Die Rückkehr der Spuktakulären Filmmonster Kapitel 7: Aliens

Außerirdische sind im Film sicherlich Grenzerscheinungen. Denn natürlich tauchen sie nicht nur (und nicht einmal vor allem) im Horror auf, sondern auch in der Science Fiction. Die Grenzen zu ziehen ist hier nicht immer ganz einfach. Und doch, wenn ein Alien feindlich gesonnen ist können seine Fremdartigkeit, seine unbekannten und womöglich nicht zu verstehenden Fähigkeiten und Absichten durchaus einen fruchtbaren Boden für Schrecken liefern. Wenn ich unten zur Wurzel des Aliens im Film komme, werde ich aber auch einige friedliche Exemplare erwähnen. Ein vollumfängliches Abbild des Aliens im Horrorfilm kann und will dieser Artikel natürlich nicht liefern.

Außerirdische sind Teil menschlicher Erzählungen seit langer, langer Zeit. Seien es Lukian von Samosatas „Wahre Erzählungen“ aus dem 2ten Jahrhundert, die den Satiriker unter anderem auf den Mond befördern, wo er den König des Mondes trifft, der mit Armeen aus anthropomorphen Pilzen, Wolkenzentauren, hundsköpfigen Reitern auf Eicheln und allerlei Anderem Krieg gegen den König der Sonne führt. Oder die japanische Legende aus dem 10ten Jahrhundert, um die Mondprinzessin Kaguya, die ein Bambussammler in einer Blüte findet. In Voltaires „Micromégas“ von 1759 reisen zwei gigantische Außerirdische zur Erde, entdecken die winzigen Menschen und amüsieren sich über deren mangelhafte Philosophie (insbesondere die Idee von Thomas von Aquinas, das Universum sei speziell für den Menschen geschaffen, sorgt für einiges Gelächter). Gemein aber noch nicht aggressiv.

Zur Gefahr wurden die Außerirdischen bei H.G. Wells. In seinem „Krieg der Welten“ stellte der Sozialist und Pazifist dem britischen Empire marsianische Außerirdische mit weit überlegener Waffentechnologie und ähnlich imperialer Agenda gegenüber. Die Briten gerieten so in die Rolle der Opfer von Kolonialpolitik. Ein weiterer satirischer Biss, ist das nicht etwa moderne Kriegsschiffe Erlösung bringen können, sondern die primitivsten Lebensformen der Erde. Bakterien, gegen die das Immunsystem der Eroberer nicht gefeit ist. Am Rande sei die Hörspielumsetzung 1938 durch Orson Welles, ausgestrahlt im Radio in und um New York erwähnt. Welles hatte das Werk als aktuelle Nachrichtenmeldungen um die Landung der Außerirdischen adaptiert und löste damit einige Panik aus. Die wurde zwar später – nicht zuletzt durch Welles – häufig übertrieben, löste aber so viel internationale Aufmerksamkeit aus, dass Adolf Hitler sie in einer Hetzrede gegen „Lügenpresse“ als Beispiel anführte.

