‚X-Men: Apocalypse‘ (2016) – Walk Like an Egyptian

Nachdem mir der Abgesang auf den ollen ‚Logan‘ dann ja doch ziemlich gut gefallen hat, wollte ich nun auch den neuesten Teil der dienstältesten Superhelden-Filmserie nachholen. Die durchschnittliche Qualität der Hauptserie war hier, mit Ausnahme eines Ausreißers nach unten in Form von ‚X-Men: Der Letzte Widerstand‘, ziemlich hoch. Insbesondere die Übergabe des Staffelholzes in ‚Die Zukunft ist Vergangenheit‘ fand ich elegant gelöst. Kann dieses Niveau gehalten werden oder kommt es zur Apokalypse (hehe)?

Zehn Jahre nach Magnetos (Michael Fassbender) vereiteltem Anschlag auf Präsident Nixon, erwacht tief unter Kairo eine neue Gefahr. Sabah En Nur (Oscar Isaac) gilt als der erste Mutant der Welt. Er kann die Körper anderer Menschen und Mutanten und somit ihre Kräfte übernehmen. Im Jahr 3600 v.Chr. versuchte eine Gruppe ihn zu ermorden, um seine Herrschaft über Ägypten zu beenden. Dummerweise haben sie damit gewartet bis er in einem Körper mit Selbstheilungskräften steckte. Und so steht er im Jahr 1983 wieder auf den Beinen und stellt seine vier Reiter der Apokalypse aus den Reihen der Mutanten zusammen, um mit ihnen die Weltherrschaft zu übernehmen. Professor Xaviers (James McAvoy) Schüler müssen ein weiteres Mal ihr friedliches Leben aufgeben und sich ihm als die X-Men in den Weg stellen. Auch die im Verborgenen agierende Mystique (Jennifer Lawrence) wird eine Entscheidung treffen müssen.

Worauf ich hier im Abspann sehr gespannt war, war die Anzahl der Autoren, die für den Film verantwortlich zeichnen. Es sind vier. Ich hatte ehrlich gesagt noch mehr erwartet. Denn während ich oben den Hauptstrang der Handlung knapp zusammengefasst habe besteht der eigentliche Film aus einer ganzen Reihe disparater Elemente, die offensichtlich aus unterschiedlichen Versionen des Drehbuchs stammen. Erlaubt mir den mMn am wenigsten gelungenen Handlungsstrang um Magneto zusammenzufassen. Der lebt hier inkognito in der Volksrepublik Polen und arbeitet in einer Eisenhütte. Er wohnt mit Frau und Kind in einem märchenhaften Häuschen im Wald, wo die Rehlein traulich durch den Vorgarten hopsen (das hängt mit der Mutantenfähigkeit seiner Tochter zusammen). Aber er verrät sich, als er einem Kollegen bei einem Unfall mit seinen Kräften das Leben rettet. Alsbald steht die Polizei vor der Tür… mit Pfeil und Bogen, um Metall zu verhindern. Frau und Tochter sterben in der folgenden Auseinandersetzung und Magneto ist hasserfüllt wie eh und je. Gemeinsam mit Sabah En Nur, der ihn rekrutieren möchte, zerlegt er das ehemalige KZ Auschwitz und verbringt den Großteil des restlichen Films damit in zehn Metern Höhe zu schweben und mit den Armen zu rudern. Zu behaupten dieser Teil funktioniere für mich nicht wäre eine höfliche Untertreibung. Was für eine Art, einen seiner besten Schauspieler zu vergeuden.

Ein weiterer Fehltritt: dreißig Sekunden nachdem es in Xaviers Schule zu einem Unglück gekommen ist trifft Col. Stryker (Josh Helman), der ewige zweit- bis dritt Antagonist, ein und entführt eine Gruppe Mutanten für etwa 10 Minuten in seine Geheimbasis. Das alles dient dem einen Zweck, einem altgedienten X-Man die Chance für einen ausgedehnten Cameo-Auftritt zu geben, trägt zur eigentlichen Handlung aber mal so gar nix bei. Aber wir müssen wohl die zweieinhalb Stunden vollkriegen, die Pflichtdauer für einen Superheldenfilm.

