‚Kings of Summer‘ (2013)

Warnung: im Folgenden verrate ich einige Elemente des späten Films. Ich halte sie für wenig überraschend und habe daher kein Problem sie zu besprechen, doch da könnt Ihr 1. anderer Meinung sein oder 2. trotzdem nichts drüber wissen wollen. In jedem Fall seid Ihr nun gewarnt!

Ich versuche hier zum größten Teil Filme zu besprechen, die mir gefallen haben. Wenn ich einmal etwas negativer urteile, dann meist, wenn ich (selten genug) einen aktuellen Film bespreche. Ich halte es für etwas albern einen sieben Jahre alten Film herzunehmen und zu deklamieren, dass er mir nicht sonderlich gut gefallen hat. Heute muss ich mal eine Ausnahme machen. Zum einen, weil ich ‚Kings of Summer‘ nicht furchtbar fand, sondern durchaus meine, der Film hat seine Stärken, aber vor allem weil ich dieses Gefühl habe einen anderen Film gesehen zu haben als alle anderen. Ich habe die Kritiken als durch die Bank positiv in Erinnerung mit Vergleichen zu ‚Stand By Me‘ oder ‚Son of Rambow‘. Während ich zwar sehen kann, woher die Vergleiche kommen, verstehe ich sie doch nicht wirklich, weil ‚Kings of Summer‘ in seinem zentralen Element, bei den Charakteren, für mich nicht funktioniert. Aber fangen wir am Anfang an.

Teenager Joe (Nick Robinson) verträgt sich nicht mit seinem verwitweten, allein erziehenden Vater Frank (Nick Offerman). Von dessen oftmals herrischen Erziehungsmethoden fühlt er sich bevormundet. Auch sein Freund Patrick (Gabriel Basso) ist von seinen spießigen, langweiligen Eltern genervt. Auf dem Heimweg von einer Party, entdeckt Joe gemeinsam mit dem merkwürdigen Außenseiter Biaggio (Moises Arias) eine Lichtung im Wald, die sich, nach seiner Meinung, ideal für ein Haus eignen würde. Alsbald beginnen die Jungen heimlich mit dem Bau ihres Rückzugsortes, bevor sie von Zuhause abhauen, um im Wald zu leben. Das Leben im Wald gestaltet sich nicht ganz so einfach wie erhofft, doch hilft ein nahes Fast Food Restaurant. Während die besorgten Eltern auf der Suche nach ihren jugendlichen Söhnen sind, geraten Patrick und Joe in Streit um die Gunst von Schulkameradin Kelly.

Wenn ich von Charakteren spreche, die nicht funktionieren, lasst mich direkt klarstellen, dass es im Film nur zwei wirklich definierte Charaktere in Form von Joe und Patrick gibt. Biaggio dient den ganzen Film hindurch zu nichts anderem als zur Pointe, bis der Film plötzlich von uns erwartet tiefe Empathie zu ihm zu empfinden. Und die Eltern sind Sitcom-Karikaturen. Offermans Vater erfüllt jedes einzelne „Brummbär mit Herz aus Gold“-Klischee und Patricks Eltern sind die Flanders aus den ‚Simpsons‘, bloß irisch-katholisch. Und dann ist da noch Kelly, die das letzte Drittel des Films damit verbringt, sich für ihre Existenz zu entschuldigen, weil sie es gewagt hat „zwischen die Freunde zu kommen“. Eine Einschätzung, die der Film merkwürdig zu teilen scheint. Allgemein ist seine Behandlung des Themas „Männlichkeit“ durch den Film etwas diffus. Der Film macht sich einerseits lustig über die jugendliche „wir sind jetzt Männer, weil wir unsere eigene Nahrung töten“-Idee, indem er Joe Fast Food von der „Jagd“ mitbringen lässt. Andererseits enden wir auf einer unangenehmen, pubertären Note eines gewissen Macho-Zynismus.

Auch scheint der Film manche Dinge abzuhandeln, weil die eben im Film so passieren müssen. Joe und sein Vater Frank stehen anfangs auf echtem Kriegsfuß, Frank zwingt Joe an einem Spieleabend mit seiner neuen Freundin teilzunehmen, woraufhin Joe die Polizei mit einem erfundenen Verbrechen zu ihrem Haus ruft. Eine durchaus finstere Situation, in der beide Seiten gänzlich desinteressiert scheinen, ihren Konflikt in irgendeiner Weise aus dem Weg zu räumen, bis sie sich dann am Ende zusammenraufen, weil das am Ende eines Films eben so passieren muss. Bis dahin haben wir bei Frank exakt eine Szene gesehen, in der er über seinen Schatten gesprungen ist, bei Joe deutet nichts auf Konfliktlösung hin. Ich empfand die zwischenmenschlichen Aktionen in ‚Kong: Skull Island‘, dem nächsten Film von Regisseur Jordan Vogt-Roberts oft ebenso unglaubwürdig, allerdings störte das in einem solchen Spektakel-Film natürlich weit weniger als hier, wo es den gesamten Inhalt bildet.