Auch im Film waren Außerirdische zunächst keine direkte Bedrohung. In Georges Méliès ‚Voyage Dans La Lune‘ von 1902 (der lose auf Jules Verne beruhte) reist eine Gruppe Wissenschaftler zum Mond, verprügelt die dort ansässigen Seleniten mit Regenschirmen, nachdem diese sie angreifen und entführt einen von ihnen zurück zur Erde als Schauobjekt. Auf den ersten Blick naiv, ist der Film eine Kritik nicht nur am Imperialismus, sondern auch an der Wissenschaftsgläubigkeit. Im dänischen Film ‚Himmelskibet‘ von 1918 wurde der Mars als neues Ziel auserkoren. Die Marsianer haben den Krieg lange abgeschafft und als einer der Astronauten einen Vogel abschießt betrachten sie das als Frevel (seine Strafe ist über sein Vergehen zu meditieren). Am Ende kehren die Astronauten auf die Erde zurück um die pazifistische Botschaft der Außerirdischen zu verbreiten. Es ist wohl nicht weit hergeholt den Film als direkte Reaktion auf den ersten Weltkrieg zu begreifen. In Hans Werckmeisters ‚Algol‘ von 1920 kommt ein Außerirdischer zur Erde und verrät einem Minenarbeiter das Geheimnis der Algol Strahlen, die alle Energieprobleme der Welt lösen könnten. Statt das Geheimnis zu teilen macht sich der Mann zum günstigsten und bald mächtigsten Energieanbieter der Welt. Der Außerirdische ist hier nur das auslösende Element einer Parabel über Aufstieg und Fall. In den 30er und 40er Jahren begann dann die Zeit der Science Fiction „Serials“ des Hollywood Kinos. 30 minütige Folgen, die vor dem eigentlichen Film gezeigt wurden und allerlei „Space Opera“ Abenteuer zeigten. Bekanntestes Beispiel ist sicher ‚Flash Gordon‘.

Aliens als Invasoren tauchten eigentlich erst in den 50er Jahren in großer Menge im US-Kino auf. Sie werden häufig als mehr oder weniger gut getarnte Angst vor einer sowjetischen Invasion (einem „heiß werden“ des Kalten Krieges) gesehen. Dieses „Alien Invasion“ Genre hier annähernd zu erfassen ist kaum möglich, aber schauen wir uns ein paar Beispiele an. Wells ‚Krieg der Welten‘ wurde 1953 etwa, in kontemporärer Adaption, als Film umgesetzt. Das Setting wird nach Amerika verlegt und erhält einige religiöse Untertöne, die dem Säkularisten Wells vermutlich nicht geschmeckt hätten. Die Bandbreite möglicher Invasoren im Film ist allerdings gewaltig. ‚Invasion der Körperfresser‘ (1953) ist zum Beispiel ein paranoides Verwirrspiel, in dem die Außerirdischen Menschen durch exakte Doppelgänger, die aber zu keinen Emotionen fähig sind, ersetzen. In ‚Der Blob‘ (1958) hingegen kommt so etwas wie eine übergroße Amöbe auf die Erde, die einfach alles was ihr im Weg steht in sich aufnimmt. Die Filme spielen dabei häufig in einer „typisch amerikanischen“ Kleinstadt und oft genug ist es der „durchschnittliche Amerikaner“, der die Gefahr stoppt, bevor sie die nächstgelegene Großstadt erreicht. Eine Ausnahme bildet ausgerechnet einer der frühesten Vertreter des Genres. In Robert Wises ‚Der Tag an dem die Erde stillstand‘ (1951) kommt der Außerirdische Klaatu samt seinem Roboter Gort in Frieden und möchten die Erde in eine Föderation von Planeten aufnehmen. Der Film ist voll von Anspielungen auf Klaatu als Christus/Erlöserfigur. Die Tatsache, dass er auf der Erde den Namen Carpenter (= Zimmermann) verwendet ist da noch eine der subtileren.

Das soll aber nicht heißen, dass in den 50ern die Space Opera verschwunden sei. Mit ‚Alarm im Weltall‘ (1956) gibt es sogar ein sehr interessantes Beispiel. Der Film ist eine Adaption von Shakespeares ‚The Tempest‘ und nimmt viele Elemente von Star Trek voraus. Ein Raumkreuzer wird auf die Suche nach einem verschollenen Wissenschaftler geschickt. Der hat auf einem Planeten gigantische Maschinenanlagen einer untergegangenen Zivilisation freigelegt. Die Mannschaft des Kreuzers wird nach ihrer Ankunft von unsichtbaren Monstern attackiert, die sich bald als Manifestation des zornigen Unterbewusstseins des Wissenschaftlers herausstellen, die sich manifestieren, wenn er mit der Maschine interagiert. Die Tricktechnik, etwa wenn die unsichtbaren Monster von Lasern getroffen werden, war damals beeindruckend und heute immer noch interessant anzusehen.

