Heute will ich Euch mal ein paar Computer-/Videospiele empfehlen. Gruselige, natürlich. Da das, ganz allgemein auf alle Spiele bezogen, aber ein viel zu großes Feld aufmachen würde, will ich mich hier auf Point & Click Adventures konzentrieren.
Was sind Point & Click Adventures? In Adventurespielen löst man üblicherweise Rätsel, um eine Geschichte zu erleben. Ursprünglich tat man dies in Textadventures, wo man mit einem Parser Befehle eintippen konnte, deren Auswirkungen dann als Text beschrieben wurden. Ende der 80er hielt dann jedoch mehr und mehr Grafik Einzug in Adventuregenre. Und mit der Grafik bald auch die Maus als Kontrollgerät der Wahl. Mit ihr klickte man auf Befehle und dann auf das Objekt mit dem man interagieren wollte und sah die Auswirkungen dessen nun als Animation. Es gab Point & Click Spiele aus der dritten Person, wobei man eine Figur auf dem Monitor kontrollierte. Führende Firmen waren hier Lucas Arts (‚Monkey Island‘ Reihe, ‚Indiana Jones‘ uvm.) und Sierra Online (Allerlei ‚Quest‘ Reihen und, natürlich, ‚Leisure Suit Larry‘). Aber auch solche aus der ersten Person, bei der man die Spielwelt durch die Augen des Protagonisten sieht (‚Myst‘). Ihren Höhepunkt hatten diese Spiele fraglos in den 90ern. Seit deren Ende werden sie regelmäßig für tot erklärt. Doch spätestens seit dem Indie-Game-Boom der 2010er feiern sie eine neue Blütezeit, oft als Autorenwerke von einem kleinen Team, oder gar einer Person. Genau solche Projekte, vor allem der letzten 10 Jahre, will ich hier mal empfehlen.
‚Scratches‘
Meine erste Empfehlung ist auch gleich die schwierigste. Zum einen ist das Spiel von 2006, zum anderen derzeit aufgrund eines Rechtsstreits nicht bei typischen online Anbietern verfügbar ist. Aber ehrlich gesagt ist ‚Scratches‘ zu gut, um es hier nicht zu erwähnen. In dem Spiel von Agustin Cordes, spielt man einen Horrorautoren in den 70er Jahren, aus der Ego-Perspektive. Der Manager des Autoren hat ihm für ein paar Wochen ein verlassenes, viktorianisches Herrenhaus gemietet, in dem er, von der Atmosphäre inspiriert und fernab jeder Ablenkung, sein neues Buch fertigstellen soll. Man erforscht nun dieses gigantische Haus und sein Grundstück und stellt fest, dass nicht nur die Atmosphäre bedrückend und die Geschichte des Hauses verstörend ist, es geht auch noch alles schief und irgendwer oder irgendwas ist im Haus. Mehr will ich gar nicht verraten, doch ist das Spiel so atmosphärisch, dass ich mich immer noch an den Moment erinnern kann, wenn man den Keller des Hauses das erste Mal betrat und die Musik einsetzte. Ich will diesen Moment hier nicht als Video verlinken, weil man ihn am besten selbst erleben sollte. Ein Spiel, das ich immer noch alle paar Jahre durchspiele, auch wenn viele der Rätsel heute nicht mehr zeitgemäß und geradezu unfair wirken.
‚The Last Door‘
‚The Last Door‘ ist ein Adventure, das zwischen 2013 und 2016 episodisch in zwei „Staffeln“ erschien. Hierin spielt man Jeremiah Devitt, der im 19ten Jahrhundert, nach dem Selbstmord eines früheren Schulfreundes, nach Antworten sucht, die ihn allerdings an Orte bringen, die nie für Menschen vorgesehen waren. ‚The Last Door‘ atmet die Atmopshäre einer H.P. Lovecraft Erzählung, aber ausnahmsweise mal ohne seine typischen Klischees, wie seine Meeresfrüchte-Phobie, nachzubauen. Die Grafik ist hier sicher gewöhnungsbedürftig. Ich habe sie häufig als „retro“ beschrieben gesehen, aber, nein, so sahen Spiele nie wirklich aus. Sie ist bewusst abstrakt und undeutlich gehalten. Und in Verbindung mit dem sehr guten Sounddesign schafft das eine hocheffektive und einzigartige Atmosphäre. Der Verzicht auf gesprochene Dialoge mag dem Budget geschuldet sein, fügt sich aber in das gesamte Gefühl sehr gut ein. Die Rätsel sind nicht ganz ohne Herausforderung, ich habe aber nie wirklich lange gehangen. Das größte Problem des Spiels ergibt sich auch aus seiner Stärke. Die abstrakte Grafik mag kosmische Bedrohungen vage genug halten, damit sie ihre Wirkung voll entfalten, allerdings weiß ich auch erst ob ein weißes Quadrat nun ein Kästchen, ein Wollknäuel oder ein Schädel ist, wenn ich drauf klicke und Jeremiah es beschreibt. Dennoch, eines meiner liebsten Gruselpsiele! Beide Staffeln sind bei Steam und gog.com erhältlich. Für PS4, XBOX ONE und Nintendo Switch ist eine Complete Edition erschienen.
