Disney sagt „f%cken“?

Der eher durchwachsene Erfolg des letzten Blockbusterjahres scheint den US-amerikanischen Unterhaltungskonzern Disney wohl doch mehr erschüttert zu haben, als man das auf den ersten Blick annehmen sollte. Zumindest kann man den Eindruck gewinnen, dass man sich vom Image des brav-biederen Familienunterhalters wenigstens ein klein bisschen lösen möchte.

Das kann man zumindest in meiner Region derzeit schön sehen, wenn man häufiger mal an Bushaltestellen steht. Da werben nämlich Plakate derzeit dafür, dass der Streamingdienst Disney+ keineswegs bloß was für Kinder sei! Auf einem dräut der ikonische Schädel des Xenomorph aus ‚Alien‘, den Disney mit FOX ins eigene Programm gekauft hat, und verspricht ordentlichen Horror. Ich nehme mal an, dass der bei Disney+ unzensiert läuft und nicht wie bei vielen anderen Filmen inhaltliche „Anpassungen“ vorgenommen wurden, sonst wär das mal ein säuresaftiges Eigentor.

Doch nicht bloß Grusel verspricht das „erwachsene“ Disney+. Auf einem anderen Plakat schaut uns Lily James als Pamela Anderson aus der Serie ‚Pam & Tommy‘ verführerisch in die Augen. Sexy wird es also auch noch! Ohne die Serie zu kennen fand ich das zumindest ein wenig seltsam, geht es darin doch wohl um die Kurzehe zwischen Fernsehbademeisterin Anderson und Mötley Crüe… „Musiker“ Tommy Lee und um das von einem Handwerker gestohlene und gegen den Willen der beiden Beteiligten ins noch sehr neue Neuland des Internet gestellte Sexvideo der beiden. Es folgten Millionenklagen und allerlei Drama. Und, so dachte ich wenigstens, die Erkenntnis, dass der ganze Vorgang eher eklig als sexy war, egal was man von den unfreiwilligen Darstellern halten mag. Aber vielleicht irre ich mich. Oder ich bin prüder als Disney und das wäre vermutlich ne Leistung für sich…

Kommt man den Plakaten übrigens etwas näher dann findet sich unten im Kleingedruckten der Hinweis, dass man den ganzen „erwachsenen“ Kram mittels Kindersicherung natürlich auch ausschalten kann. Man will zwar weniger bieder sein, aber so blöd die Zielgruppe von Familien vor den Kopf zu stoßen, ist man dann ja nun auch nicht. Irgendwer in der Familie muss halt bloß gut genug gucken können, um den Hinweis zu entdecken. Ob der potentielle, adleräugige Junior diese Info freiwillig preisgibt, ist dann wieder eine Frage für sich.

Doch nicht bloß auf deutschen Plakatwänden und Litfaßsäulen (gibt es die eigentlich noch?) will Disney erwachsen wirken, nein, auch ganz international. Disneys Präsentation auf der US Industriemesse CinemaCon ist für gewöhnlich eine sehr familienfreundliche Angelegenheit. Doch in diesem Jahr präsentierte Marvel Studios Präsident Kevin Feige den kommenden Film ‚Deadpool & Wolverine‘ und benutzte dabei mehrfach das Wort „fuck“. Ich weiß! Mir kommt auch gerade Dampf aus den Ohren und mein Hut ist bis unter die Decke geflogen! Als „fucking awesome“ beschrieb er den Film. Und schob dann eilig nach, dass er das sagen dürfe, weil der Film ja eine höhere Altersfreigabe haben wird. Puh, und ich hatte schon angst…

Das hat natürlich alles den Charme eines frisch pubertierenden Jugendlichen, der „erwachsen“ und „cool“ wirken will, aber möglichst so, dass Mutti und Vati im Wohnzimmer nebenan nicht allzu viel davon mitbekommen und anfangen unangenehme Fragen zu stellen. Nur halt als Milliardenkonzern statt als Kind.

Wird Disney das jetzt durchziehen, oder ist man in sechs Monaten wieder bei der brav-sauberen Unterhaltung angekommen? Ich vermute darüber wird in ganz großem Maße der Erfolg von ‚Deadpool & Wolverine‘ entscheiden. Wenn man mit 18er Freigabe/R-Rating und ordentlich Pipi-Kacka Fickelhumor, sowie Blut und Gekröse den Negativtrend des MCU stoppen kann, dann wird Herr Feige sicherlich noch sehr häufig „fuck“ sagen dürfen/müssen. Wenn aber auch das den Helicarrier nicht mehr herumreißen kann, dann vermute ich wird man sich wieder voll der Familie als verlässlicher Zielgruppe zuwenden.

