir sprechen hier nicht über den Video-Codec DivX, der um die Jahrtausendwende höchstbeliebt war, weil man damit gerippte DVD Filme ohne allzu großen Qualitätsverlust (najaaa, für damalige Ansprüche) auf CD-Rom Größe komprimieren konnte. Allerdings war der Name des Codecs, anfangs noch mit angehängtem Zwinker-Smiley, durchaus eine Anspielung an das gescheiterte System DIVX, über das wir nun endlich sprechen wollen.

DIVX war nichts weniger als ein Versuch der US Elektronik-Kette Circuit City und der Anwaltskanzlei Ziffren, Brittenham, Branca & Fischer den US Leihfilmmarkt zu revolutionieren (und bei Erfolg sicherlich auch den der restlichen Welt). Die Idee liest sich zunächst einmal durchaus clever. Der Kunde kann eine DIVX-Scheibe, mit einem Film darauf, für einen geringen Betrag bei einem Händler erwerben. Zuhause wird sie in den DIVX-Player eingelegt. Das war quasi ein vollwertiger DVD Player, der aber auch ans Telefonnetz angeschlossen werden konnte und musste, um DIVX zu nutzen. Zusätzlich musste ein Konto vorhanden sein. Denn nach dem ersten Einlegen einer DIVX hatte man 48 Stunden Zeit den Inhalt sooft man wollte zu schauen. Danach hatte man zwei Möglichkeiten. Entweder man zahlte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal die „Leihgebühr“ und hätte erneut 48 Stunden Zeit, oder man zahlt einen etwas höheren Betrag und schaltete die Scheibe ein für alle mal frei. Dieser Freischaltstatus wäre danach übrigens an kein Konto geknüpft, sondern direkt an die Scheibe, sodass sie auch verkauft oder verschenkt werden könnte. Ganz schön fortschrittlich!

Das liest sich erst einmal wie eine durchaus gute Idee, um teuren „Blindkäufen“ zu entgehen. Erst mal billig die Scheibe mitnehmen und, sofern der Film gefällt, kann man sie immer noch freischalten. Und da jeder DIVX Player auch ein DVD Player war, wäre hier eine wunderbare symbiotische Beziehung mit diesem 1997 eingeführten Format möglich gewesen. Das Problem war, dass sich Circuit City auf Anhieb eine ganze Menge Feinde gemacht hatte. Teilweise ohne Not.

Da waren zunächst einmal die absolut berechtigten Einwürfe von Umweltschützern, die vor extremen Mengen Plastikmüll durch die „Leih“-Scheiben warnten, wenn gesehene DIVX Scheiben direkt in den Müll wandern würden. Ob derartige Bedenken 1998, in der Zeit der AOL CDs und zahlloser Zeitschriften mit Coverscheiben, irgendwen beeindruckten, darf ernstlich bezweifelt werden.

Allerdings verscherzte man es sich auch direkt mit den Mächten hinter der DVD. Den Entwicklern Toshiba und Sony und Filmstudioriesen wie Warner, die bereits voll auf die DVD setzten (wer erinnert sich noch an die Papp-Cases?), indem DIVX Marketing DVDs als „Basic DVDs“ beschrieb und die eigenen Scheiben als „DIVX Enhanced“. Das sorgte dafür, dass teilweise Anti-DIVX Werbung in US-Tageszeitungen geschaltet wurde, die den Begriff „Open DVD“ den verschlüsselten DIVX Scheiben gegenüberstellte.

Schlimmer noch, die Qualität der Veröffentlichungen ließ zu wünschen übrig. Viele Filme auf DIVX erschienen als Pan & Scan 4:3 Versionen quasi ohne Bonusmaterial. Während gerade die DVD bewies, wie das viel besser geht. Und so war im Online Fandom die Stimmung von Anfang an extrem gegen DIVX eingestellt, weil man eine schlechtere Alternative fürchtete, die dem gerade aufkommenden DVD Markt das Wasser abgraben könnte. So wurden von Anfang an teilweise bösartige Gerüchte gestreut. Etwa, dass die DIVX Geräte dauerhaft auf die Telefonleitung zugreifen und so die Kosten in erstaunliche Höhen treiben würden. Das stimmte natürlich nicht. Das Gerät selbst verband sich zweimal im Monat, oder aber, wenn vom Kunden selbst die Freischaltung einer Scheibe vorgenommen wurde.

