Kevin Smiths verlorener Film oder „Der erste NFT Film der Welt“

Wir leben in einer verdammt schnellen Zeit. Das merkt man etwa daran, dass sich „NFTs“ inzwischen wahnsinnig weit weg anfühlen. Non Fungible Tokens waren eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Einmalige, nicht teilbare Krypto-Assets, die man für Kryptowährung erwerben kann und die zumeist eine URL repräsentieren, die auf irgendeine Art von Mediendatei verweist. Allerdings erwirbt man keinerlei Rechte an der Mediendatei selbst nur eben am einmaligen Zugang, den man weiterverkaufen kann. So habe ich es jedenfalls verstanden.

Die meisten Anleger wussten damit nichts anzufangen und die meisten Anbieter schienen oftmals selbst nur halbwegs zu verstehen, was sie da eigentlich hatten. Nach einem vieldiskutierten Hype 2021 und im Frühjahr 2022, brach der Handel mit NFTs bereits im Laufe des restlichen Jahres 2022 um 97% ein. Was auch immer NFTs gewesen sein sollten, sie waren schon wieder erledigt.

Bereits gegen Ende des Hypes, nämlich im April 2022, gab es dann eine kleine „Sensationsmeldung“: Filmemacher Kevin Smith würde seinen nächsten Film ‚Killroy Was Here‘, eine Slasher Anthologie, als NFT veröffentlichen. 5555 Menschen hätten so die Möglichkeit Zugriff auf den Film zu erwerben (wie genau das mit der „Einmaligkeit“ von NFTs vereinbar ist, weiß ich nicht). Das ist… erstaunlich. Denn diese Sensationsmeldung war so „sensationell“, das sei es nicht einmal in meinen Newslichter geschafft hat. Vermutlich deshalb, weil ich es schlicht nicht mitbekommen habe. Sucht man heute nach dem Film, findet man zum allergrößten Teil nur die Ankündigung vom April vor zwei Jahren und Diskussionen darüber.

NFT Gläubige waren sicher, das wäre nun endlich der Dammbruch, nach dem auch die blöden „Normies“ den Sinn und Wert von NFTs erkennen müssten. Kevin Smith Fans sprachen eher darüber, dass Smith keine Ahnung von Technik habe und vermutlich von fiesen Betrügern ausgenützt würde. Niemand scheint über den Film selbst zu sprechen. Kein Wunder, haben ihn doch höchstens 5555 Leute gesehen. Wobei ihn die meisten vermutlich als „Wertanlage“ betrachtet haben und nie einen Blick drauf geworfen haben. Der Rest der Welt scheint die Existenz dieses Films vollständig vergessen zu haben. Wenn er denn je davon wusste.

In den 90ern war Smith einmal ein Independent Darling. Eine neue aufregende, ungewöhnliche Stimme in Hollywood. Ein Kritiker- und Publikumsliebling. Die 2000er waren dann eher durchwachsen für ihn. Vollständig misslang 2010 der Versuch mit ‚Cop Out‘ ins „normale“ Hollywood-Actionkino zu wechseln, was dazu führte, dass Smith Filmkritiker zu seinen Feinden erklärte. In den 2010ern versuchte Smith dann einerseits mit späten Sequels an seine 90er Erfolge anzuknüpfen und versuchte sich andererseits im Indie Horrorbereich. Seine Aufmerksamkeit schien aber inzwischen eher seinen Podcasts zu gelten, mit denen er einigen Erfolg verbuchte, als nahbarer, nerdiger Hollywood-Insider.

Einige Filmideen entsprangen direkt diesen Podcasts, darunter auch ein Anthologiehorror rund um den Krampus, der es bis zur Drehbuchphase schaffte. Doch als 2015 Michael Doughertys Film ‚Krampus‘ erschien, landete Smiths Anthologie in der Schublade. Aus der sie offenbar Jahre später wieder hervorgezogen wurde und nun auf den „Charakter“ Kilroy, jenen langnasigen Mann, der in Graffitis seit dem 2ten Weltkrieg über eine Mauer schaut, mit dem Slogan „Kilroy was here“, umgeschrieben werden sollte. Irgendwie. Keine Ahnung.

2020 sollte der Film in die Kinos kommen. Dann kam Covid. Aus 2020 wurde 2021. Und in dem Jahr wurde wohl der Entschluss gefasst, den Film als NFTs zu verkaufen. Im Juli 2022 wurden die versteigert. Und dann brach der Markt zusammen.

Ich schreibe all das, weil ich bis kurz bevor ich das hier geschrieben habe keine Ahnung hatte, dass es den Film überhaupt gibt und genau das faszinierend finde. Klar, Kevin Smiths Name hat nicht mehr den Klang, den er in den 90ern oder frühen 2000ern hatte. Seine letzten Filme richteten sich eher an seine verbliebenen Superfans, als an ein breiteres Publikum. Aber dass einer seiner Filme jetzt quasi „lost media“ geworden ist, finde ich dennoch irgendwo erstaunlich und ein Stück weit faszinierend.

Ich habe keine Ahnung, ob Smith den Film jemals auf „gewöhnliche“ Weise veröffentlichen kann. Vermutlich würde ihn das für Klagen der NFT Käufer (die, so darf man annehmen, ihre „Wertanlage“ inzwischen bereuen) öffnen. Zugegeben, was ich über den Inhalt weiß, weckt keinerlei Interesse in mir, den Film jemals zu sehen und dennoch hat Smith auch heute noch sicherlich mehr als 5555 Fans. Doch ich finde es erstaunlich schwer herauszufinden, ob die enttäuscht darüber sind, dass sie den Film vermutlich nie sehen werden. Vor allem scheinen sie damit beschäftigt, Smith für sein Vorgehen zu verteidigen.

Vielleicht ist der Film auch ohnehin schon längst auf einschlägigen Sharing Seiten erhältlich. So weit wollte ich meine Recherche dann doch nicht treiben. Ich sammle weder NFTs noch Viren. Wenn er das ist, wundert es mich umso mehr, dass niemand über den Film redet (den Inhalt meine ich, nicht die Form der Veröffentlichung, über die, unter anderen, zum Beispiel die Filmlichtung soeben geschrieben hat…).

Es ist nicht schön, dass wir tatsächlich wieder in einem Zeitalter leben, in dem Medien einfach verloren gehen können. Man schüttelt den Kopf über Filmstudios, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ihre Stummfilme vernichtet haben, sicher in dem Glauben, dass den „alten Mist“ niemand mehr sehen wollen würde, wo es doch jetzt Ton gab. Doch die neuen „lost media“ sind fast noch schlimmer. Weil sie, wie etwa im Fall der „Steuerrückzahlungsfälle“ ‚Batgirl‘ oder ‚Coyote vs. ACME‘ niemand sehen kann, oder im Fall von ‚Killroy was here‘ nur eine sehr kleine Zahl. Und das ist bevor wir über die vielen „streaming only“ Filme sprechen, die von ihren Diensten verschwinden.

In einer Zeit, wo eigentlich alles nur einen Klick und eine Transaktion entfernt sein sollte, fühlt sich das, wenigstens für mich, schon recht gruselig an.

3 Gedanken zu “Kevin Smiths verlorener Film oder „Der erste NFT Film der Welt“

Und was meinst Du? (Durch die Nutzung der Kommentarfunktion erklärst Du Dich mit der Verarbeitung Deiner angegebenen Daten durch Automattic, Inc. sowie den Dienst Gravatar einverstanden.)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..