‚Rivalen unter roter Sonne‘ (1971) – ‚Avengers‘ im Wilden Westen?

Disney haben ihren ‚Infinity War‘ ja vor kurzem als das „größte Crossover aller Zeiten“ angekündigt. Daran möchte ich auch gar nicht zweifeln, richte an Filmfreunde aber die Frage, wie dieses Crossover für Euch klingt: einer der ‚Sieben Samurai‘, einer der ‚Glorreichen Sieben‘, ‚Le Samourai‘ und das erste „Bondgirl“ in einem Film des Regisseurs der ersten paar Bond-Filme, geschrieben unter anderem vom Drehbuchautoren der ‚Glorreichen Sieben‘ mit der Musik des ‚Lawrence Von Arabien‘ Komponisten. Bei einem solchen Personal war zumindest meine erste Reaktion, als ich von dem Film hörte die Frage, warum den nicht jeder kennt. Ist er so gut, wie die Beteiligten vermuten lassen oder letztlich nur ein merkwürdiges, zu Recht halb vergessenes Kuriosum?

1870 bringt der frisch ernannte japanische Botschafter in den USA ein wertvolles Schwert nach Washington zum Präsidenten. Dafür muss natürlich auch der noch reichlich gesetzlose Westen per Zug durchquert werden. Prompt wird der schwerbewachte Zug von einer Gangsterbande unter Pistolenheld Link (Charles Bronson) und dem Franzosen Gauche (Alain Delon) überfallen. Gauche nutzt die Gelegenheit, um nicht nur das wertvolle Schwert zu stehlen, sondern auch seinen Konkurrenten Link zu ermorden. Letzteres schlägt allerdings fehl. Der zurückgelassene Link wird von den Japanern zwangsrekrutiert den überlebenden Samurai-Wächter Kuroda (Toshiro Mifune) zu Gauche zu führen. Link ist davon nicht eben begeistert, ist sich aber sicher, dass sich Gauche auf direktem Weg zu seiner Freundin Christina (Ursula Andress) machen wird. Die beiden ungleichen Männer werden sich zusammentun müssen, wenn sie den Schurken erreichen wollen.

Ich war gespannt, wie unterschiedlich die Charaktere wirklich wären. Schließlich haben Westernheld und Samurai einige Klischees voneinander abgeschaut. Beide sind üblicherweise schweigsame Stoiker, die kein Problem mit Gewalt haben. Drehbuchautor William Roberts gelingt es aber beiden hier interessante Seiten abzugewinnen. Bronsons Link ist, wenn er denn spricht, ein unzuverlässiges Großmaul, den kaum jemand wirklich zu mögen scheint. Mifunes Kuroda hingegen, erhält, neben seiner „Fish-Out-Of-Water-Position“, ein wenig Pathos aus der Tatsache, dass er sich bewusst ist, dass die Zeit der Samurai vorüber ist. Das dies vermutlich der letzte und einzige Moment sein wird indem er eine Chance bekommt sich zu beweisen. Bronson ist willens seine Rolle deutlich augenzwinkernder anzulegen, als ich das von ihm erwartet hätte. Einer der lustigsten Momente (von denen der Film tatsächlich einige hat) ist wenn er Kuroda zu einer Schlägerei herausfordert und Mifune ihn minutenlang mit Judowürfen wie einen Mehlsack durch die Gegend schleudert, bevor Bronson einlenkt mit „fein, einigen wir uns auf unentschieden“. Von Delons Bösewicht Gauche (den der Trailer zu „Gotch“ macht, warum auch immer) hätte ich sehr gern mehr gesehen. Delon ist immer gut aber hier, als ebenso schmieriger wie eleganter Gangster merkt man ihm richtig an, wie viel Spaß er am Cowboy und Samurai-Spiel hatte. Ursula Andress Christina bekommt vom Drehbuch nicht eben viel geliefert und Andress war eher als Model, denn als Schauspielerin bekannt, was man, diplomatisch ausgedrückt, auch merkt. Letztlich bleibt sie ohnehin eine Nebenrolle.

Die beiden gelungenen Charaktere im Zentrum sind denn auch eine der beiden Stärken des Films. Terence Youngs Regie ist kompetent aber nicht unbedingt aufregend. Die typischen Italo-Western Regionen Spaniens kauft man ihm allerdings problemlos für den Wilden Westen ab. Man hat aber das Gefühl, der Bond-Regisseur ist nicht wahnsinnig daran interessiert dreckige Cowboys zu inszenieren und lebt immer richtig auf, wenn er mal wieder die Maßanzüge von Gauche zeigen darf. Wo er ebenfalls positiv auffällt sind die zahlreichen Actionszenen. Die reichen von großen Gefechten, in denen kiloweise Dynamit hochgeht, zu persönlichen Duellen. Insbesondere einige Szenen in übermannshohem Präriegras sind spannend inszeniert und helfen Mifune zum Einsatz zu bringen, der sonst mit seinem Katana gegen Schießeisen immer ein bisschen den Kürzeren zieht (und Kugeln auszuweichen würden in der Filmgeschichte ja erst 10 Jahre später die Ninja lernen). Auch hat mich überrascht wie blutig es teilweise wurde. hier war definitiv mehr der Samurai-Film als der Western Vorbild. Nicht zuletzt dank einer etwas unmotiviert wirkenden Nebenhandlung um eine Gruppe Commanche, wird der Film fast zwei Stunden lang und damit ein wenig länger als ihm gut täte.