Das klingt jetzt alles ganz furchtbar negativ, soll aber keinesfalls bedeuten, dass der Film überhaupt nicht funktioniert. Die meisten Charaktere mögen auf Sitcom-Niveau sein, das hält sie aber nicht davon ab, durchaus lustig zu sein. Insbesondere einige Szenen zwischen Offerman und einem nicht ganz hellen Polizisten sind durchaus sehr komisch. Auch Biaggio hat seine gelungen komischen Momente. Daneben gelingen Vogt-Roberts ach immer wieder Szenen oder ganze Sequenzen echter Schönheit. Sei es, wenn Joe die Wiese im Mondschein entdeckt, oder einige Sequenzen der Interaktion zwischen den Jungen, wenn ihre Konflikte nicht gerade gnadenlos überstrapaziert werden. Die erste Hälfte des Films ist dabei weit stärker als die zweite, während der ich dann doch öfter auf die Uhr geschaut habe.

Das die Interaktion zwischen den Jungen oft genug immerhin fasziniert, rechne ich dabei aber weniger Jordan Vogt-Roberts an, als den Darstellern Robinson und Basso, die aus dem was der Film ihnen bietet das absolut Bestmögliche herausholen. Wobei Vogt-Roberts Entscheidung, Robinson mit einem Flaum-Schnauz auszustatten ihm wahrlich keinen Gefallen tut und das zynisch-hipsterhafte „wir machen einen Indie-Film, zusammengesetzt aus Indie-Film-Klischees“ nur noch unterstreicht.

Wobei ich deutlich machen möchte, dass die Schwächen des Films weit weniger in Vogt-Roberts Regie als im, bislang einzigen, Drehbuch von Chris Galletta liegen. Die Qualität von ‚Stand By Me‘, dieser Hochwassermarke des (männlichen) Coming of Age Films erreicht ‚Kings of Summer‘ zu keiner Zeit. Aber auch die komisch-sympathische Darstellung unwahrscheinlicher jugendlicher Freundschaften aus ‚Son of Rambow‘ geht ihm weitgehend ab. Dafür sind seine Charaktere zu unsympathisch und selbstzentriert. Nun mag mancher argumentieren, damit seien sie immerhin echten Teenagern nahe, aber selbst wenn man so zynisch sein möchte scheitert der Film dennoch daran, dass er sie mit völlig unrealistischen Charakteren interagieren lässt. Nicht für mich.

„I’m alright, Lee Carter!“ – ‚Son of Rambow‘ (2008)

Als ich letztens über den Animationsfilm ‚Sing‘ gelesen habe, bin ich über den Namen des Regisseurs Garth Jennings gestolpert. Der Name war mir im Hinterkopf, doch ich war mir sicher, dass das nichts mit seiner mäßigen Version vom „Hitchhikers Guide“ zu tun hatte. Ein kurzer Blick auf imdb brachte dann Klarheit. Er ist der Regisseur des, zu Unrecht, weitgehend übersehenen ‚Son of Rambow‘, der für mich auch beim darauffolgenden erneuten Ansehen noch wunderbar funktionierte.

England in den frühen 80ern. Will Proudfoot (Bill Milner), seine Schwester, seine verwitwete Mutter (Jessica Hynes) und seine Großmutter sind Raven-Brüder. Mitglieder dieser strikten, religiösen Gemeinschaft dürfen keine Filme schauen. Als in der Schule während des Unterrichts eine Dokumentation gezeigt werden soll, muss Will folglich auf dem Gang warten. Hier trifft er den Schulchaoten und allgemeinen Quälgeist Lee Carter (Will Poulter). Der hat Will in nur zwei Minuten Ärger mit dem Rektor verschafft und ihm die Armbanduhr seines Vaters abgeschwatzt.  Weiterhin überredet er ihn als Stuntman für seinen Film zu arbeiten, den er für einen Fernsehwettbewerb drehen möchte. Als er Wills Bibel findet, entdeckt er, dass diese voll von vor Fantasie überbordenden Zeichnungen ist.  Nachdem Lee ihm eine aus dem Kino abgefilmte Version des ersten Rambo-Films zeigt, gibt es für Will kein Halten mehr. Seine durch die strenge Glaubensgemeinschaft lange unterdrückte Kreativität bricht sich in Lees Film Bahn. Er wird zum „Son of Rambow“ im jetzt von ‚First Blood‘ inspirierten Amateurfilm und zwischen den beiden absolut ungleichen Jungen entwickelt sich eine vorsichtige Freundschaft. Immer mehr Elemente aus Wills Zeichnungen fließen in den Film. Als andere Schüler, allen voran der französische Austauschschüler und Mädchenschwarm Didier (Jules Sitruk), Wind von dem Projekt bekommen, wollen sie mitmachen. Der schüchterne Will lebt auf, doch der eigenbrötlerische Lee fühlt sich und seine neue Freundschaft bedroht.