‚Unavowed‘
‚Unavowed‘ erschien 2018 bei Designer Dave Gilberts eigenem Indie-Publisher Wadjet Eye Game. Hier spielt man einen Protagonisten, der einem Exorzismus unterzogen wird, nachdem er ein Jahr lang von einem Dämon besessen war. Magier Eli und Halb-Dschinn Mandana nehmen die dramatische Aktion vor. Beide gehören zum New Yorker Zweig der Unavowed. Einer Organisation, die hinter den Kulissen das Übernatürliche bekämpft. Da Dein Charakter im letzten Jahr unter Kontrolle des Dämons allerlei Unheil angerichtet hat, wirst Du direkt in die dünnen Reihen der Unavowed rekrutiert. Im Spielverlauf sind eine Reihe übernatürlicher Missionen in ganz New York zu lösen und neue Mitglieder für das Team zu rekrutieren. ‚Unavowed‘ ist nicht wirklich ein gruseliges Spiel, nutzt aber durchaus Elemente des Horrors. Was es vor allem von anderen Adventures auszeichnet ist seine Wiederspielbarkeit. Am Anfang kann man wählen, ob die eigene Figur männlich oder weiblich sein soll und aus drei Professionen (Barkeeper, Polizist, Schauspieler) wählen. All das hat Einfluss auf den Spielverlauf. Zudem kann man vor jeder Mission zwei Mitglieder der Unavowed aussuchen, die einen begleiten sollen, was für andere Dialoge und Rätsellösungen sorgt. Das Spiel ist sehr gut geschrieben und fühlt sich, wie schon Gilberts vorige Spiele, die ebenfalls gelungene ‚Blackwell‘-Reihe, wie ein Liebesbrief an seine Heimatstadt New York an. Mit seiner Pixeloptik erinnert das Spiel an Genre-Größen aus den 90ern, doch sein Spieldesign ist ein rundum modernes. ‚Unavowed‘ bei Steam und gog.com, sowie für die Nintendo Switch erhältlich.
‚Gibbous – A Cthulhu Adventure‘
Privatdetektiv R. Ketype hat den Auftrag nach dem berüchtigten Necronomicon zu suchen. Als er es in der Miskatonic Library im düsteren Darkham ausfindig macht, wird er jedoch von einem seltsamen Kult entführt. Stattdessen stolpert Bibliothekar Buzz Kerwan über das gefährliche Buch. Ein unvorsichtig gelesener Spruch daraus sorgt flugs dafür, dass seine Katze Kitteh plötzlich sprechen kann, sehr zu ihrem Unmut. Ketype, Kerwan und sogar Kitteh werden nun die Welt bereisen müssen, sich Jahrhunderte alten Verschwörungen, mehreren Kulten und sogar dem Bösen aus den Sternen stellen müssen. ‚Gibbous‘ ist eine Parodie auf typische Lovecraft und Cthulhu Klischees. In schicker, handgezeichneter Comicgrafik bereisen die Protagonisten hier allerlei Schauplätze, lösen Rätsel und reißen Witze. Die Witze landen bei weitem nicht alle, aber ihre Dichte ist so hoch, dass es trotzdem zu unterhalten weiß. Die einzelnen Schauplätze sind meist klein genug, dass die Rätselketten nie zu komplex werden, der Spielfluß bleibt jederzeit erhalten. Leider haben mich der letze Schauplatz und vor allem das Ende ein wenig enttäuscht. Hier arbeitet alles auf eine Pointe hin, die man Kilometer weit kommen sieht. Aber in einem Spiel ist der Weg das Ziel und der Weg wusste mich zu gut 80% hervorragend zu unterhalten. Gelegentlich bemerkt man die Grenzen des Budgets. Da sämtliche Sprache vertont ist, sind die Interaktionsmöglichkeiten an manchen Orten recht beschränkt. Das Spiel erschien 2019 auf PC und ist bei Steam und gog.com erhältlich. Seit 2020 gibt es auch eine Nintendo Switch Version.