Das Invasions Genre zog sich in die 60er, brachte mit Ed Woods ‚Plan 9 aus dem Weltall‘ (1959) einen Film hervor, der gern als Beispiel für den schlechtesten Film aller Zeiten herangezogen wird (ist er nicht) und blieb kein rein amerikanisches Genre mehr. Der britische Film ‚Blumen des Schreckens‘ (1962) sei als Beispiel genannt oder die außerirdischen Gegner des japanischen Monsters Godzilla (doch dazu an anderer Stelle mehr). Auch trieb es immer absurdere Blüten, wie den Kinderfilm ‚Santa Claus Conquers the Martians‘ (1964) in dem Marsianer den Weihnachtsmann entführen, letztlich aber dem Charme seines „Hohoho“ erliegen.

Machen wir mal einen kleinen Zeitsprung nach 1974. Dort bringen nämlich Autor Dan O‘Bannon und Regisseur John Carpenter eine aufgemöbelte Version ihres Studentenfilms ‚Dark Star‘ ins Kino. Eine Low Budget Komödie um ein Raumschiff, das instabile Planeten zerstören soll. Für uns hier von besonderem Interesse ist vor allem ein Alien, das am besten als Wasserball mit angeklebten Klauen beschrieben werden kann, weil es genau das ist. Das richtet allerlei Unheil im Raumschiff an und muss durch lange, dunkle Gänge gejagt werden. Ein Thema zu dem beide Kreative zurückkehren sollten. O’Bannon als Autor von ‚Alien‘ (1979). Vermutlich der Film, an den Ihr alle gedacht habt, als Ihr die Überschrift gelesen habt. Der Film stellt die absolute Fremdheit des Wesens in den Vordergrund, macht es gleichzeitig zu einem Parasiten und Spitzenräuber. Der Film wurde ein gigantischer Erfolg und zog eine lange Serie an Sequels (und Prequels) nach sich, die bis heute anhält. Carpenter lieferte 1982 ‚The Thing‘ ab. Remake eines Invasions Films aus den 50er Jahren, in dem ein außerirdisches Monster in eine antarktische Forschungsstation eindringt. Der Film ist gleichzeitig ein paranoider Thriller, weil das Alien jede Gestalt annehmen kann und ein Feuerwerk an praktischen Effekten, denn einmal überführt geht das Wesen in allerlei monströse Gestalten über. Der Film floppte böse, wurde ein Kultfilm und zog Jahre später (2011) ein weitgehend vergessenes Prequel nach sich (oder vor sich?).

In den 80ern begegnete auch der damals typische Actionreißer dem bösartigen Alien. ‚Predator‘ (1987) folgt in gewisser Weise exakt der Vorlage von Wells ‚Krieg der Welten‘. Eine hochgerüstete Söldnertruppe um Arnold Schwarzenegger löscht im südamerikanischen Dschungel ein Guerilladorf aus, bevor sie selbst einem noch höher gerüsteten, außerirdischen Jäger begegnen, der wiederum sie nach und nach auslöscht. Einzig von einer sozialistischen Aussage (das würden wohl alle Beteiligten betonen) ist nichts mehr übrig. In den 80ern und 90ern war dann auch die Zeit der Parodie auf den Alien Invasion Film gekommen. In ‚Killer Klowns From Outer Space‘ (1988) landen Außerirdische, die zufällig aussehen wie Clowns in einem Raumschiff, das zufällig aussieht wie ein Zirkuszelt und wickeln ihre Opfer in etwas ein, das zufällig aussieht wie Zuckerwatte. In ‚Mars Attacks!‘ (1996) sind die Außerirdischen mörderische, kleine Mistkerle mit fetten Strahlenwaffen, die letztlich mit Countrymusik, die für ihr großes Hirn unerträglich ist, geschlagen werden. Mit ‚Independence Day‘ bewies Roland Emmerich 1996 andererseits, dass die Zeit des Invasionsfilms noch lange nicht vorbei war. Einen anderen Ansatz wählte ‚Dark City‘ 1998. Hier ist die namensgebende Stadt eigentlich nur ein Versuchsaufbau von Aliens, in dem die Menschen als Laborratten dienen.