Und dennoch sah im Weihnachtsgeschäft 1998, als DIVX im großen Stil in den amerikanischen Markt eingeführt wurde, die Situation eigentlich nicht wirklich schlecht aus. Dreamworks, Paramount und 20th Century FOX wollten ihre Filme exklusiv auf DIVX veröffentlichen und auf normale DVDs verzichten. Disney immerhin beide Formate unterstützen. Hauptgrund hierfür war vermutlich der bessere Kopierschutz von DIVX. Und tatsächlich schien sich ein erster Erfolg einzustellen. Im Januar 1999 hatte DIVX einen Marktanteil von 23% erreicht. Bis März erschienen über 400 Titel in dem Format. Aber dennoch war das Ende bereits abzusehen. Und die meisten von Euch ahnen vermutlich bereits warum.

Keine große Technikkette war bereit DIVX Player oder Medien in ihre Regale zu stellen. Warum sollten sie auch, wenn sie damit ihren eigenen Konkurrenten, Circuit City, direkt unterstützen würden? Und selbstverständlich boykottierten große Videothekenketten wie Blockbuster Video das Format vollständig. Warum sollte man sich damit das eigene Kerngeschäft kaputtmachen (das würde dann Netflix ein gutes Jahrzehnt später erledigen)? Dazu kam dann eben noch die enttäuschende Qualität der Veröffentlichungen, so dass selbst Kunden, die einen Circuit City in ihrer Nähe hatten vermutlich wenig Grund sahen DIVX Scheiben anstatt DVDs zu erwerben. Die Unkenrufe aus dem Internet und von düpierten Branchenriesen taten ihr Übriges.

Circuit City selbst hatte sich mit Entwicklung und Anlaufkosten des Formats erheblich überhoben und berichtete von etwa 114 Millionen Dollar Verlust. Andere Quellen sprechen von über 300 Millionen. Und so wurde bereits nach einem halben Jahr, Mitte Juni 1999, die Reißleine gezogen, nachdem es nicht gelang, andere Investoren ins Boot zu holen. Der Verkauf von Playern und Scheiben wurde gestoppt. Kunden konnten ihre Player zurückgeben und erhielten 100 Dollar erstattet. Scheiben wurden zum vollen Preis zurückgekauft. Alle produzierten, unverkauften Scheiben zerstört und damit die Befürchtungen der Umweltschützer vermutlich noch übertroffen. Wer Gerät und Scheiben nicht zurückgab, konnte diese noch zwei Jahre lang, bis Ende Juni 2001 uneingeschränkt nutzen. Danach wurde die DIVX Funktionalität abgeschaltet und man hätte „nur“ noch einen DVD Player im Regal. DIVX Scheiben waren nun nutzlos und das Format vom einen auf den anderen Tag tot.

Kein ganz großes Wunder also, dass ich von dem Format nie gehört habe. Für gut sechs Monate in den USA verkauft, vom Hersteller zurückgekauft und seit über 20 Jahren unbrauchbar, dürften DIVX Scheiben selbst relativ selten sein. Wobei findige Techniker natürlich Mittel und Weg gefunden haben die Scheiben auch später noch abzuspielen. Aber, ganz ehrlich, wozu? Es war ein interessanter Ansatz in einer Zeit, als die Silberscheibe den Heimkinomarkt revolutionierte, blieb aber hinter allen Erwartungen zurück und implodierte. Das Ende von Circuit City 2009 ist sicherlich nicht allein auf DIVX zurückzuführen, sondern die Entwicklung des Marktes weg von großen Technikhäusern hin zum Online-Shopping. Aber der Verlust einiger 100 Millionen Dollar dürfte nicht geholfen haben. Geschweige denn die Experimentierfreude von Circuit City gefördert haben.

Was macht einen Film „so schlecht, dass er gut ist“?

Es ist eine dieser Eigenschaften, die vornehmlich gewissen Filmen nachgesagt wird. Dass sie so schlecht seien, dass sie schon wieder gut werden. Das ist natürlich eine höchst persönliche Einschätzung, die vermutliche jede Person anderen Werken zukommen lassen oder absprechen wird. Aber bei einigen Filmen herrscht hier schon durchaus Konsens. Und da ich mir gerne die furchtbar wichtigen Fragen des Lebens stelle, will ich heute einmal untersuchen, was diese Bezeichnung ausmacht. Wie oben erwähnt wird es dennoch meine persönliche Meinung bleiben müssen, weil ihr vermutlich ganz andere Filme als ich „so schlecht, dass sie gut sind“ findet.

