Newslichter Extrablatt: die Oscars werden „kurz“ und „populär“

Das erste Extrablatt des Newslichters steht ganz im Zeichen von Hollywoods liebstem Goldjungen. Ich bin ja mehr oder weniger einer von den Leuten, denen der Oscar ziemlich egal ist. Letztlich feiert sich die Filmindustrie da halt mal besonders auffällig selbst. Und vor allem bin ich der Meinung (und Ihr könnt gerne so tun, als würde ich das in Euer Poesiealbum schreiben, während Ihr mit den Augen rollt und halbherzig versucht es mir wegzuziehen), dass Kunst kein Wettkampf sein sollte. Aber für die Gewinner hat ein Oscar natürlich schon meist positive Folgen. Mehr und größere Filme sind die Folge. „Mit Oscargewinner XY“ macht sich im Trailer und auf dem Poster halt besser bei zukünftigen Projekten. Ganz bedeutungslos ist er also nicht.

Doch haben die Oscars ein Problem: immer weniger Leute interessieren sich für sie. Denn zu allererst sind die Oscars erst einmal eine (beinahe) weltweit übertragene Fernsehshow. Und deren Publikum geht seit Jahren zurück. In diesem Jahr gar um ganz besonders schmerzhafte 20 Prozent. Und ausgerechnet die jungen Leute bleiben als Zuschauer aus. Dem muss natürlich gegengesteuert werden und dafür hat die Academy of Motion Picture Arts and Sciences nun einige Neuerungen verkündet.

Zunächst einmal soll die Show früher im Jahr stattfinden, um den Abstand zu anderen (Film)Preisverleihungen zu verringern. Dazu gibt es wenig zu sagen, vermutlich eine gute Idee. Weiterhin soll die Show, die derzeit gerne einmal vier Stunden erreicht, auf eine Maximallänge von drei Stunden begrenzt werden. Auch das scheint erst einmal eine gute Idee. Allerdings sollen nicht weniger Oscars verliehen werden als bisher, sondern sogar noch mehr (siehe unten). Was also tun? Moderatorengelaber straffen? Showacts rausschmeißen? Möglich, allerdings ist die Maßnahme, die die Academy in Aussicht stellt eine andere. Manche Oscars sollen auch während der Werbepausen überreicht werden. Na, da würde ich mich aber freuen, wenn ich so einen Werbe-Oscar bekomme. Hey, ich habe den wichtigsten Industriepreis überhaupt bekommen, hat nur keiner gesehen, denn es lief gerade Hundefutter-Reklame, oder ein kleiner Mann mit Mütze rief in dem Moment „GUHN NAHBND!“, als sich die Statue gerade meinen Fingern näherte (Vielleicht müssen auch ein paar mehr Verstorbene bei der „in memoriam“ Zusammenstellung „vergessen“ werden, nicht wahr Academy…).

Mal ganz abgesehen davon, drei Stunden sind immer noch eine ewig lange Zeit um sie vor dem Fernseher zu verbringen. Insbesondere hier in Deutschland wo die Übertragung ja immer in den frühen Morgenstunden stattfindet. Ob nun drei oder vier Stunden weniger Schlaf machen kaum noch einen Unterschied. Die eine gewonnen Stunde wird vermutlich eh durch Vor-  oder Nachhudelei bei den Sendern ersetzt.

Die andere Neuerung ist allerdings die wichtigere. Die Oscars bekommen eine neue Kategorie. Ab 2020 soll in der Sparte „popular films“ ein Oscar an Publikums-Hits verliehen werden. Das ist die erste neue Einführung einer Kategorie seit 2002, als der Oscar für den besten Animationsfilm Premiere hatte. Mit der Einführung dieser Kategorie will man wohl zum einen dem Vorwurf des „Snobismus“ begegnen. Sind doch für die Oscars zumeist Filme nominiert, die nicht unbedingt von der breiten Masse geschaut werden und typische Blockbuster finden sich selten bis nie auf den Nominierungslisten. Tatsächlich gibt es nicht ganz zu Unrecht den Begriff „Oscar-Bait“ für Filme, die von Studios mit dem direkten Ziel des Oscargewinns produziert oder aufgekauft werden. Zumeist mit Themen wie einer finsteren historischen Situation, dem Leben mit Behinderungen oder gerne auch Filme über das Filmemachen selbst. Zum anderen soll die populäre Kategorie aber natürlich auch wieder neue Zuschauer vor den Fernseher locken und wird daher vermutlich als Zückerle ganz am Ende der Übertragung gezeigt.

