„Schreib über das, was Du kennst!“ Das ist die wohl meistzitierte Binsenweisheit, die angehenden Autoren mit auf den Weg gegeben wird. Nehmen wir sie einmal ganz wörtlich, sparen emotionale Wahrheiten und Recherchen aus, dann würde das für Filmemacher bedeuten „macht Filme über Filme“. Und davon gibt es tatsächlich nicht wenige. Schon 1924 träumte sich Buster Keaton in ‚Sherlock jr.‘ als Filmvorführer in den gezeigten Film im Film hinein. Hier soll es allerdings um solche Filme gehen, in denen zumindest Aspekte des Filmemachens selbst eine bedeutende Rolle spielen.
Die meisten „Filme übers Filmen“ beschäftigen sich mit der Produktion des Films selbst. Manche Filme setzen allerdings einen wichtigen Schritt vorher an, beim Schreiben des Drehbuchs. ‚Barton Fink‘ (1991) von den Coen Brüdern und ‚Adaptation‘ (2002) von Spike Jonze beschäftigen sich beide auf ihre Weise mit dem wohl unangenehmsten Aspekt des Schreibens, der Schreibblockade. Während die Coens John Turturro mit dem „goldenen Zeitalter“ Hollywoods und einem unheimlichen John Goodman ringen lassen, kämpft in ‚Adaptation‘ Nicolas Cage in zweien seiner besten Rollen als ungleiches Zwillingspaar mit einem scheinbar unverfilmbaren Buch. In Billy Wilders großartigem ‚Boulevard der Dämmerung‘ (1950) gerät ein mittelloser Drehbuchautor zufällig in die Nähe der alternden Stummfilmdiva Norma Desmond und wird von ihr beauftragt ihr selbstgeschriebenes Drehbuch zu ihrem (unmöglichen) Comeback zu überarbeiten. Wilder macht sich hier über so ziemlich jeden Aspekt der Geschichte Hollywoods lustig, im Zentrum steht aber der „Script Doctor“, der mit einem mangelhaften Buch und dem gigantischen Ego dahinter klarkommen muss. ‚Saving Mr. Banks‘ (2013) hingegen zeigt am Beispiel von P.L. Travers, der Autorin von ‚Mary Poppins‘ wie schwer es für eine Autorin sein kann geliebte Charaktere in die Unwägbarkeiten der profitorientierten Welt des Massenmediums Film zu entlassen.
Die nächste Kategorie, also Filme in denen es um die Tatsächliche Produktion von Filmen geht lässt sich wiederrum unterteilen. Da wären zunächst Dokumentationen über die Produktion realer Filme. Der bekannteste von diesen dürfte wohl ‚Hearts of Darkness‘ (1991) über die Schwierigkeiten und den Exzess während der Dreharbeiten zu Francis Ford Coppolas ‚Apocalypse Now‘. Ein anderes Beispiel ist ‚Burden of Dreams‘, der die Entstehung von Werner Herzogs ‚Fitzcarraldo‘ dokumentiert. Es zeigt den erschöpfenden Kampf gegen die vielen Gefahren des Dschungels und die importierte Gefahr in Form von Klaus Kinski. Die beschriebenen Werke müssen nicht einmal unbedingt vollständig existieren. ‚Lost in La Mancha‘ (2002) beschreibt die stets gescheiterten Versuche von Terry Gilliam seinen lose auf Don Quijote basierenden Film ‚The Man Who Killed Don Quixote‘ zu drehen. Ein Film mit Johnny Depp in der Rolle eines Marketingexperten, der in die Vergangenheit versetzt wird.
Als nächstes wären da Filme die sich eines existierenden Films oder Filmen bedienen und deren Entstehung, mehr oder weniger fiktionalisiert, beschreiben. ‚Shadow of the Vampire‘ (2000) geht als tiefschwarze Komödie der Frage nach, was wäre wenn Max Schreck (Willem Dafoe) in F.W. Murnaus (John Malkovitch) ‚Nosferatu‘ tatsächlich ein Vampir wäre. Tim Burtons bester Film ‚Ed Wood‘ (1994) beschreibt Leben und Werk des titelgebenden „schlechtesten Regisseurs aller Zeiten“. Johnny Depp überzeugt als leicht fiktionalisierter aber grundsympathischer Wood, insbesondere in seiner Freundschaft zu Horrorlegende Bela Lugosi (Martin Landau). ‚The Girl‘ (2012) beschäftigt sich mit der obsessiven Faszination Alfred Hitchcocks (Toby Jones) zu seiner Hauptdarstellerin Tippi Hedren (Sienna Miller).