Nähern wir uns dem Thema erst einmal nicht von der qualitativen Seite, sondern vom Medium her. Warum ist es gerade der Film, der so beliebt ist für die qualitative Einschätzung „so schlecht, dass er gut ist“? Vermutlich weil er ein passives Medium mit relativ geringem Zeitaufwand ist. Kaum jemand wird sich hinsetzen und Stunden um Stunden einer schlechten TV Serie zu sichten, nur weil man sich hier und da unterhalten fühlt. Aber auf 90 Minuten eines Films destilliert kann das funktionieren. In einem Roman können handwerkliche Fehler die Rezeption auf eine Weise stören, die entweder erhebliche Anstrengung oder ziemlichen Ärger auslösen wird. Gerade wenn wir nicht nur über miserable Prosa, sondern Grammatik-, Rechtschreib oder Setzungsfehler sprechen. Auch ein Videospiel, in dem etwa die Sprungtaste nur jedes dritte Mal funktioniert erfordert weit mehr Geduld als ein Film, von dem man sich eben auch mit einem Bier in der Hand berieseln lassen kann. Es gibt sicherlich Beispiele für „so schlecht, dass sie gut sind“ in sämtlichen Medien (Musik wäre das nächst-wahrscheinliche), aber der Film ist für viele das offensichtlichste.

Also, was muss ein Film tun, um so schlecht zu sein, dass er gut ist? Zunächst einmal offensichtlich „schlecht“ sein. Mindestens ein Aspekt des Films muss vom Rezipienten als so unterirdisch wahrgenommen werden, dass er den gesamten Film versaut. Das können „objektive“ Kriterien sein, etwa schlechte Ausleuchtung, Anschlussfehler, Schnittfehler, sichtbare Crew, oder Versprecher der Schauspieler, die im Film verbleiben. Ich setze objektiv hier in Anführungsstriche, weil das letztlich auch alles künstlerische Konventionen sind, die man nicht wirklich objektiv bewerten kann. Zumeist geht es eh eher um subjektive Empfindungen, wie mangelhaftes Drehbuch, schlechte darstellerische Leistungen, billige Kulissen, unglaubwürdiges Setting, miese Effekte und so weiter.

Der Zuschauende muss den Film also als „schlecht“ empfinden. Entscheidend für „so schlecht, dass er gut ist“ ist in meinen Augen nun, dass das Vergnügen, welches man als Zuschauer aus dem Film zieht, nicht den Ideen des Films folgen darf. Ein „schlechter“ Actionfilm, in dem ich die Action dennoch als aufregend empfinde ist nicht „so schlecht, dass er gut ist“. Das wäre eher ein „guilty pleasure“. Wobei ich den Begriff hasse. Ein Film muss sich schon sehr viel sehr Übles leisten, damit ich mich schuldig dafür fühle, ihn zu mögen. So viel, dass ich ihn vermutlich eh nicht mehr mag. Nein, ein Actionfilm ist dann „so schlecht, dass er gut ist“, wenn ich über die Ungeschicklichkeit des Gezeigten lachen muss. Und das ist meiner Meinung nach wesentlich. Das Vergnügen, dass ich aus dem Film ziehe darf nicht den Ideen der Macher folgen, damit der Film „so schlecht, dass er gut ist“ wird!

Das Vergnügen, dass man aus einem solchen Film zieht ist denn auch meist das Lachen. Was einer der Gründe dafür ist, dass  Komödien selten als Beispiele für „so schlecht, dass sie gut sind“ genannt werden. Ein schlechter Horrorfilm kann komisch sein. Ein schlechtes Drama kann komisch sein. Ein schlechter SciFi Film kann komisch sein. Und so weiter. Aber eine schlechte Komödie ist, per Definition, ja gerade eben nicht komisch. Sicher kann auch ein Witz so schlecht sein, dass er auf ganz neue Weise komisch wird, aber das ist schwieriger als versuchten Ernst auf komische Weise zu versemmeln.