Der Film versucht eine ganze Reihe von Elementen zu jonglieren. Das Familienleben der beiden Jungen, Didier und seine Handlanger oder das von Lee Carters Mutter geführte Altenheim. Es gelingt ihm nicht alle diese Elemente mit gleicher Eleganz in der Luft zu halten und gelegentlich droht er gar ins Melodramatische abzugleiten. Doch zum Glück überquert er diese Grenze nie ganz, weiß immer, wann ein gezielter Lacher angebracht ist. Und das Wichtigste ist: das zentrale Element des Films, die sich entwickelnde Freundschaft der beiden Jungen, wirkt zu jedem Moment wahrhaftig. Das ist nicht zuletzt dem nicht weniger als brillanten Spiel der beiden Hauptdarsteller geschuldet. Vor allem Will Poulter (‚Revenant‘) überzeugt als scheinbar draufgängerischer, letzten Endes aber sehr verletzlicher und einsamer Schulrowdy. Erwähnenswert ist auch Jessica Hynes (Daisy Steiner aus ‚Spaced‘), die in ihrer Rolle als jung verwitwete Mutter ihre unverarbeitete  Trauer und Sorge um ihre Kinder hinter einer Fassade aus religiöser Strenge verbirgt. Der ölige „Bruder Joshua“, der sich etwas zu offensichtlich an sie heranmacht und sich schon als Stiefvater von Will und seiner Schwester sieht, wird von diesem abgelehnt. Er hat seine neue Vaterfigur schon gefunden, in Form eines naiv-kindlichen Blicks auf Rambo, der in dem Film keinen Krieg oder Mord sieht, sondern nur eine, für ihn, komplett neue Möglichkeit sich auszudrücken, seine Kreativität auszuleben.

Jennings setzt die geraden, ordentlichen, festgefügten Strukturen der Schule, sowie der Wohnhäuser der beiden Familien in bewussten Kontrast zur Fantasiewelt Wills, den Rückzugsorten der Jungen und ihrer eigenen Filmaufnahmen, in denen es niemals zwei parallel verlaufende Linien zu geben scheint, ein beständiges Chaos vorherrscht. Auch gezeichnete und animierte Sequenzen setzt er ein, um den Reichtum der Fantasie Will Proudfoots zu verdeutlichen. Überhöhte  80er Stimmung bringt der Film nicht mit. Sie beschränkt sich auf einige Party-Szenen, sowie die modische Ausstattung, vor allem die Didiers. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass der Film entstanden ist, kurz bevor 80er Nostalgie zum Mainstream wurde.

Sylvester Stallone (der im Abspann eine Danksagung bekommt) und Rambo-Autor David Morell sind, soweit man hört, durchaus angetan von dem Film, was diesen allerdings, ebenso wie das vorsichtshalber angehängte w, nicht vor rechtlichen Problemen schützen konnte, die einen größeren Erfolg dieses imperfekten aber ungemein sympathischen Films verhinderten.

Der Film fängt die wunderbare, chaotische, kindliche Energie ein, die erlaubt einen Film (und die Welt) durch eine ganz eigene Linse zu sehen und ein eigenes, originelles Werk daraus zu machen. Ich hatte als Kind keine Videokamera zur Verfügung, also haben meine Freunde und ich Hörspiele gemacht, denn einen Kassettenrecorder und Leerkassetten hatte schließlich jeder. Als Vorlagen dienten uns ‚Star Wars‘ und – wenig überraschend – ‚Ghostbusters‘. Diese Werke sind sämtlich dem unaufhaltsamem Lauf der Zeit zum Opfer gefallen (leider/zum Glück?), doch gelegentlich hat mich ‚Son of Rambow‘ an sie denken lassen. Nicht zuletzt deshalb bin ich mehr als gewillt dem Film einige Unzulänglichkeiten zu verzeihen. Eine weitgehend gelungene, hochsympathische und oft genug sehr komische „coming-of-age“ Geschichte. Oh und Fanboys und -girls dürfen die Augen offenhalten für einen Cameo-Auftritt von Edgar Wright.

Ob ich deswegen allerdings ‚Sing‘ sehen werde? Ich weiß nicht. „Animierte Tiere singen Popsongs“ als Prämisse reißt mich nicht direkt vom Hocker.