Aber setzt sich jemand wirklich drei Stunden vor den Fernseher, in der Hoffnung dass ganz am Ende Thanos einen Oscar überreicht bekommt und womöglich vor Freude mit den Fingern schnippst? Schaut sich jemand, der sich wirklich nur für Blockbuster interessiert die Verleihung des besten Fremdsprachenfilm Oscars an (oder geschieht die während der Werbung?), die beste Kamera, den besten Schnitt? Ich halte das zumindest für utopisch. Auch ist für mich die Frage, wie eine Kategorie namens „popular movie“ funktionieren soll, denn da hält sich die Academy bedeckt. Geht man nach dem Prinzip des, in diesem Jahr zu Recht schmachvoll verendeten, deutschen Musikpreises „Echo“ vor und der Film, der am meisten eingenommen hat bekommt auch den Preis? Das hat für mich immer einen merkwürdigen Beigeschmack. Ist ein wohlgefüllter Geldspeicher in unserer Gesellschaft nicht schon Preis genug? Und zwar einer, den man nicht nur in die Wohnzimmervitrine stellen kann, sondern gegen Waren und Dienstleistungen (etwa die fünfte Yacht) eintauschen kann? Muss da dann auch noch ein weiterer Goldpreis überreicht werden? Mal davon abgesehen, dass man dann ohnehin vorher wüsste wer gewinnt und sich das Einschalten gleich schenken kann, wenn man auf eine Dankesrede von Kollegah äh Michael Bay gut verzichten kann.

Ich bin ja gar nicht grundsätzlich dagegen, dass Blockbuster für Oscars nominiert werden. Ich wünschte jemand würde den Academy Wahlmitgliedern beibringen die Kunst im Genrefilm, meinetwegen auch die Kunst im Kommerzfilm zu finden. Denn nicht jeder „populäre Film“ ist bar jeden künstlerischen Anspruchs. Wobei ich mich jetzt gerade frage, ob dann ein „populärer“ (wie erfolgreich muss man dafür eigentlich sein, wer definiert das?) Film gar nicht mehr für den „normalen“ Oscar nominiert werden kann (könnte ein animierter Film für den „normalen“ besten Film nominiert werden, wie damals ‚Die Schöne und das Biest“, jetzt wo sie ’ne eigene Kategorie haben?).

Aber vielleicht ist es auch zu spät für ein Umlernen, vielleicht ist eine grundsätzliche Umstrukturierung der Wählerschaft der Academy notwendig. Mit einem Durchschnittsalter der Mitglieder von 62 Jahren, mit 86% über 50 Jahren und einem Männeranteil von 77%, ganz zu schweigen von 94% weißen Mitgliedern wirkte man in 2012 grundsätzlich nicht mehr ganz zeitgemäß. Die Bemühungen das zu ändern haben seitdem auch eher die Hektik von Gletscherbewegungen (89% weiß und 73% männlich in 2016)[1].

Wie dem auch sei, das „Ende der Filmindustrie“, das manche Hollywoodler, wie etwa Rob Lowe, bekannt aus Meisterwerken wie ‚Monster Trucks‘ oder ‚Super Troopers 2‘ (okay, das war fies), mit der neuen Kategorie nun gekommen sehen wollen, sehe ich wirklich nicht. Höchstens eine Beschleunigung des Endes der Oscars und dazu kann ich zumindest nur herzlich mit den Schultern zucken.

Schaut Ihr die Oscars? Schaut Ihr zumindest auf die Ergebnisse? Haltet ihr die Maßnahmen, die ergriffen werden sollen für gut? Würdet Ihr den Oscar vermissen? Wie lange wird es dauern bis Disney auch die Academy übernimmt und den „Micky“ verleiht… oh Moment, das ausstrahlende Fernsehnetzwerk gehört ja eh bald ihnen.

Mehr zum Thema Oscar-Neuerungen findet Ihr auch bei der Apokalypse Film: https://apokalypsefilm.wordpress.com/2018/08/09/special-alles-neu-bei-den-oscars/

 

 

[1] die entsprechenden Artikel der LA Times sind derzeit von Europa aus nicht ohne Umstände zu erreichen, die Zahlen werden aber korrekt bei der Wikipedia wiedergegeben: https://en.wikipedia.org/wiki/Academy_of_Motion_Picture_Arts_and_Sciences#Membership

wer nicht aus Europa kommt, oder Sperren nicht scheut, findet die entsprechenden Artikel hier:

2012 http://www.latimes.com/entertainment/news/movies/la-et-unmasking-oscar-academy-project-html,0,6763063.htmlstory

2016 http://www.latimes.com/entertainment/movies/la-ca-mn-year-end-diversity-reflection-20161207-story.html