Sabah En Nur oder auch Apocalypse ist sehr nahe dran an einem gelungenen Schurken. Aufgrund seines Aussehens und seiner scheinbar unermesslichen Fähigkeiten wirkt er beinahe monströs, in seiner Arroganz allerdings wieder sehr menschlich. Wenn er alle Atomraketen der Welt gleichzeitig starten lässt und sie ins Weltall schickt, um die Supermächte zu entmachten, dann ist das nicht nur eine gelungene Szene, sie stellt ihn auch subtil auf eine Stufe mit Superman, der im wenig gelungenen ‚Superman IV‘ dasselbe tut. In den 80ern war es ein heldenhafter Akt für den Weltfrieden, aus heutiger Sicht eine Schurkentat, ich bin sicher da verbirgt sich irgendwo ein politischer Kommentar…
Für seine vier Gefolgsleute (oder „Reiter“) will er die mächtigsten Mutanten der Welt, sagt er. Entscheidet sich dann aber, mit Ausnahme Magnetos, für den- oder diejenige, die ihm gerade über den Weg läuft. Aber mit Apocalypses Herrschaftsplänen hält auch eine Krankheit in die Serie Einzug, gegen die die X-Men bis jetzt zumindest relativ immun waren. Erinnert Ihr Euch an Magnetos Armrudern? Apocalypse hat seine Kräfte soweit gestärkt, dass Magneto jetzt nicht eine Stadt, sondern ALLE STÄDTE DER WELT gleichzeitig in Schutt und Asche legen kann. Ja, die Spektakel-Inflation des Superheldengenres hat die X-Men voll erreicht. Ist es da ein Wunder, dass es wohl eine von Sabah En Nurs Fähigkeiten zu sein scheint, dass ihn in keinem Zeitalter irgendjemand leiden kann?

Heißt das also alles ist Mist? Um Himmels Willen, bei Weitem nicht! Die neu eingeführten, jüngeren Versionen bekannter Charaktere, Jean Grey (Sophie Turner), Cyclops (Tye Sheridan) oder Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee) sind durch die Bank sehr sympathisch und gut dargestellt. Von Storm hätte ich sogar gern mehr gesehen, füllt sie Alexandra Shipp in ihren wenigen Minuten Screentime mit mehr Leben als Halle Berry in vier Filmen. Auch die wiederkehrenden Charaktere sind gut getroffen, wenn Michael Fassbender auch völlig unterfordert ist, bleibt die menschliche Dimension, bei allem überbordenden Spektakel gewahrt. Auch wenn man beginnt sich über den (mangelnden) Alterungsprozess der Charaktere, die man zuerst 1962 während der Kuba-Krise getroffen hat zu wundern.
Ich liebe übrigens die Darstellung des Quicksilver (Evan Peters) in diesen Filmen. Er erhält hier gleich eine Reihe von Szenen, von denen zwar keine die überraschende Qualität der brillanten Küchen-Sequenz aus dem letzten Film erreicht aber die dennoch viel Spaß machen.

Was übrigens auffällt, ist wie sehr sich in der langen Lebensdauer des X-Franchises der Superheldenfilm gewandelt hat. Musste im ersten Film noch schwarzes Uniform-Leder (was hier kurz wieder auftaucht) getragen werden und die Idee des Comic-Kostüms war ein Witz, so besteht jetzt keine Angst vor Buntheit mehr. Apocalypses Design z.B. könnte auch direkt aus der alten ‚Power Rangers‘ Serie stammen (er wird am Ende sogar groß!) und funktioniert hier dennoch. Und Storm sieht dem 80er Jahre Comic Pendant ihres Charakters geradezu erschreckend ähnlich.

Was bleibt als Fazit? Jean Grey bemerkt, als sie mit ein paar der jüngeren X-Men aus einer Kinovorstellung von ‚Die Rückkehr der Jediritter‘ kommt „At Least We Can All Agree The Third One Is Always The Worst!“ Sicherlich ein Seitenhieb auf Brett Ratners zu Recht ungeliebten ‚Letzten Widerstand‘, wenn wir ‚Erste Entscheidung‘, ‚Zukunft ist Vergangenheit‘ und ‚Apocalypse‘ als zweite Trilogie betrachten, dann trifft der Satz auch hier problemlos und lässt gewisse Eigenironie erahnen. Allerdings ist ‚Apocalypse‘ qualitätstechnisch weit über dem Niveau vom ‚Letzten Widerstand‘ anzusiedeln. Gerade nach dem gelungenen letzten Film und dem faszinierenden ‚Logan‘ muss ich allerdings sagen, dass ich hier mehr erwartet hätte. Der nächste X-Film kommt ja bereits 2018 ins Kino und wird inszeniert vom Autoren von ‚Der Letzte Widerstand‘. Den Fehler zu viel zu erwarten werde ich dort also garantiert nicht machen, vor allem weil der Film eine weiteres Mal versuchen wird „Dark Phoenix“ auf die Leinwand zu bringen. Was soll’s, totzukriegen sind die X-Men glücklicherweise nicht.

10 Gedanken zu “‚X-Men: Apocalypse‘ (2016) – Walk Like an Egyptian

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  3. Solider Streifen, der leider zum Ende hin in die typische Blockbuster Falle tappt. Für mich war es ein unterhaltsamer Kinoabend, aber nach dem großartigen „Days Of Future Past“ doch eine Enttäuschung. Trotzdem würde ich gerne noch einen X-Men Streifen mit Fassbender und McAvoy sehen.

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