Damit wären wir dann bei Filmen über fiktive Filme. Hier können die Macher Amateure sein, wie in dem hochsympathischen ‚Son of Rambow‘ (2007), in dem zwei ungleiche Außenseiter einen Film über den Sohn Rambos drehen wollen. In eine ähnliche Kerbe schlägt Michel Gondrys ‚Abgedreht‘ (2008) , in dem ein Videothekenangestellter (Mos Def) und sein chaotischer Kumpel (Jack Black) Filme auf versehentlich gelöschten VHS-Bändern, mit möglichst geringem materiellen Aufwand aber umso viel mehr Kreativität nachstellen müssen, um eine Pleite der Videothek zu verhindern. Weit weniger sympathische Protagonisten stehen im Zentrum von ‚Augen der Angst‘ (1960) wo ein Mann besessen von der Idee ist den Moment der Todesangst mit der Kamera einzufangen oder ‚Henry Portrait of a Serial Killer‘, wo der namensgebende Mörder und Komplize Otis ihre Verbrechen filmen. Von hier könnte man wohl einen Bogen schlagen und sagen, dass das gesamte „Found Footage“ Genre letztlich Filme über das mehr oder weniger professionelle Filmemachen sind. Wobei es dort nicht immer prominenter Teil der Handlung selbst ist.
Professionellere Filmemacher finden sich in ‚Singin‘ in the Rain‘ (1952), in dem ein Stummfilm in ein Musical umgewandelt werden soll. Das Thema des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm wurde beinahe 60 Jahre später noch einmal von ‚The Artist‘ (2011) mit großem Erfolg behandelt. In beiden Filmen steht ein Stummfilmstar im Mittelpunkt, der sich durch den Übergang zum „Talkie“ großen Herausforderungen ausgesetzt sieht. ‚King Kong‘, Original wie Remake, stellt einen Filmemacher in den Mittelpunkt, der bereit ist für sein Werk nicht nur seine Crew sondern ganz New York in Gefahr zu bringen, wobei der Dokumentarfilmer, der sich in Gefahr begibt für das Publikum der 30er Jahre ein bekanntes Element war. Die Coen Brüder wenden sich erneut dem (nun zu Ende gehenden) goldenen Zeitalter Hollywoods in ‚Hail,Caesar!‘ (2016) zu. Eddie Mannix (Josh Brolin) muss sich mit allerlei Problemen bei Produktionen und einer kommunistischen Verschwörung herumschlagen. ‚Matinee‘ (1993) beleuchtet die ebenso vergangene Zeit der späten 50er und frühen 60er Jahre als sich einige Produzenten, um der Konkurrenz des Fernsehens zu widerstehen, auf allerlei Gimmicks während der Filmvorführungen setzten. Wes Craven war von der Idee des Films über Film immer fasziniert und setzte sie zunächst in ‚Freddy’s New Nightmare‘ (1994) um. Hier spielen sich Craven, Robert Englund und Heather Langenkamp selbst, beim Dreh eines weiteren Krüger Films, doch stellt sich schnell heraus, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Wurde dieser Film vom Publikum noch weitgehend ignoriert, konnte Craven die Idee in seiner ‚Scream‘ Reihe (ab 1996) deutlich erfolgreicher unterbringen. Während die Charaktere schon im ersten Film spekulieren, wer sie in einer Verfilmung spielen würde, werden die fiktiven ‚Stab!‘ Filme bald zum wichtigen Handlungselement der Reihe. In ‚Boogie Nights‘ (1997) schaut Paul Thomas Anderson auf eine andere Art des professionellen Films: den „Erwachsenenfilm“ in den 70er Jahren. Weitab jeglicher Realität aber dafür höchst unterhaltsam ist ‚Bowfingers große Nummer‘ (1999) in dem sich der finanziell klamme Produzent Bowfinger (Steve Martin) in das Leben des paranoiden Filmstars Ramsey (Eddie Murphy) einschleicht, um diesen unauffällig filmen zu können.
Diese Aufzählung ist notwendigerweise unvollständig und dient lediglich dazu einen Überblick über, meiner Meinung nach, gelungene Filme zum Thema Filme übers Filmen zu geben. Und natürlich habe ich mich an die Empfehlung am Anfang des Textes gehalten und nur über Filme geschrieben, die ich kenne. Ich bin sehr darauf gespannt, welches Eure liebsten Filme zu diesem Thema sind und natürlich welche hervorragenden Werke ich unverzeihlicherweise ausgelassen habe.
„Living in Oblivion“ ist auch ein famoser Film übers Filmemachen (fiktiver Film). Kennst du den?
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Das ist der mit Steve Buscemi, richtig?
Von dem habe ich gehört, kenne ihn aber nicht. Nachdem was ich gehört habe, muss der bei dem Thema aber erwähnt werden, also eine sehr gute Ergänzung, danke. Ich setze ihn direkt mal auf meine „zu schauen Liste“!
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Genau der. Ist wirklich lohnenswert und stellt herrlich skurril das Filmemachen auf den Kopf. Mir fehlt dagegen noch „Son of Rambow“ (und davor am besten wohl auch „Rambo“).