Obwohl ein europäischer Western (der manchmal sogar fälschlicherweise in Italo-Western-Listen auftaucht) sind Youngs Vorbild offensichtlich klassische, amerikanische Western, in die er dann das ungewöhnliche Element des Samurai einfügt. Sergio Corbucci würde allerdings, für seine letzte Westernarbeit ‚Stetson – Drei Halunken erster Klasse‘ (1975) eine ganz ähnliche Idee umsetzen. Auch Maurice Jarres Musik schaut weniger zu Morricone, denn zu klassischen Hollywood-Themen, mit gelegentlich eingestreuten, klischeehaft fernöstlich klingenden Melodien. Eine wirklich erinnerungswürdige Melodie konnte ich aber nicht ausmachen. Da beeindrucken seine Soundtracks zu David Lean Filmen weit mehr.

Eine wirklich neue Geschichte erzählte der Film, um zwei Männer, die sich nicht mögen, Respekt füreinander entdecken und schließlich Freunde werden wohl auch vor 45 Jahren nicht wirklich, doch macht es einiges an Spaß Mifune und Bronson (den ich aufgrund seiner arg hölzernen, späten Rollen gern unterschätze aber letztlich scheint er geboren Cowboys zu spielen) in lustigen und ernsten Szenen zuzusehen. Die Chemie zwischen beiden und Delon sorgen dafür, dass der Film immer einen leicht ironischen Unterton behält, ohne dabei je zur Parodie zu werden. Den Actionszenen merkt man ihr Alter sicherlich an, allerdings sind sie gut genug inszeniert, um auch heute noch zu wirken. So ganz der Überflieger, den die Beteiligten erwarten lassen ist ‚Rivalen unter Roter Sonne‘ nicht geworden aber immerhin ein sehr gelungener Western. Nun muss sich zeigen, ob ‚Infinity War‘ das auch wird. Also gelungen meine ich. Nicht ein Western. Wenn ‚Infinity War‘ ein Western wird, fresse ich einen Cowboyhut. Den ich extra dafür anschaffen müsste.

8 Gedanken zu “‚Rivalen unter roter Sonne‘ (1971) – ‚Avengers‘ im Wilden Westen?

  1. Und wieder ein Western, den ich vom Titel her nicht erkannt habe. Bei Schwert und Samurai fiel mir der Film dann aber wieder ein. Ich habe den Film auch eher positiv in Erinnerung gehalten.

    Zum „größte[n] Crossover aller Zeiten“ gibt es übrigens unterschiedliche Ansichten:

    😉

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  2. Klingt interessant. Origineller Mix der Kulturen. Allerdings kann ich mir Delon nur schwerlich in einem Western vorstellen. War das ein einmaliger Ausflug nach Hollywood oder wollte er da richtig durchstarten? Weißt du da näheres?

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    • Der hier war eine europäische Produktion. Seinen Versuch in Hollywood hat Delon ein paar Jahre früher, Mitte der 60er, gestartet. Das sollte er wohl auch in einem Peckinpah-Western mitspielen, der dann nicht zustande kam. Aber da die Amerikaner, im Gegensatz zum Rest der Welt, nix mit ihm anfangen konnten, kam er zurück nach Europa.

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      • Danke für die Info. Da erging Delon dann ja wie so vielen Europäischen Stars. In der Heimat vergöttert, in den Staaten ignoriert. Mifune hat m. W. nach auch noch einiges in den USA gemacht und ist dann ja wohl nach Japan zurückgekehrt.

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        • Positiv ausgedrückt, war Mifune der erste japanische Darsteller mit internationalem Erfolg. Angeblich soll er sogar für die Rolle des Obi-Wan angedacht gewesen sein.

          Weniger positiv hat er zumeist Klischeerollen bekommen (Samurai und 2 WK. Soldaten) und zumindest Akira Kurosawa hat ihm die Miniserie ‚Shogun‘ übel genug genommen, um ihm Zusammenarbeit und Freundschaft zu kündigen, wobei sie sich kurz vor Mifunes Tod wieder vertragen haben sollen.

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