Auch ins neue Jahrtausend drangen die Außerirdischen mit typischer Hartnäckigkeit vor. ‚Pitch Black‘ (2001) überlegte was passieren würde, wenn photosensitive, aggressive Aliens auf einen Vin Diesel treffen, der im Dunklen sehen kann. ‚Evolution‘ (2001) ist ein mäßig erfolgreicher Versuch von Ivan Reitman das ‚Ghostbusters‘ Prinzip auf einen Alien Invasions Film zu übertragen. Mit ‚Signs‘ (2002) liefert M. Night Shyamalan einen Film ab, der den ersten Blick auf die Invasoren beeindruckender gestaltet als irgendein anderer, egal was man sonst von dem Film halten mag. 2005 liefert Steven Spielberg eine wenig aufregende Neuverfilmung vom ‚Krieg der Welten‘ ab, 2006 zeigt James Gunn in ‚Slither‘ die unterhaltsame Seite einer schleimigen Alien Invasion. ‚District 9‘ wirft 2009 einen anderen Blick auf Aliens, die als Flüchtlinge zur Erde kommen und im namensgebenden Internierungslager gehalten werden. Kurz, in den 2000ern gibt es eine ordentliche Mischung aus neuen und alten Ideen.

Das setzt sich in den 2010ern fort. Etwa mit J.J. Abrahams Spielberg Hommage ‚Super 8‘ von 2011, die eine Gruppe Jugendlicher in den späten 70ern mit einem außerirdischen Wesen konfrontiert. In Guillermo Del Toros ‚Pacific Rim‘ kloppen sich riesige Aliens mit ebensogroßen, von Menschen gesteuerten, Mechs. Im Marvel Universum wird das Abwehren von außerirdischen Invasionen ebenfalls häufiger thematisiert. ‚Arrival‘ (2016) hingegen schildert eine friedliche, wenn auch von Paranoia begleitete erste Begegnung. Man darf also davon ausgehen, dass die Begegnung mit mysteriösen Aliens, seien sie nun bösartig oder gelegentlich doch mal ganz in Ordnung, ihre Faszination auch in naher Zukunft nicht verlieren wird. Mehr als jedes andere Monster erlaubt es das Alien jede kreative Idee auszuprobieren, denn Grenzen zeigt nur die Fantasie – oder im Falle des Films, das Budget – auf.

Dieser Artikel sollte eigentlich letzte Woche erscheinen, war dann aber doch etwas mehr Arbeit als erwartet. Damit ist der letzte und achte Teil der „Rückkehr der Spuktakulären Filmmonster“ (aufmerksame Leser entdecken womöglich im obigen Artikel einen Hinweis worum es gehen sollte) leider diesen Oktober nicht mehr zu machen. Mal sehen, ob ich ein Jahr damit warte oder ihn zu Weihnachten nachreiche…

Nun zu Euch. Welche Alien-Mistkerle mögt Ihr am liebsten? Natürlich gern auch die, die ich nicht genannt habe (ich bin mir sicher, mindestens einem von Euch brennen die Daleks unter den Fingernägeln).

12 Gedanken zu “Die Rückkehr der Spuktakulären Filmmonster Kapitel 7: Aliens

  1. Im Rahmen der Gruselstories wurde ein Wesen ganz oft genannt, bei dem die meisten wahrscheinlich vergessen haben, dass es sich dabei im Grunde auch um ein Alien handelt. Pennywise, der Clown aus Stephen Kings „ES“.

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    • Den ollen Pennywise hatte ich auf dem Schirm, habe ihn (wie vieles andere) letztlich aus Platzgründen weggelassen. Irgendwo ist es auch wurscht für die Geschichte, ob er nun ein Geist, Dämon oder Alien ist. Im alten Zweiteiler hat das nur zur schlechtesten Szene geführt… 😉

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