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Das wäre ehrlich gesagt ein sehr cooles Double-Feature!
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Scream/Stab ist mir beim Lesen der Überschrift auch als erstes in den Sinn gekommen. Ein ganz eigener Fall wäre auch noch „Argo“ mit Ben Affleck.
Und seit einiger Zeit, genau genommen seit ich mit der Universal monster Reihe angefangen habe, will ich auch „Gods and Monsters“ endlich mal ganz schauen. Das habe ich nämlich bisher noh nie geschafft.
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Ich finde es interessant, das 94 so ein Metahorrorflim völlig floppte, zwei Jahre später aber den Riesenboom auslöste. Vielleicht war eine etablierte Serie wie Nightmare auch der falsche Ort dafür. Oder die Leute hatten Freddy satt. Zum Glück war Craven von der Idee überzeugt…
Gods and Monsters ist der James Whale Biopic, oder? Der würde mich auch interessieren. Ich wusste gar nicht, dass in Argo gefilmt wird, der ist gänzlich an mir vorrüber gegangen. Sollte ich vielleicht auch mal reinschauen.
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In Argo wird ja auch nur so getan, als ob gefilmt werden würde. 😁
Ja genau. Gods and Monsters ist der Whale Film.
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Breaking News: Gods and Monsters läuft nächste Woche im TV!
https://www.3sat.de/page/?source=/film/woche/172241/index.html
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Werde ich mir merken (hoffentlich…)!
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„Paris when it sizzles“ mit Audrey Hepburn als Schreibkraft eines etwas neben-der-Spur befindlichen Drehbuchautors gespielt von William Holden ist auch ein schönes Beispiel über das Filmschreiben im Film. Ist natürlich eine romantische Komödie, aber intelligent umgesetzt. 🙂
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Oh spannend, danke! Habe ich noch nie von gehört, kommt aber definitiv auf „die Liste“!
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Ich steuere noch „Ararat“ und „Aviator“ bei
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Zu meinen persönlichen Favoriten gehört SCREAMPLAY. Vielleicht der bekannteste Film zum Thema überhaupt ist DIE AMERIKANISCHE NACHT von Truffaut. Den wegzulassen ist wirklich unverzeihlich. Aus Italien ist Antononis DIE DAME OHNE KAMELIEN aka DIE GROSSE ROLLE schon allein wegen der grandiosen Lucia Bosè sehenswert.
Aus der Traumfabrik gibt es natürlich noch jede Menge weitere Filme zum Thema. Ich greife mal recht willkürlich Minnellis THE BAD AND THE BEAUTIFUL aka STADT DER ILLUSIONEN (mit Kirk Douglas als tyrannischer Produzent) und DIE BARFÜSSIGE GRÄFIN von Mankiewicz (mit Ava Gardner als tragischem Filmstar und Humphrey Bogart als Regisseur) heraus. Was Du schon immer über Nick Rays IN A LONELY PLACE (mit Bogart als cholerischer Drehbuchautor) wissen wolltest, aber bisher nicht zu fragen wagtest, steht im epischen Artikel von Hans Schmid darüber.
Aus Deutschland ist vielleicht FILM OHNE TITEL von Rudolf Jugert (mit deutlichen Spuren seines früheren „Chefs“ Käutner) der bekannteste Beitrag zum Thema. Aus den Gefilden des Neuen Deutschen Films gibt es dazu WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE von Fassbinder und DER STAND DER DINGE von Wenders. Wobei letzterer seine frustriedenden Erfahrungen beim Dreh von HAMMETT in Hollywood aufarbeitete.
Bei den Dokus über nicht fertiggestellte Filme ist DIE HÖLLE VON HENRI-GEORGES CLOUZOT in jeder Hinsicht faszinierend. Auch sehr sehenswert ist THE EPIC THAT NEVER WAS über Josef von Sternbergs gescheiterten I, CLAUDIUS. Charles Laughton als der linkische Claudius, das wär was gewesen. Aber Derek Jacobi hat in der späteren Fernsehserie seine Sache ja auch wunderbar gemacht.
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Ersteinmal vielen Dank für die wahnsinnig ausführliche Antwort!
Truffaut ist tatsächlich so eine Bildungslücke bei mir. Aber immerhin eine die ich langsam schließe. Screamplay klingt wahnsinnig interessant und kommt definitiv auf meine „muss ich sehen“-Liste! Ebenso Die Hölle von Henri-Georges Clouzot, ist doch Lohn der Angst einer meiner Lieblingsfilme!
Über die anderen muss ich erstmal lesen aber das kann ich ja, dank Deiner hilfreichen Links. Nochmal danke für die Mühe!
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Hoppla, bei Antonioni hab ich den Link verbockt. Ich wollte hierhin.
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