5 Gedanken zu “Newslichter Extrablatt: die Oscars werden „kurz“ und „populär“

  1. Ich schaue seit einigen Jahren recht begeistert die Oscar-Verleihung. Natürlich, es ist objektiv gesehen ein Schmarren, und die besten Filme werden auch nicht ausgezeichnet, sondern halt jene Streifen, die von 6.000 Mitgliedern als am ehesten konsensfähig eingestuft werden, aber bislang hatte ich immer meinen Spaß dabei. Man hat dann doch seine Lieblinge und freut sich, wenn diese den einen oder anderen Oscar nach Hause nehmen können (Grand Budapest Hotel! Whiplash! Trent Reznor! etc.) Und auch die Dankesreden, die oft sehr echte und ungekünstelte Freude gerade jener, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, waren immer schön anzusehen. Dass gerade hier beschnitten werden soll, in dem manche Nebenkategorien in den Pausen verliehen werden, ist gelinde gesagt eine Frechheit. Hier hat man die Gelegenheit, das Filmschaffen in seiner bunten Vielfalt und auch Komplexität zu zeigen und die Menschen, die dahinter stehen, und genau das nimmt man nun raus. Das ist eigentlich ein unglaublicher Affront gegenüber der ganzen Filmindustrie. Und was den Blockbuster-Oscar betrifft: Hier bin ich auch zu 100% bei dir. Ein absoluter Blödsinn. Ein guter Film sollte nominiert werden – ob es sich nun um ein Schwarz-Weiß-Drama handelt, das die Shoa aufarbeitet, oder einen breitenwirksamen Unterhaltungsfilm – sofern man berechtigterweise sagen kann, dass es sich um einen ausgezeichneten Film handelt, dessen Qualität über den meisten seiner Jahrgangsgenossen steht, dann hat er hier bei der Verleihung seine Berechtigung. Und ein guter Film braucht keinen Sonderpreis, der besagt, dass wir, die Oscar-Academy, dich eigentlich scheiße finden, aber weil uns Micky Maus eine Knarre an den Kopf hält, kriegst du jetzt halt auch so ein blödes Goldmännchen und wir grinsen nett dazu und tun so, als ob wir diesen Trostpreis, der im Grunde nicht mehr als eine Teilnahmebestätigung ist, wichtig finden würden. Was für ein Schwachsinn!

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    • Ich schaue sie wohl vor allem deshalb nicht, weil die Frage lautet „Schlafen oder Oscars schauen“. Da gewinnt dann meist schlafen… Allerdings lese ich schon am nächsten morgen die Ergebnisse und freue mich wenn ein Favorit gewinnt, oder ärgere mich wenn die Academy völlig „falsch“ liegt.

      Beim Rest sind wir uns ja weitgehnd einig. Ich bezweifle auch sehr stark, dass das nun Publikum ziehen wird, aber man wird sehen.

      Übrigens, wenn sie schon unbedingt eine neue Kategorie wollen, dann hätte man ruhig den Stuntleuten endlich mal eine Würdigung zukommen lassen können… aber das zieht halt erst recht kein Publikum und käme eh während der Werbung.

      Gefällt 1 Person

  2. Ich habe bei Lufio vor ein paar Tagen schon einen Kommentar zu diesem Thema geschrieben. Deswegen gebe ich dir hier einfach mal nur Recht un schließe mich demFilmkürbis an. 🙂

    Zu deinen Fragen:
    „Schaut Ihr die Oscars?“
    Hab ich zwei mal gemacht und fand die Show drum herum so extrem langweilig, dass ich das schnell wieder aufgegeben habe.

    „Schaut Ihr zumindest auf die Ergebnisse?“
    Auf jeden Fall. Ich will ja alleine schon wissen wie ich bei meinem alljährigen Tippspiel abgeschnitten habe 😉

    „Haltet ihr die Maßnahmen, die ergriffen werden sollen für gut?“
    Laufzeit und Sendetermin sind wohl sinnvoll, da ich die Veranstaltung aber nicht gucke ist mir das relativ egal. Was die zusätzlichen Kategorien angeht, bin ich gespalten.

    „Würdet Ihr den Oscar vermissen?“
    Nein.

    „Wie lange wird es dauern bis Disney auch die Academy übernimmt und den „Micky“ verleiht“
    So weit wird es (hoffentlich) nicht kommen. Aber ich würde wetten, dass in den nächsten Jahren mehr „moderne“ Kategorien eingeführt werden, in denen zufällig Disney-Filme (oder solche die unter diesem Dach wohnen) große Favoriten sind.
    Bester „Voice-Actor in an animated film“ –> 3 Nominierung für Pixar und zwei Disney-Realverfilmungen.
    Parallel zu den visuellen Effekten gibt es dann noch die „Besten Animationen“. Dann kann nämlich Film X der beste Animationsfilm sein und Film Y die beste Animation haben. Und wenn dann noch Film X die beste Voice-Performance zu bieten hat, dann hat Disney ja schon drei Oscarfilme! Yay! 😉

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