9 Gedanken zu “Disney sagt „f%cken“?

  1. Die Litfaßsäulen gibt es noch, ja. Bei uns in der Stadt stehen zwei. In der Serie „Pam & Tommy“ treiben es die beiden Hauptdarsteller:innen Lily James und Sebastian Stan schon sehr häufig und offensichtlich. Fast schon so unangenehm wie ein schlechter Porno. Das steht dann nicht mal unbedingt im Zusammenhang mit dem Video um das es dann schlussendlich geht. Reine Provokation.

    Man sieht aber auch wirklich alles, vom Busen bis Penis. Hab so das Gefühl Disney versucht jetzt mit allen Mitteln irgendwas zu retten. Jetzt haben sie sämtliche Sachen wie „Star Wars“ und „Indy“ aufgekauft und Milliarden dafür ausgegeben und jetzt geht ihnen das Geld aus, weil sie mit dem ganzen Schrott, den sie produzieren, kaum Geld einspielen.

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    • Problem ist, wenn ich auf der Suche nach Brüsten wäre, wäre Disney+, Werbekampagne hin oder her, der letzte Ort an dem ich suchen würde. Schließlich war eine der ersten großen Schlagzeilen, dass Disney+ Daryl Hannas Hintern in Splash mit CGI Haar verdeckt habe. Das war eine klarere Positionierung, als irgendeine Werbestrategie das je sein könnte.

      Und ja, Disneys Strategie der letzten Jahre, Geld ausgeben, um mehr einzunehmen, funktioniert nicht mehr, weil man jetzt alles gekauft hat, was nicht festgenagelt war. Jetzt muss man sich positionieren, denn die Strategie absolut jeden abszuholen zieht offensichtlich nicht mehr. Und dann kommen halt solche etwas peinlichen Kampagnen heraus.

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      • Was haben die? Einfach die Haare länger gemacht oder was?

        Ja Disney hatte wirklich keine guten Strategien. Vor allem haben die sich auch viel zu lange auf Marvel ausgeruht. Ich hab den Dienst eigentlich nur, weil ich den mit meiner Schwester teile. Aber das Accountsharing wollen sie ja auch bald unterbinden. Aktuell schaue ich da nur „Buffy“ und „Angel“ sonst bräuchte ich Disney+ nicht, weil das Angebot nicht wirklich interessant ist.

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  2. Mir ist der Shift der Marke „Disney+“ auch aufgefallen. Es ist tatsächlich auch so, dass viele Disney+ für ihre Kids abonniert haben und vielleicht noch selbst Marvel oder „Star Wars“ schauen, doch vom ganzen Fox-Backkatalog nix wissen. Für mich ist Disney+ inzwischen mein meistgenutzter Streaming-Dienst und das zu 90% für erwachsenen Content. Hätten sie sich mal sauberer positionieren müssen von Anfang an – dieses „Starz“-Branding ist halt auch nicht eindeutig.

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    • Das Problem war ja, dass sie sich anfangs quasi gegen Filmfans positioniert haben. Ich kann mich noch gut an den Shitstorm erinnern, als Daryl Hannas Hintern in ‚Splash‘ mit CGI Haar verdeckt wurde. Und das war ja bloß die absolute Spitze des Eisbergs. Selbst Marvel war vor „Anpassungen“ nicht gefeit. Da ist mir, als kinderlosem Filmfreund, nie die Idee gekommen ein Abo abzuschließen. Da hilft sicher auch, dass ich nach Episode 9 erst einmal wieder durch mit SW war…

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      • Da kommt mir vermutlich zugute, dass ich 99% aller Filme ohnehin auf physischen Medien schaue, die dann doch unverändert sind bzw. man hat die Infos was wo geändert wurde. Ich nutze Disney+ größtenteils für Serien, die sonst auf Hulu oder FX laufen, und das ist mega praktisch. Oder halt die exklusiven „Star Wars“-Serien. Finde es krass, wie viele wirklich Disney+ mit Kinderfilmen gleichsetzen. Da ist gleich zu Beginn einiges mit der Markenkommunikation schiefgelaufen, wenn sie da jetzt so hart drauf rumreiten.

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