‚Something In The Dirt‘ (2022) – „I’m gonna try to eat it!“

Ich mag die Filme von Justin Benson und Aaron Moorhead sehr. ‚Resolution‘ war vor gut zehn Jahren ein meta-Horrorfilm, ein ‚Cabin In The Woods‘ mit Mikro-Budget. ‚Spring‘ war dann ihr zugänglichster und vielleicht bester Film. ‚The Endless‘ war ein loses Sequel zu ‚Resolution‘, dass clevere SciFi Konzepte mit einem ordentlichen Schuss kosmischem Horror vermischte. Dann ereilte sie das „Schicksal“ aller interessanten Indie-Filmemacher: Disney wurde auf sie aufmerksam. An ‚Moon Knight‘ und ‚Loki‘ haben sie mitgearbeitet, die ich beide nicht kenne. Benson und Moorhead nutzen ihre neuen Kontakte, um ‚Synchronic‘ zu drehen. Einen Zeitreise Thriller mit Anthony Mackie und Jamie Dornan und mehr Budget als ihre bisherigen Filme zusammen. Und es war ihr bisher schwächster Film. Es wirkte fast, als ob die Independent Instinkte und der Druck eines ansehnlichen Budgets zu sehr in unterschiedliche Richtungen zogen und ein recht ungelenker (wenn auch immer noch interessanter!) Film dabei herausgekommen ist.

‚Something In The Dirt‘ ist nun die Rückkehr der Filmemacher zu ihren Wurzeln. 95% des Films zeigt einzig die beiden Filmemacher, die auch die Hauptrollen spielen. Hauptdrehort ist die Wohnung von Benson. Der Film ist „der Freude mit Freunden Filme zu machen“ gewidmet. Das mag nicht zu 100% gewollte Rückkehr zum Low Budget sein, denn der Film ist auch eine Covid Produktion. Ein größerer Stab wäre somit kaum möglich gewesen. Bedeutet die Rückkehr zu alten Methoden auch ein Aufflammen alter Qualitäten? Schauen wir mal!

Eigentlich haben Levi (Benson) und John (Moorhead) nicht wahnsinnig viel gemeinsam. Levi jobbt als Barkeeper, ist verschiedensten Substanzen nicht abgeneigt und hat eine etwas undurchsichtige Vergangenheit. John war mal Mathelehrer, heute arbeitet er als Hochzeitsfotograf, was ironisch ist, wo er doch frisch geschieden ist. Vor allem aber engagiert er sich in einer örtlichen Kirche. Aber als Levi eine lange leer stehende Wohnung im selben, etwas heruntergekommenen, aber im teuren L.A. sehr günstigen Appartmentkomplex mietet, hilft John seinem neuen Nachbarn nicht nur mit einer Zigarette aus, er bietet ihm auch einige Möbel aus seiner Ehe an, die er noch eingelagert hat. Levi nimmt dies gerne an. Da beobachten die beiden Männer ein erstaunliches Phänomen in Levis neuer Wohnung: ein seltsamer Kristall, den Levi dort gefunden und als Aschenbecher verwendet hat, sendet auf einmal merkwürdige Lichtsignale aus und beginnt zu schweben. Auf diese Weise mit dem Übernatürlichen konfrontiert, ist den beiden völlig klar, was zu tun ist: eine Dokumentation über die Vorkommnisse drehen und damit reich werden! Aber was löst die immer weiter reichenden Phänomene aus? Geister, Magie, Aliens? Oder sind es doch Botschaften durch die Zeit von den geheimen, pythagoreischen Stadtplanern von Los Angeles? Oder Kontakt zu einer anderen Dimension? Gerade John ist um Theorien nicht verlegen. Allerdings finden die beiden auch Dinge übereinander heraus, die schockieren. So erlebt John eine böse Überraschung als er Levi googelt. Und Levi muss feststellen, dass Johns Kirche gar nicht mal so harmlos ist, wie sie klingt. Ach ja, und wie man eigentlich so eine Dokumentation überhaupt macht, das weiß natürlich keiner der beiden.

Dies ist ein Film, bei dem sich Form und Inhalt gegenseitig bedingen. Wir beobachten John und Levi beim erstellen ihrer Aufnahmen mit allerlei Amateur- und semi professioneller Ausstattung. Zwischendurch sehen wir immer mal wieder eingespielt Szenen aus ihrer Dokumentation. Experten, die sich zu den Geschehnissen äußern. Leider kann ich nicht zu viel über den Aufbau sagen, da dies bereits zu viel über die Handlung verraten würde, die es meines Erachtens verdient selbst entdeckt zu werden. Ich sage nur so viel: während man teilweise annehmen kann, einen Found Footage Film zu schauen, ist was wir sehen explizit nicht Found Footage. Und genau darin liegt ein guter Teil des Vergnügens.

‚Something In The Dirt‘ ist definitiv kein Horrorfilm. Sicherlich, im Zentrum steht die Frage, um was es sich bei den Phänomenen handeln könnte und zum Ende hin wird es sogar durchaus etwas schrecklich. Aber weit wichtiger ist den Filmemachern der Umgang der beiden Männer mit den Phänomenen und miteinander. Das ist sicherlich ein wenig vom Erleben der Pandemie geprägt, wenn sich gerade John vollständig in Verschwörungstheorien verliert, sich plötzlich von Symbolen und Hinweisen umgeben sieht und wenn die nicht ganz passen, werden sie halt auch einmal passend gemacht. Am lustigsten ist der Film immer dann, wenn die beiden nicht die Phänomene filmen, sondern was in der Doku dazwischen passieren soll. Wenn Levi etwa das Gezeigte einordnen soll, sich dabei aber so ungelenk vor der Kamera benimmt, dass er irgendetwas mit seinen Händen tun muss. Seilspringen vielleicht. Oder Objektive begutachten. Schließlich isst er einen Apfel, verzweifelt aber an Johns Regieanweisung „mit Endgültigkeit“ in diesen zu beißen, um so die Szene zu beenden. Auch die Szenen mit den „Experten“, so merkt man bald, laufen ganz und gar nicht so wie geplant.

So ist ‚Something In The Dirt‘ vor allem eine leise Komödie, aber eben auch eine Charakterstudie. Und wenn man als Zuschauer dann erkennt, das John und Levi vor allem zwei nicht mehr ganz junge, verzweifelt einsame Männer sind, die lange dabei zugesehen haben, wie ihr Leben verläppert und die nun alles geben würden, um Teil von etwas Größerem, etwas Profundem zu sein, dass ihnen das viel wichtiger als möglicher Ruhm oder Geld ist, dann wird er schon fast zur Tragikomödie.

Im Kern funktioniert der Film also ziemlich gut, gänzlich rund fand ich ihn allerdings nicht. Man merkt ihm an, dass hier zu keiner Idee beim Brainstorming nein gesagt wurde. Ideen scheinen nach dem Gießkannenprinzip in den Film gegossen und bei weitem nicht jede mag zünden. Dazu, oder eher deshalb, ist der Film mit 116 Minuten auch etwa 20 länger als ihm das so wirklich guttut. Dennoch ist wer am Ende mehr als interessant genug für eine Empfehlung. Auch für Moorhead/Benson Quereinsteiger. Für Langzeitfans sei gesagt, der Film reiht sich in ihr „cinematisches Universum“ ein. Levi raucht in einer Szene ein gewisses rotes, Kraut.

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