‚The Darkside Detective‘
In einfacher aber schöner Pixelgrafik gehalten spielt ‚The Darkside Detective‘ in der fiktiven Stadt Twin Lakes. Diese ist mit einer Geisterwelt, der Darkside verbunden. Daher geschieht hier allerlei übernatürliches Verbrechen, das von der Bevölkerung aber weitgehend ignoriert wird. Die Polizei unterhält daher eine „Darkside Division“. Diese ist jedoch hoffnungslos unterfinanziert und besteht aus Detective Francis McQueen und dem uniformierten Polizisten Patrick Dooley. Ebenfalls in einzelne Episoden gegliedert ist der Humor von ‚The Darkside Detective‘ reichlich albern mit allerlei (Horror-)Popkultur-Anspielungen. Die Episoden spielen sich flott weg und wissen absolut zu unterhalten, achten vor allem darauf auch nicht länger zu sein als nötig. Ein sehr schönes Siel „für zwischendurch“. Das Spiel erschien 2017 für PC und danach für so ziemlich alle Konsolen unter der Sonne (oder sollte ich sagen unter dem Bluuutmond?).
‚If On A Winter’s Night, Four Travelers‘
So, jetzt gehe ich mal ein Risiko ein und empfehle ein Spiel, das ich bislang nur angespielt habe. In dem Spiel finden sich vier Charaktere Ende der 1920er Jahre bei einem merkwürdigen Maskenball in einem Zug wieder. Im Laufe des Spiels erforscht man ihre jeweiligen Geschichten. Soweit ich das bisher gesehen habe, stellt das Spiel das Narrativ in den Vordergrund. Echte Rätsel gibt es kaum. Aber das Ganze scheint mir sehr gut geschrieben, in edler Pixelgrafik präsentiert und mit einer tollen Soundkulisse unterlegt. Und warum traue ich mich, dieses Spiel von 2021 zu empfehlen, obwohl ich es bislang nicht einmal durchgespielt habe? Weil es gratis ist. Man kann es bei Steam und an zahlreichen weiteren Orten für PC herunterladen. Und ich sehe keinen Grund das nicht zu tun.
Okay, das sollte genug Material bis mindestens Halloween sein. Falls Ihr Tipps für (halbwegs) aktuelle Horror Point & Clicks habt, nur immer her damit! Wir können auch gern über alte Horroradventures schwadronieren, wenn Ihr wollt.
Sind die Sachen denn online spielbar oder muss man die extra kaufen? 😉
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Von The Last Door gab es mal eine Browserversion, aber die habe ich nicht mehr gefunden. Der Rest will gekauft (bzw. bei If On A Winters Night… runtergeladen) werden.
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Ah ok… kaufen ist da jetzt nicht so meine Variante 😉
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Noch ein Adventure-Fan, schön.
Ich möchte noch die Black-Mirror-Reihe und, wirklich so richtig gruselig, The Lost Crown hinzufügen.
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Das erste Black Mirror hab ich auch gespielt und in sehr guter Erinnerung. Das taucht hier nur nicht auf, weil ich es als etwas alt eingestuft habe. Mit Lost Crown bin ich spielerisch zwar nicht so ganz warm geworden, aber die Atmopsphäre war in der Tat grandios und ziemlich einzigartig! Ich glaube, es soll bald eine Fortsetzung, The Last Crown, kommen!
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Ich hatte letztes Jahr die Teile 1-3 von BM gespielt, der Teil außerhalb der Reihe wartet noch auf mich.
The Last Crown sollte vor zwei Jahren schon auslieferungsbereit sein, da glaube ich es erst, wenn der Nachfolger wirklich da ist.
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Was beim ersten Black Mirror doof war, dass man sterben konnte und das Spiel vorher den Spielstand nicht gespeichert hat.
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