Womit wir zu einem wichtigen Kriterium der „Qualität“ des „so schlecht, dass er gut ist“ Films kommen: der Fallhöhe. Je höher die Ansprüche, die die Filmemacher an sich selbst stellen und die sie komplett verfehlen, umso höher ist das Vergnügen, dass man  auf die ironische „so schlecht, dass er gut ist“ Weise aus dem Werk ziehen kann. Je höher der Anspruch, umso mehr wird die letztliche Absurdität der ganzen Unternehmung offenbar. Der zynische Cashgrab einer Uwe Boll Videospielverfilmung ist sicherlich schlecht, vielleicht sogar „so schlecht, dass er gut ist“, aber er wird nie zu einem der berühmtesten Vertreter dieses Genres werden. Dazu braucht es höheren Selbstanspruch. Vielleicht den eines Ed Wood, der in ‚Plan 9 from outer Space‘ moralische Science Fiction schaffen wollte. Einen tiefen Blick werfen, auf die selbstzerstörerischen Impulse der Menschheit. Am Ende aber nur billigte Sets, UFOs an der Schnur, statt Bela Lugosi einen Chiropraktiker mit Umhang vor dem Gesicht und desinteressierte oder talentfreie Darsteller zur Verfügung hatte. Oder den eines James Nguyen, der mit ‚Birdemic‘ nicht nur eine Hitchcock Hommage schaffen, sondern nebenbei auch noch auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam machen wollte. Und grandios scheiterte, an ewigen Autofahrszenen, einem Hauptdarsteller, der nicht überzeugend eine Straße heruntergehen kann und Clipart-„Spezial“effekten. Oder natürlich ‚The Room‘, Tommy Wiseaus grandiose Selbstüberschätzung, die Geschichte eines Mannes, der von seinem gesamten Umfeld verraten wird. Ein Film, in dem schlicht nichts so funktioniert wie es soll.

Diese Fallhöhe ist auch der Grund, warum absichtliche „so schlecht, dass sie gut sind“-Filme für mich fast nie funktionieren. Wie etwa dieser ‚Sharknado‘ Scheiß. Seht her, wir haben Schrott gemacht, aber absichtlich! Toll oder? Diese Art von Film benötigt ein tiefes Wissen um die Art von Film, die man machen möchte und eine große Liebe für das Genre. Ein ‚Black Dynamite‘ etwa versteht und liebt das „blaxploitation“ Genre und zeigt seine Unzulänglichkeiten perfekt auf. Ins Bild hängende Mikrofone oder ein Stuntman, der nach einer verbockten Szene plötzlich ausgetauscht wird, etwa. Aber beide Beispiele sind, zumindest nach meiner Definition, ja gar keine „so schlecht, dass sie gut sind“ Filme. Denn aus dem einen ziehe ich überhaupt kein Vergnügen und im anderen folgt mein Vergnügen exakt den Ideen der Filmemacher.

Natürlich ist diese Definition alles andere als wasserdicht. Es gibt sicherlich Filme, die mag man genau so wie sie gewollt sind, aber es gibt einzelne Szenen darin, die sind „so schlecht, dass sie gut sind“. Oder umgekehrt. Mal ganz davon abgesehen, dass die Grenzen zwischen bewusstem „camp“, also augenzwinkernder Albernheit und „schlechtem Film“ wohl ziemlich fließend sind. Anders ist es für mich nicht zu erklären, dass etwa ein Film, wie ‚Killer Klowns From Outer Space‘ auf „so schlecht, dass sie gut sind“ Listen landen kann. Wenn jemand mit dem Film Spaß hat, dann sind die Ansprüche der Macher voll erfüllt. Das bedeutet natürlich nicht, dass man ‚Killer Klowns From Outer Space‘ nicht schlecht finden darf (das bedeutet nur, dass wir keine Freunde sein können). Aber wer ihn „so schlecht, dass er gut ist“ findet, hat ihn nicht verstanden.

Und damit sind wir wieder beim extrem Subjektiven der gesamten Einschätzung. Ich habe Leute gesehen, die diese Einschätzung jedem Film zukommen lassen, der erkennbar nicht die Finanzen eines Hollywoodblockbusters zur Verfügung hat, den sie aber dennoch mögen. Oder jedem Film, der willentlich darauf aufmerksam macht, dass er nicht „realistisch“ ist. Es ist eben kein fest gefasstes Genre (soweit es die überhaupt gibt), sondern eine zutiefst persönliche Einschätzung. Darüber was schlecht ist und darüber, was dennoch unterhält.